laut.de-Kritik

Der Ausverkauf geht weiter - und klingt besser denn je.

Review von

Mittlerweile schauen die vier Black Lips auf eine 15-jährige Bandgeschichte zurück, die aus bluesigem LoFi-Garagenrock besteht. Es geht auch viel um Kotzen, Pinkeln und Feuerwerk auf der Bühne - oder ums Flüchten vor indischen Ordnungshütern durchs halbe Land.

Dazu gesellen sich seit Jahren klammheimlich Elemente der Professionalisierung. Man mag dies als Selbstfindung auslegen, jedoch liegt auch nahe, dass es sich um einen Nebeneffekt des Vertrags mit Vice Records handelt, dem Medienhaus, das sich wie kein zweites mit sublimer Kommerzialisierung von Drogen-, Outsider- und Protestkultur umgibt. Kein Zufall also, dass für das letzte Album "Arabia Mountain" nicht nur zum ersten Mal ein Produzent, sondern gleich Amy Winehouse-Knöpfedreher Mark Ronson am Mischpult stand.

Für "Underneath The Rainbow" gibt es laut Aussagen der Band zwar Kontakt zu Musiklegende Phil Spector – denn auch Gerüchte streuen ist eine lange Tradition der Band – aber aufgrund der Herausforderung, ein Album via Telefon aus der Gefängniszelle zu produzieren, haben sich die Black Lips doch für Black Keys-Drummer Patrick Carney entschieden. Zusammen mit Dap King Tommy Breneck entlockt er dem Quartett aus Atlanta auf ihrem siebten Langspieler ein selten gehörtes, breites Klangspektrum.

Unverkennbar zieht sich Carneys Einfluss durch die Hinterwäldler-Hymne "Boys In The Wood". Die erste Single-Auskopplung wartet mit viel Präzision, langsamem Tempo und Blues getränkter Gitarre auf. Für den schnelleren Mitgröl-Refrain dürfen es dann gar die vermutlich ersten Blechbläser der Bandgeschichte sein, die das ohnehin sehr cleane Bild abrunden.

Was für die Single gilt, findet sich aber auch in weniger zentralen Punkten des Albums. "Underneath The Rainbow" mangelt es nicht an schmissigen, trotzdem sauber produzierten Zweieinhalbminütern. Sie reichen vom Bubblegum-Punk der Ramones ("Make You Mine") und einer Monkees-Hommage ("Drive By Buddy") bis hin zu ironisch gebrochenem Desert-Rock. So wandelt sich "Funny" in unter drei Minuten von bedrohlicher Stimmung und ausufernden Riffs zu knallbuntem College-Rock mit Mitklatsch-Appeal.

"Dorner Party" schließt sich mit gehetztem Punk'n'Roll an, der an spaßiger Kompromisslosigkeit irgendwo zwischen The Offspring und einer whiskeytrunkenen Version der Hives ihresgleichen sucht. Doch der schönste Fund in der Verweis-Wühlkiste der Black Lips bleibt "Do The Vibrate".

Bereits das dämonische Geheule erinnert zu Beginn an Horror-Punk und Psychobilly. Und tatsächlich ist es nicht weit zu Genre-Größen wie den Cramps oder den Meteors. Für den Refrain, der keineswegs einen Tanz aus den Fifties, sondern die unsägliche Dauerbeschallung durch Handy-Klingeltöne besingt, ergänzt ein einsames Saxophon den zu wilder Kakophonie angewachsenen Song.

Ironisch, wild und in schickerem Zwirn geben die Black Lips ein schönes Bild ab, das aber (zum Glück) weder kommerziell kompatibel ist, noch jene Garage-Jünger befriedigt, die man ohnehin an krediblere Bands verloren hat.

Trackliste

  1. 1. Drive By Buddy
  2. 2. Smiling
  3. 3. Make You Mine
  4. 4. Funny
  5. 5. Dorner Party
  6. 6. Justice After All
  7. 7. Boys In The Wood
  8. 8. Waiting
  9. 9. Do The Vibrate
  10. 10. I Don't Wanna Go Home
  11. 11. Dandelion Dust
  12. 12. Dog Years

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1 Kommentar

  • Vor 10 Jahren

    Ich bin eher zufällig auf dieses Album gestoßen. Hab mir wohl was anderes vorgestellt... Die Musik finde ich grauenhaft und fürchterlich. Frag mich was das sein soll... Naja, keine besonders sachliche Bewertung weil es nicht meine Musik ist. Aber ich war schon erschrocken was manche für seltsame Musik machen...