laut.de-Kritik

Obacht! Unterhaltung!

Review von

So ganz erschließt sich der Sinn hinter dem Unterfangen, eine vier Jahre alte Platte überarbeitet frisch aufzulegen, ja nicht. Gerade einmal drei neue Tracks bietet die "Untouchable Edition" der "1-Mann-Armee". Der Rest ist - so oder sehr ähnlich - bereits bekannt. Für ein neues Album hat es nicht gereicht?

Immerhin: Blokkmonsta nimmt sich auf diese Weise die Gelegenheit, im einleitenden "Apokalypse Now" seiner Genugtuung ob gescheiterter Indizierungsverfahren Ausdruck zu verleihen: "Nichts hilft gegen mich." Eine Verheißung? Eine Drohung? Ein bisschen von beidem, schätze ich.

Wer sich außerstande sieht, wenigstens einen Hauch von Vergnügen aus sinnbefreiten Metzeleien, episch zelebrierten Gewaltorgien und hirnloser Haudrauf-Attitüde zu ziehen, kann gerade wieder umkehren. Derlei zimperliche Klientel dürfte allerdings ohnehin bereits das Cover abschrecken. Gut so.

"Bei sämtlichen abgelichteten Waffen handelt es sich um ohne erforderlichen Altersnachweis frei erhältliche Modellwaffen und Requisiten", gibt das Booklet Entwarnung. "Sämtliche Tracks auf dem Tonträger sind fiktiv und dienen allein der Unterhaltung, sie sollen weder Gewalt verherrlichen noch zur Nachahmung anregen."

Blöd nur, dass es mit der beschworenen Unterhaltung nicht allzu weit her ist. Genau genommen langweilt der monotone Marsch der "1-Mann-Armee" nämlich ganz ordentlich. Dabei lieferten die angerissenen Themen - Waffenhandel, frustrierte Söldner, ein Auftragsmörder in den Diensten der Mafia, die Todesstrafe, die Endlichkeit des Daseins und die vielen Methoden, mit denen sich selbiges terminieren lässt - mehr als genug Stoff für actionreichen, blutigen, in jedem Sinne unter die Haut gehenden Horror- bis Psychokore-Rap.

Schade bloß, dass Blokkmonsta nirgends besonders viel, meist gleich überhaupt nichts daraus macht. Der Plot der Räuberpistole in "Tödliche Mission", etwa: von vorne bis hinten absehbar. Der Spannungsbogen gerät derart flach, dass er sich kaum noch als solcher wahrnehmen lässt. Viel fehlt da nicht zur Nulllinie.

Ähnlich erschöpft sich "Der Henker" in der schnöden Aufzählung mannigfaltiger Todesarten, "4-7" in so saft- wie witzlosem Waffenfetischismus, und ein Tag in "Tempelhof" kommt einem nach der vorliegenden Schilderung, mit Verlaub, öder vor als ein Sommerurlaub in der Schrebergartenkolonie. Das erscheint mir in der Tat wie eine "Welt, die nur meinen Jungs gefällt". Alle anderen müssen aufpassen, sich beim Gähnen nicht den Kiefer zu verrenken.

Nach zähem Beginn keimt aber dennoch Hoffnung auf. Mit Filmsamples in einer unheimlichen Kulisse baut Blokkmonsta persönlich (wie bei einem Großteil der zwar oft ähnlich konstruierten, stets jedoch stimmigen Beats) die Bühne für das durch und durch manipulierte Killer-Geschöpf aus "Abgerichtet", ehe er zusammen mit Evil Pimp zu gesungenen Gebeten hübsch blasphemisch die Wiederkehr des Antichristen in Szene setzt.

Auch die "Todesschwadron 3" kommt angemessen unheilschwanger ums Eck. Der Horrorfilm-Sound hierzu stammt, wie alle Beats, bei denen Blokk nicht selbst Hand an die Regler gelegt hat, von Barret. Danach passiert allerdings schon nicht mehr viel. "Gangster Tanzen Zu Meinem Sound" - das würde ich gerne sehen. Da lud ja Bogy schon schmissiger zum Halunkenboogie in die Abschaumcity.

