laut.de-Kritik
Keine Posen. Keine Effekte. Keine Pyrotechnik. Gut so!
Review von Henrike MöllerDer Aki ist so ein Netter, so eine ehrliche Haut. Und wie der abgeht, auf der Bühne! Beeindruckend! Seine Texte treffen die Leute mitten ins Herz.
Den Lobgesang auf Bosse, von Freunden auch liebevoll Aki genannt, hätte sich das Konzeptions-Team der "Kraniche – Live in Hamburg"-DVD sparen können. Spätestens nach jedem zweiten Song unterbricht ein kurzes Interview mit einem der Bandmitglieder den Konzert-Mitschnitt vom 21. Dezember 2013.
Die Laudatoren nutzen die paar Sekunden Fame, um ihren Frontmann mit Anerkennung zu überschütten oder, um darauf hinzuweisen, wie weit man es gebracht habe. "Früher haben wir vor zwanzig Leuten gespielt und zehn davon waren geladene Freunde", erinnert sich einer der Musiker. Wie er heißt, erfährt man nicht. Auf eine entsprechende Einblendung zu verzichten, das wirkt etwas unnett. Zumal die Crew immer wieder betont, wie familiär es in der Bosse-Crew zugehe, wie flach die Hierarchien angeblich ausfallen. Künstler des Abends sei auch nicht Bosse, betont ein anderes Mitglied, sondern Bosse & Band – oder Bosse & Freunde, wie es auf der DVD-Hülle heißt.
Statt der Interviewparts, die einen Hauch Skepsis ob der Aufrichtigkeit der gemachten Statements hinterlassen (und die, nebenbei bemerkt, auch völlig überflüssig sind), wäre ein Einblick in den Touralltag vielleicht informativer und unterhaltsamer gewesen. Im Grunde bräuchte es aber überhaupt keinen Rahmen-Schnickschnack oder irgendwelche Beyond-the-Scenes-Extras. Das 95-minütige Konzert in Reinform, Song für Song ohne Unterbrechung abgeballert, hätte wahrscheinlich intensiver gewirkt. Außerdem ist Bosses musikalische Persona derart geradlinig, schnörkellos und bodenständig: Solche Qualitäten transportiert man am besten nach dem Prinzip "Weniger ist mehr".
Die Bühnenbildner haben das gut umgesetzt, sie verzichten auf Schnörkel quasi komplett. Zu Beginn enttäuscht etwas, dass sich außer ein paar die Farbe wechselnden Hintergrundprojektionen on stage optisch und effektemäßig so gar nichts tut. Doch diese Leere füllt sich schnell mit Leben und Bewegung, wenn Bosse (& Band!) sich den Raum zu eigen machen.
Das Konzert beginnt passend zum aktuellen Album und dem Namen der Tour mit "Kraniche". Ein etwas langsamer, bedächtiger Weg, um in einen Gig zu starten, denkt man zunächst. Aber das 7.000 Mann starke Publikum nimmt an diesem Abend jeden Song mit offenen Armen freudig entgegen. Sofort fängt die Hamburger Sporthalle an zu singen. Dazu bedarf es noch nicht einmal Bosses animierender Gesten. Weder die Fans noch der Sänger selbst brauchen offenbar eine Aufwärmphase.
Bei Lied fünf, der beschwingten Rock-Pop-Nummer "3 Millionen", Highlight des 2005er-Albums "Taxi", ist Bosse schon derart durchgeschwitzt, dass man sich fragt, wie er die restlichen 80 Minuten überstehen will. Schafft er aber problemlos, und das, obwohl er den kompletten Gig über drollig über die Bühne tanzt. Auch stimmlich hält sich seine Leistung auf einem konstant hohen Level. Keine schiefen Töne, keine Wackler, keine Atemnot.
Positiv auch, dass Songs, die auf den Alben bisweilen etwas glattgebügelt wirken, live sehr viel lebhafter, sprudelnder und dynamischer daher kommen. "Du Federst" bekommt kurzerhand einen Reggae-Umhang übergestülpt. Das melancholische "Frankfurt Oder" mutiert in eine fast 9-minütige, ekstatische Rumspringnummer mit leidenschaftlichen Trompeten-Einsätzen. "Schönste Zeit" nimmt schon fast rockige Züge an, so schäumt die fett instrumentierte Live-Version über. Noch rockiger wird es, wenn Sebastian Madsen die Bühne betritt, um gemeinsam mit Bosse den nostalgischen Uptempo-Track "Alter Strand" zu grölen.
Während des ruhigen Konzertparts, der aus einer Handvoll akustischer Stücke besteht ("Niemand Vermisst Uns", "Istanbul", "Die Irritierten"), gesellt sich ein weiterer prominenter Gast zu Bosse & Band: Valeska Steiner von Boy. Zusammen geben sie die melancholische Ballade "Nächsten Sommer" zum Besten. Das dritte Feature, "Junimond" mit Kim Frank, ist seltsamerweise nur auf der CD zu hören, nicht aber auf der DVD. Eventuell hängt das mit der aktuellen Optik des ehemaligen Echt-Sängers zusammen.
Nach zwei Zugaben, wobei "Konfetti" passenderweise die letzte darstellt (Bosse will seinen Sprösslingen natürlich noch eine positive Message mit auf den Weg geben: "So lang ich denken kann, kommt ein Licht irgendwann"), ist der musikalische Freudentaumel vorbei. Überwältigt steht die Crew vor dem wild applaudierenden Publikum:
"Ich werde diesen Abend nie vergessen! Das ist extrem großes Kino, das geht voll in den Körper", brüllt Bosse zum Abschied mit leuchtenden Augen, "1000 Dank für dieses tolle Gefühl. Dafür haben sich diese 15 Jahre Arbeit extrem gelohnt. Eigentlich nur für heute Abend. Danke schön, dass ihr da wart."
Schon ein netter, dieser Aki. Eine ehrliche Haut. Und wie der abging, auf der Bühne …
2 Kommentare
Hab ihn relativ früh in der Tour, in Dortmund gesehen, da zündete das aktuelle Album überhaupt nicht. Das kann man hier allerdings nicht behaupten. Ja ich mag den Aki halt, ist halt ein netter Kerl. Ach und rumhüpfen tut Aki schon immer wie bekloppt, da kann er nix gegen machen.....
Früher nannte man sowas Schlager.