laut.de-Kritik

Mit Kodderschnauze in die Nische, die Liz gerade freigibt.

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"I'm only twenty-three, but my mind is older." Zu Beginn zitiert sie Mac Miller, der sich in "GO:OD AM" wiederum auf Prodigy bezog, der 19 Lenze zählte, als bereits alle Farben aus seiner Welt entwichen waren. Celo Minati kokettiert hier keineswegs. Wer sieht, wie sie im ZDF-Format "Germania" durch ihre mannigfachen Krisen und Erfahrungen führt, ist unweigerlich von ihrem reifen, wohl überlegten Auftritt beeindruckt. Ihre Rap-Persona vermittelt einen deutlich rabiateren Eindruck: "Deutschrapper reden hinter'm Rücken. Mach das bei mir, zwei Tage später gehst du dann auf Krücken."

In "Amca" samplet sich die Hamburgerin durch Mobb Deeps "Shook Ones Pt. II", dem wohl ewigen Goldstandard für wehmütigen Street-Rap ohne Glanz und Gloria. "When the things get for real, my warm heart turns cold", lässt sie im Refrain Prodigy rappen, dessen gedrückte Straßenstimmung auch 30 Jahre später problemlos Pate für Menschen in prekären Lebensumständen steht. Celo Minati nimmt derweil Maulhelden ins Visier, die ihre Lage ins Glanzlicht rücken: "Auf Instagram nur Partys und Fame, doch morgen 8:00 Uhr müsst ihr arbeiten gehen."

"Viel zu lange, viel zu viele von den meisten verschont. Pack' Respekt auf mein' Namen, ich bin waschechter Hamburger", marodiert sie durch "Wer Bist Du?". Der verstimmte Streicher-Loop ist dazu mit Schwermut beladen und zugleich frei von Kitsch. Zwischendurch sausen Polizeisirenen vorbei. Sie mache Musik "zum Verarbeiten von Themen. Ihr macht Mucke für die Plattform mit dem Notenemblem", betont Celo Minati, um sich von den idealisierenden Traumwelten der Netzwerke abzugrenzen, "Lösch mal alle deine Social und sag' mir, wer bist du? Du bist nichts ohne Klicks oder Insta, du Bitch!"

Wenn sich Celo Minati jedoch von diesen rustikalen Ansätzen abkehrt, rutscht sie den glitschigen Abhang des Massengeschmacks herab und fällt kopfüber ins Klischee. "Gift In Den Venen" eröffnet mit Donner- und Regen-Sounds, zu denen sie redundant singt: "Es fällt Regen in der Stadt, sobald ich down bin." Vom zersplitternden Glas bis zu den vergifteten Venen regieren Stereotype. Dabei befindet sich die Hamburgerin grundsätzlich auf dem richtigen Weg, wenn sie sich öffnet wie in Interviews und ihre von Tiefpunkten durchzogene Jugend in Songs verarbeitet. Stilistisch besteht jedoch noch Luft nach oben.

Die Herzschmerz-Hymne "Bonnie & Clyde" klingt hingegen so, als habe ihr Label ihr das Konzept aufs Auge gedrückt. Schon das Bild vom verliebten Verbrecherduo ist überstrapaziert wie etwa Fard, Al-Gear, MC Bogy oder zuletzt Azad zeigen. "Du kommst heute Nacht schon wieder nicht nach Haus. Hab' deine Freunde satt, sie lügen und du auch. Hast deine Freundin gegen Brüder eingetauscht", ergeht sie sich in Eifersüchteleien, die nach den großen Dramen schlicht zu soapig wirken. Als folgte auf "Die Sopranos" erstmal "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", um sich eine intellektuelle Auszeit zu gönnen.

So könnte "Frei" als Kommentar zu diesen Ausflügen durchgehen. "Ich bin 23 Jahre, ich bin meistens auf der Straße. Hab' keine Zeit für dein Gequatsche", speit sie verächtlich über einen Drill-Beat. Mit nihilistischer Attitüde und einer Kodderschnauze, die eher an Frankfurt als Hamburg erinnert, besetzt Celo Minati jene Nische, die Liz gerade verlässt, weil sie sich als 'echte Künstlerin' zu etablieren versucht. 365 Female MCs haben es vor über zwei Jahren vorhergesagt: "Vielleicht liegt ihr schneller Erfolg an ihrer einzigartigen Stimmfarbe, vielleicht aber auch an der Lücke, die sie in der Szene füllt."

Trackliste

  1. 1. Amca
  2. 2. Wer Bist Du?
  3. 3. Gift In Den Venen
  4. 4. Bonnie & Clyde
  5. 5. Frei

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