laut.de-Kritik
Den Zeitgeist fest im Schwitzkasten.
Review von Dani Fromm"Esperanto für die Straße" nannte Kollege Max Brandl den "Hinterhofjargon", mit dem Celo und Abdi aus finsteren Frankfurter Straßenschluchten ins Rampenlicht preschten und dann, volle Fahrt voraus, weiter in den Mainstream pflügten. Im Grunde trifft er damit auch hinsichtlich des Zweitwerks des Azzlack-Duos den Nagel auf den Kopf. Pardon, die Nadel wohl eher: Die bosnische Lilie und der Stern von Marokko laden diesmal zur "Akupunktur" - auch wenn sich nur äußerst schwer vorstellen lässt, dass die wenig subtile Haudrauf-Methode inzwischen feinen Nadelstichen gewichen sein soll.
Wie um entsprechende Sorgen zu zerstreuen, beginnt "Das Ist Erst Der Anfang" dann aber beruhigend derbe. Wellenartig lässt M3, der für knapp die Hälfte der Beats verantwortlich zeichnet, schiebende, schnarrende Sounds ans Trommelfell branden. Darüber perlende Saiten sorgen für den nötigen Kontrast, um die Angelegenheit interessant zu halten. Leicht möglich allerdings, dass Celo und Abdi auch in einem deutlich drögeren Instrumental nicht untergingen: Zu lebhaft gestaltet sich ihr Zeilen-Pingpong. Die ständigen Wechsel dieses hörbar blendend aufeinander eingespielten Tagteams entfalten eine irre Dynamik.
Die erscheint zuweilen bitter nötig. Wer nicht unter Azzlackz geboren und aufgezogen wurde, bekommt doch über weite Strecken dieses Albums bestenfalls einen rudimentären Plan davon, wovon diese beiden Herren sprechen. Ihre babylonische Sprach-Chimäre vereint Versatzstücke aus Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Frankfurterisch, garniert mit Brocken aus schätzungsweise mindestens einem halben Dutzend weiterer Zungen, die ich mich noch nicht einmal sicher zuzuordnen traue. Vielleicht sollte ich mir doch die Box-Edition zulegen: Selbige enthält, munkelt man, ein Wörterbuch für Hinterhofjargon.
Sinn, Zusammenhang, Stringenz: bei Celo und Abdi aber ohnehin allesamt so zweitrangig wie Grammatik, saubere Reime, ein nachvollziehbarer Plot oder zumindest ein erkennbar durchgehaltenes Thema. Ausnahmen bestätigen die Regel, versteht sich. "Ich hätt' nie gedacht, dass diese Texte Para bringen", wundern sich die Urheber im Kreise ihrer Gäste, Credibil und Olexesh, im Bonustrack "Next Level" vermutlich selbst. Irgendwie haben sie den Zeitgeist aber trotzdem fest in den Schwitzkasten bekommen.
Mehr noch: "Aufs Ziel fokussiert" erfüllen die "Untergrundchiefs" ihren Masterplan und bringen "die Street wieder auf VIVA". Ihre Präsenz beim Teeniesender haben Celo und Abdi offenbar noch nicht so ganz verkraftet. Zumindest müssen sie es in "Renaissance" gleich noch einmal erwähnen: "Der Slang vom Block hat Rap wiederbelebt und ist jetzt auf VIVA zu sehen."
"Euer Bastardsystem drängt uns in Ecken." Dort allerdings haben sich Celo und Abdi häuslich eingerichtet. Neben dem Slang hat das "Duo Numero Uno" auch die Motive vom Block mitgebracht. Die beiden erzählen (soweit man das in ihrem Schlagwortsperrfeuer ausmachen kann) ausschließlich von Dingen, mit denen sie sich auskennen: Es geht um Drogendeals, Autoklau und andere kriminelle Machenschaften, um den Großstadtdschungel und das Überleben darin, um Fußball, im Stadion, auf dem Bolzplatz oder per Konsole, und immer wieder um den leicht verblüfften Blick auf den eigenen Erfolg.
Besonders exzentrisch wirkt das nicht, lässt sich aber durchaus aushalten, zumal die Akteure den Bierernst gegen eine gehörige Portion Humor eingetauscht haben, ohne irgendwo in Richtung Kasperletheater abzudriften. Einzig den gespielten Witz, der dem Titeltrack voran geht, hätte man sich eventuell verkneifen können. So richtig falsche Hoffnungen weckt eigentlich nur "Chivato": "Ihr wollt Story? Ihr wollt Handlung?" Ja, bitte! Statt nach solcher Vorrede Story oder Handlung aufzufahren, singen Celo & Abdi zusammen mit Capo dann doch wieder nur das uralte Lied vom Verräter, den noch immer keiner leiden mag.
