laut.de-Kritik
Das schlagerhafte Songwriting bleibt gesichtslos und blutleer.
Review von Toni HennigAnfang des Jahres erschien mit "Un:Gott" das bisherige Meisterstück Blutengels. Das überraschte zum Teil mit guten musikalischen Ideen und geriet halbwegs brauchbar. Leider lässt sich das nun über das Mini-Album "Damokles" nicht mehr sagen, landet das Berliner Projekt um Mastermind Chris Pohl nach seinem kurzzeitigen Höhenflug doch wieder mit voller Wucht auf dem Boden der Tatsachen.
So täuscht der aufgesetzte Bombast im Intro "The Haunting (Prelude)" nicht darüber hinweg, dass es sich immer noch genauso amateurhaft wie zu seinen Anfängen vor rund zwanzig Jahren anhört, wenn überholtes Laptop-Geklacker, Kirchenglocken und Bläser aus der Konserve für unfreiwillige Komik sorgen. Die kommt auch im restlichen Verlauf in sowohl ästhetischer, lyrischer, melodischer als auch gesanglicher Hinsicht nicht zu kurz.
Mit dem Titelstück verleiht zwar Pohl seiner "Angst vor dem, was kommen kann oder wird", Ausdruck, reiht aber im Grunde nicht mehr als eine ausgelutschte Gothic-Phrase ("Ewige Stille ruft nach dir") an die nächste, während Future-Pop-Beats aus der klanglichen Discount-Abteilung auch keinen mehr hinterm Ofen hervorlocken. Da hilft die ätherische Hintergrundarbeit nicht mehr viel.
Zudem täuscht der Umstand, dass Chris die meisten Tracks auf Englisch verfasst hat, über die inhaltlichen Schwächen nicht hinweg. Textlich gaukelt er dem Hörer den Gipfel der Erkenntnis vor, hat aber nicht mehr als vertonte Poesieeinträge auf dem Niveau eines 14-Jährigen in seiner pubertären Depri-Phase ("the sadness is killing me") zu bieten. Dazu wirkt seine Betonung des th immer noch so steif wie ein Gehstock. Des Weiteren beschränkt sich sein Wortschatz auf die zehn bis zwanzig Wörter, die er im Grunde seit jeher nutzt, wie etwa "demons" oder "angel".
Das wäre nicht all zu schlimm, wenn zumindest die Musik etwas Interessantes aufzuweisen hätte. Doch die zeichnet leider ein genauso trostloses Bild. "Disobedience" stellt nun nach "Black" und "Into The Void" einen weiteren Versuch dar, bei The Sisters Of Mercy zu wildern, mutet jedoch mit schwachbrüstigem Gesang, kraftlosen Riffs und pathetischer Keyboard-Arbeit vergleichsweise blutleer an. Trotzdem kristallisiert sich der eingängige Refrain noch als Highlight des Mini-Albums heraus. Der lässt allerdings nicht unbedingt eine besondere kreative Eigenleistung erkennen, bedient sich Pohl doch melodisch bei Heaven 17s "Temptation".
Der Rest kommt dann mit flachen Eurodance-Beats und dramatischen Synth-Pop-Refrains nicht über den von Blutengel größtenteils gewohnten Fremdschäm-Appeal hinaus. Von verspielten Electro-Industrial- oder pumpenden Italo-Disco-Ausflügen wie man sie noch auf "Un:Gott" fand keine Spur mehr. Dafür hört man in "The Search" und "Strong" schlagerhaftes Songwriting, wie es gesichtsloser kaum sein könnte.
Das dunkelromantische Duett "Briefe An Dich" mit Kira von Sündenrausch schießt da nur den Vogel ab, denn ihre windschiefe Stimme, die sich durch den Refrain des Grauens zieht, gleicht eher einer sterbenden Kreatur denn einer erhabenen Gothic-Sirene. "Um mich herum wird es dunkler", heißt es darüber hinaus im Text. Das Gefühl bekommt man auch als Hörer, je weiter das Kurzformat voranschreitet. Am Ende möchte man es umgehend dahin befördern, wo es schön dunkel ist, nämlich im Papierkorb.
4 Kommentare mit 4 Antworten
Müll 1/5 jedoch zum Scheunendach einstürzen lassen geeignet
Wurde da a Bombe naagschmaßt?
Beschreibt alle Blutengelalben, die ich kenne perfekt. Fand ich mit 14 gut.
Wo bleiben die neue Nile und Mayhem??
Beide in der Pipeline, keine Sorge
Das hör ich gern.
Hören das Unheilig-Fans, seit es kein Unheilig mehr gibt?
Nee, das ist sogar mir zu heftig