laut.de-Kritik
Riding the "Big Yellow Uber".
Review von Giuliano BenassiMit 16 zog sie zu Hause aus, um Musikerin zu werden. "Nimm keine Drogen. Und viel Spaß", lauteten die Abschiedsworte ihrer Mutter, erzählt die Sängerin 2016 in einer Radioshow. Da war sie mit ihrer Gitarre bereits seit neun Jahren unterwegs, unter eigenem Namen und als Tourmusikerin für Jimmy Eat World, Damien Jurado und, in Europa, für Milow.
Seit 2011 in Duvall nahe Seattle ansässig, hat Andrews mehrere Alben und EPs herausgebracht. Doch stellt ihre vorliegende Platte ihr eigentliches diskographisches Debüt mit Label und einer Band dar. Die Fäden behielt Andrews jedoch in der Hand, indem sie die Stücke selbst geschrieben, arrangiert und produziert hat. Als Tontechniker stand ihr Floyd Reitsma zur Seite, der neben vielen anderen bereits für Audioslave, Pearl Jam und Dave Matthews arbeitete.
Nach wenigen Takten meint man, Lucinda Williams in einem ihrer besten Songs zu lauschen. Weitere Namen drängen sich rasch auf, Emmylou Harris, Gillian Welch, Indigo Girls. Auch eine Prise Joni Mitchell in ihrer ersten, folkigen Phase. "Ich habe schon alle möglichen Vergleiche gehört. Ich hab' kein Problem damit, ich mag sie alle", erklärt Andrews dazu amüsiert.
Doch beeindrucken nicht nur die Qualität ihrer hohen, kräftigen Stimme und die einfachen, effektiven Arrangements mit Akustikgitarre, Klavier, Bass, Schlagzeug und Pedal Steele. Es sind auch die Texte, die von Verlangen, Heimweh, Verliebtheit, Versagen, Lebensweisheit handeln.
Teilweise seien sie entstanden, als sie mit Milow auf Tour war und zum ersten Mal in ihrem Erwachsenenleben wieder zurück in die Heimat wollte. Vor allem aber habe sie Geschichten verarbeitet, die ihr die Gäste der Bar erzählten, in der sie hinter der Theke arbeitete. Kein Wunder: "Ich war bekannt als diejenige, die die stärksten Drinks mischte."
"I was moving too fast to see / All the paintings in Paris or sunrise in Barcelona / Young with no where to be / But you can't get far for free / This ain't no rookie dreaming", erkennt Andrews im Opener. "This Is Not The End" beschäftigt sich mit dem deprimierenden Ende einer Beziehung ("There's beauty in the golden hills and in the rolling sea / But beauty means nothing when you are not with me").
Das erste Ausrufezeichen setzt das dritte Stück, das Andrew live wohl noch lange begleiten dürfte: "The heart is funny, Irene / You can't control who it wants to love / So let it love, Irene / Man or woman or anyone it wants", erklärt sie einer Freundin und warnt sie: "You are a magnet, Irene / Sometimes good people draw troublesome things."
Auch das vierte Stück hat es in sich. "How Quickly Your Heart Mends" erzählt die Geschichte einer Frau, dieüüberrascht feststellt, wie schnell sie ihr Mann abgeschrieben hat. Nun sitzt sie also in seinem (ehemaligen) Lieblingskleid an der Theke und kippt sich einen hinter die Binde. "The jukebox is playing a sad country song / For all the ugly Americans / Now I feel like one of them." Verletzt, aber nicht gebrochen: "Lucky I haven't lost my self respect / Despite all you've done and all that you've said."
"All I've ever asked for is a way to understand / All of life's lessons the best that I can / How to be honest / How to be wise / And how to be a good friend / Some things take a life time to fully understand", erkennt Andrews im Titeltrack. Die Reise geht also weiter, immer und immer weiter. Die US-amerikanische Ausgabe des Rolling Stone weiß auch schon, mit welchem Fortbewegungsmittel: "Riding the 'Big Yellow Uber'", schrieb sie in einer Besprechung. In Anlehnung an Joni Mitchells ersten Hit 1970, "Big Yellow Taxi".
1 Kommentar
Tolles Album, ruhige Songs mit einer starken Stimme. Zum Geniessen, Abschalten und Träumen.