Blokkmonstas immer gleicher Vortrag besitzt zweifellos Wiedererkennungswert. Die grimmig, wie zwischen zusammengebissenen Zähnen herausgepressten Zeilen passen zwar zur Selbstdarstellung als harter, unkaputtbarer Hund. Auf Dauer zehrt und zerrt der abgehackte, sich selbst ausbremsende Stil aber massiv am Nervenkostüm - zumal die Tracks, gerade wenn Gäste vorbei schauen, gerne fünf, sechs, siebeneinhalb handlungsarme Minuten dauern.

Jeder einzelne Besucher wirkt neben Blokkmonstas chronischem Stimmbandkrampf, der ab und an übel an den Silberrücken unter den Brüllaffen, an Tony D, erinnert, geradezu über-flüssig. Baba Saad begründet sein Feature in "Null Toleranz" mit der besten aller Erklärungen: "Na, weil ich Bock hab', ihr Fotzen. Was sonst?" Trotzdem hinterlässt Hirntot-Kommilitone Schwartz, erst in "Todesschwadron 3", dann in "Jeder Muss Sterben", mit gepflegtem Wahnsinn in der Stimme den tieferen Eindruck.

"Es ist bedauerlich, in der heutigen Zeit und in diesem Land derartige Disclaimer verfassen zu müssen", lamentieren Blokkmonsta und Schwartz übrigens noch im Beipack-Heftchen. Muss man das denn wirklich? Wenn man Stilmittel wie Ironie oder Übertreibung erst explizit als solche kennzeichnen und den dicken Stempel "OBACHT! UNTERHALTUNG!" auf sein Produkt drücken muss, dann liegt es vielleicht nicht ausschließlich an der "heutigen Zeit", an "diesem Land" oder an der Beschränktheit der Rezipienten. Möglicherweise hat man sich dann einfach nicht treffend genug ausgedrückt. Ein Witz, über den außer den drei eigenen Kumpels niemand lacht, ist selten zu hoch für den ganzen Rest der Welt. Mit weit größerer Wahrscheinlichkeit ist er einfach schlecht.

Trackliste

  1. 1. Apocalypse Now
  2. 2. Ohne Gesicht
  3. 3. Händler Des Todes
  4. 4. 4-7
  5. 5. Für Den Sold
  6. 6. 1-Mann-Armee
  7. 7. Guerilla Kommando
  8. 8. Tödliche Mission
  9. 9. Abgerichtet
  10. 10. Entfesselt
  11. 11. Todesschwadron 3
  12. 12. Der Henker
  13. 13. Tempelhof
  14. 14. Kinderfabrik
  15. 15. Gangster Tanzen Zu Meinem Sound
  16. 16. Meine Welt
  17. 17. Jeder Muss Sterben
  18. 18. Null Toleranz
  19. 19. Outro

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172 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Dieser Kommentar wurde vor 10 Jahren durch den Autor entfernt.

  • Vor 9 Jahren

    da ich das original sehr schätze frage ich mich zurecht was der scheiß hier soll
    Klassiker wie Henker oder Tempelhof wurden mit extrem austauschbaren beats verunglimpft
    nene, wenn dann schon das 09er original

  • Vor 4 Jahren

    Er hätte einfach die Premium Edition nachproduzieren sollen. Die meisten Lieder klingen einfach nicht gut mit seiner Post 2009 Stimme. Die Beats sind besser als 2009, was aber keine große Überraschung ist. Barret war einfach ein vielfach besserer Producer als SDBY, auch wenn ich beide mag. Aber so ne Atmo wie bei Barret gibt's einfach kein 2. mal.

    Dank Guerilla Kommando wissen wir jetzt auch, dass Rako niemals an Jekyll rankommen wird. Er rappt vielleicht länger als sie und hat früher angefangen, aber Fortschritt 0, und die Texte sind einfach immer so gezwungen bei ihm. Außer bei den Kollabos mit Blokk ist er eher Durchschnitt.

    Die neuen Bonus Tracks sind nette Extras, die klingen echt geil. Aber zum Glück gab's von solchen Re-Releases nicht nochmal was, es funktioniert einfach nicht.