laut.de-Kritik
Zweitwerk mit Bob Dylans Produzent.
Review von Giuliano BenassiNach hunderten Konzerten als Begleitung verschiedener Musiker (Jimmy Eat World, Milow) und unter eigenem Namen veröffentlichte die US-amerikanische Sängerin 2017 mit "Honest Life" ein bemerkenswertes Debüt, das ihr Vergleiche mit Joni Mitchell oder Lucinda Williams eingebracht hat.
Courtney Marie Andrews wusste genau, wohin der musikalische Weg gehen sollte und übernahm die Produktion selbst. Für ihr vorliegendes zweites Werk zog sie dagegen samt Band vom Umland Seattles nach Los Angeles und begab sich in die Obhut von Produzent Mark Howard. "Ich wollte eine modernere Platte mit einem einzigartigen Sound aufnehmen", erklärt sie den Schritt.
Eine Wahl, die sicherlich Sinn macht. Der Kanadier arbeitete viele Jahre lang an der Seite von Daniel Lanois und prägte den Sound etwa von "Time Out Of Mind" (1997), das Bob Dylan drei Grammys einbrachte. In seiner Dankesrede bedankte sich Dylan seinerzeit auch artig bei Howard. Zu Howards weiteren Kunden gehören Tom Waits, Marianne Faithfull, U2, R.E.M., Neil Young oder die Red Hot Chili Peppers.
Ein großer Name also, umso mehr für eine noch wenig bekannte Künstlerin. Der Opener und Titeltrack zeigt jedoch, dass die Zusammenarbeit nicht wirklich geglückt ist. Was erst mal daran liegt, dass die Regler auf "11" stehen. Der Groove ist zu heavy, Andrews brüllt schon fast, was nicht wirklich zu ihrer Stimme passt.
Nachdenklich ist sie geblieben. Die Stücke sind unterwegs entstanden, da sie 2017 neun Monate lang auf Tour war. Sie handeln von der Angst, zu versagen, und von Depression. "Menschen sind ständig auf der Suche nach einem besseren Leben. Viele in den USA sind arm und werden dieses Ziel nie erreichen. Dadurch sind sie mental unstet, traurig, deprimiert und unbefriedigt. Mentale Krankheiten sind ein Tabu in unserer Kultur. Ich habe es schon vielfach um mich herum erlebt", erklärt Andrews.
Interessante Gedankengänge, die Mark leider in Orgeln und verzerrte Gitarren mit viel Hall bettet, so dass sie ziemlich untergehen. Stellenweise fühlt man sich an The Band erinnert, die Dylan auf seiner Tour 1966 in Großbritannien begleitete und später mit ihm die "Basement Tapes" aufnahm, bevor sie unter eigenem Namen Karriere machte. Auch hier gilt "play it fucking loud", doch das eher countryeske Material passt nicht recht, wie "Lift The Lonely From My Heart" bestätigt.
Wenigstens klingt das Album aus einem Guss. Was daran liegt, dass es in nur acht Tagen entstand, zwischen einem Abschnitt der Tour und dem nächsten, in einem Haus, das Mark in ein Studio umfunktionierte. Eine intime Umgebung also, in der Andrews auch stimmlich einiges ausprobierte. Im Hintergrund lässt sie sich von der Gospel-Sängerin C.C. White begleiten, in "Border" und "Took You Up" klingt sie selbst gar soulig. Ein bisschen Motown, ein bisschen Little Feat, wie sie selbst meint.
Ein durchwachsenes zweites Album also, das auf der Bühne hoffentlich etwas gedämpfter klingt als im Studio. Denn eines hat sich nicht geändert: Im Wesentlichen lebt Courtney Marie Andrews nach wie vor on the road.
1 Kommentar
Ein grandioses zweites Album. Mal rockig, mal gefühlvoll. Warum darf auch Courtney nicht mal laut sein und rockig. Schubladendenken bei Musik ist definitiv langweilig. Diese Platte macht mir echt Spass, auch nach öfteren hören!!