Dabei haben die zwei das Zeug für mehr Tiefgang. Was sie in "Chivato" mit kritischem Seitenblick auf den Maulhelden-Typus, der sich einsam und alleine vor dem Monitor mordsstark und mutig vorkommt, nur anreißen, bricht sich an anderen Stellen ausführlicher Bahn: "Generation Tschö!" etwa zeichnet ein schmerzhaft genaues Porträt einer emotional verwahrlosten Jugend. Auch die Zugabe "Siedlungspolitik" verrät die offenen Augen und wachen Geister ihrer Texter. Noch ein, zwei solche Nummern mehr, und dafür einen (nur einen!) Frankfurt-Representer und eine (nur eine!) Tickermär weniger, und ihr habt mich.
Die Gäste, insbesondere "Top 10 Rapper" MoTrip und Ssio, der bei "Nur Noch 60 Sekunden" assistiert, fügen sich bestens ins Bild. Auch Mainmetropolen-Urgestein Azad macht mit seinem Part in "Es Ist Wie Es Ist" überraschend viel Lust auf neues Material. (Wo bleibt dieser "Nebel" eigentlich?) Verzichten hätte ich vermutlich auf Yasha können. "Zurück In Die Zeit" entpuppt sich aber als so angenehm fluffiger, funky, sympathisch nostalgischer Kopfnicker, dass die mittelspannende Hookline beim "Marty McFly-mäßig durch die Timeline heizen" nicht weiter stört.
Erst rückblickend fällt auf, wie wohl der nahezu vollständige Verzicht auf gejodelte R'n'B-Hooklines tut. Es geht also doch noch ohne. Ich habs schon fast nicht mehr geglaubt. Celo und Abdi setzen statt dessen auf Abwechslungsreichtum in den Beats. Vom Synthiesound des Openers über das G-Funk-gespickte "Akupunktur" bis zum theatralischen "Es Ist Wie Es Ist" und dem Soul-Sample in "Nur Noch 60 Sekunden" ist alles und noch mehr dabei.
"Renaissance" zeigt Spuren von "Tron". "Neuro Linguale Programmierung" spielt mit orientalischen Mustern und baut dabei hinterlistig beklemmende Stimmung auf. In "Finito Bandito" reichen sich Futurismus und Oldschool-Wucht die Hände. "Undergroundchiefs" wirkt - und das meine ich ausdrücklich positiv - als habe man "Lila Wolken" für die Straße adaptiert, mit "Blockskills mit Wortwitz und einem Schuss Charisma". "Cool, dass die Mucke so gut war", heißt es in "Next Level". Dem kann man sich eigentlich nur anschließen.
9 Kommentare mit 5 Antworten
Ich denke, dass sie nicht besser als "Hinterhofjargon" können, weswegen sie bei "Akupunktur" eher auf die Masse und Fülle an Songs gesetzt haben. Mit Erfolg: Würde ich die mittelprächtigen Songs alle raussortieren, hätte ich ein Album, welches ungefähr auf gleichem Niveau wie der Vorgägner wäre. Als komplettes Album betrachtet ist Akupunktur aber schon eine Stufe schwächer als HJ.
Die Review ist ja lächerlich, ein Stern weniger als Karate Andi, Kollegah und Laas.
karate andi und kollegah hab' ich nicht besprochen. und (jetzt musst du ganz tapfer sein, hase): laas hat mir besser gefallen.
Manchmal bewirkt es Wunder, wenn Alben kompaktere Spielzeiten haben und enden, bevor ihnen die Puste ausgeht.
so eine scheißwurst. da drüben gibts viel bessere wurst. tschüss, hurensohn!
ALLE Azzlackz sollten jetzt eigentlich zurückstecken und ihre Releases nach hinten verschieben, damit ich endlich mal das Hanybal-Album bekomme
@Topic: witzige Jungs mit ein paar coolen Tracks für zwischendurch, den großen Hype habe ich allerdings nie verstanden. Auf Albumlänge für mich dann doch zu anstrengend
absolute zustimmung bezüglich hanybal. ich habe allerdings die befürchtung, das man diesem straßenrap ausnahmetalent nicht die nötige wertschätzung zukommen lassen wird. seit seinem "comeback" folgt ein brett auf das andere!
Leider wenig Halbwertszeit irgendwie. Vielleicht liegt es daran, dass die wackness von MoTrip so ein schwarzes Loch ist und den Rest des Albums deshalb fuer mich auch irgendwie ansaeuert, aber ich hoere Kollegah noch immer deutlich lieber als das hier. HJ fuer mich besser. Haette mehr 'Ratten & Fuechse' gebrauchen koennen, mehr Dinger wie 'Hektiks'. Dunkel steht den beiden am besten.
alles in allem ein dopes album. produktionen ballern, und celo und abdi verstehen ihr handwerk. vor allem wenn man das in vergleich dazu setzt, womit sonst so meine ohren belästigt werden. aber bei den nächsten releases würde ich mir weniger halftime gerappe von abdi wünschen. siedlungspolitik ist mächtig, aber b-lash verkackt den track leider. schade. alles in allem wurden viele elemente von hj auch bei akkupunktur adaptiert ( nur nocch 60 sek/ über wasser halten usw). sektor 60 ballert mies. hanybal liefert wiederholt ein brett ab. nlp ist auch ein brett. fifa street ist eine perfekte schwimmbad hynme. einen totalausfall gibt es für micht nciht bei dieser platte.
gebs mir grade