laut.de-Kritik
Parallelwelt voller Stilbrüche und Genrebastards.
Review von David HilzendegenBereits mit "You Don't Know - Ninja Cuts" vom vergangenen März rührte Ninja Tune die Werbetrommel für Daedelus. Zwischen all den beeindruckenden, oftmals mehr oder weniger angenehm anstrengenden Stücken der Kollegen ging Daedelus hübsch-melodisches Popliedchen "Fair Weather Friends" allerdings ziemlich schnell unter.
Dementsprechend wenig zuversichtlich war ich, mit "Love To Make Music To", seinem neunten Album in sechs Jahren, tatsächlich ein Meisterwerk aus dem Briefkasten zu fischen, das mir zeitweise gehörig die Schuhe ausziehen würde. Nach den ersten zwei, drei Durchgängen fühlte ich mich noch bestätigt, dann zündete es: Und wie ich mich geirrt habe!
"Fair Weather Friends" bleibt zwar der hübsch-melodische Opener, der dieses Mal jedoch keineswegs untergeht, sondern einführt in eine knapp einstündige Rundreise durch eine Parallelwelt, in der es vor Stilbrüchen, Melodien und Genrebastards nur so wimmelt. Da ist selbst die weitgefasste Enge der "Experimental Hip Hop"-Schublade deutlich unterdimensioniert.
Es wirkt beinahe pathologisch, immer wieder folgt auf die recht eingängigen Nummern ein Brett, dessen rostige Nägel wahlweise aus Dubstep, Grime oder schlicht Bässen bestehen. Nach "Make It So", einer elektropoppigen Single mit Mitsummeffekt, kommt das völlig unironische Rapstück "Twist The Kids", nach dem luftigen, instrumentalen "Get Off Your HiHats" plötzlich "Hrs:Mins:Secs", ein Berserker von einem Titel, der seine Kraft aus den sich ständig wiederholenden, immer heftiger aufeinanderprallenden Samples zieht. Man wiegt sich beinahe in Sicherheit, als Daedelus zum bittersüßen, hypnothischen "I Car(ry) Us" einlädt: "I am so high ... I try, I try, I try to fly."
Just in dem Augenblick, in dem alles durchschaut, sämtliche Stile durchgekaut und ausgespuckt scheinen, setzen die Synthies von "My Beau" und die Drums von "You're The One" ein. Plötzlich scheint ein neues Zeitalter zu beginnen, betont gefühlvoll, leicht kitschig, aber kein bisschen triefend, driftet die Platte in die R'n'B-Ecke, um im nächsten Moment im Acid versenkt zu werden. "Drummery Jam" kommt so dermaßen Luke Vibert-mäßig mit Pianoloop, das man meint, versehentlich die CD gewechselt zu haben.
Das ist schließlich auch die Stelle, an der es langsam an die Substanz geht. "Love To Make Music To" gibt mit seinen unzähligen Ideen sicher Stoff für zwei bis drei Alben her. Das alles auf eine Scheibe pressen zu wollen, ist definitiv eine verdammt interessante und kurzweilige Angelegenheit. Das Album strotzt nur so vor Kreativität und verlangt dem Hörer mitunter einiges ab.
Hin und wieder wäre ein vernünftiges Haushalten und Zurücknehmen sicher nicht von Nachteil gewesen. Daran scheint Daedelus jedoch generell kein Interesse zu haben: Nach eigenen Aussagen erscheint noch in diesem Jahr eine Platte seines Nebenprojektes "The Long Lost" mit dem er mal wieder neue Weiten erschließen möchte. Zusammen mit seiner Frau Laura Darling widmet er sich der romantischen Elektro-Akustik.
4 Kommentare
steht!
wirklich so grandios?
If I survive would you stay and say you're sorry?
Gute Platte, sehr gute Platte. Aber Freudentänze? Noch (!) nicht.
erstes Fazit: Ich find das einfach klasse, wie sich der Typ immer wieder neu erfindet ... Kommt zwar nicht ganz an das geniale "Denies ..." ran für mich, da fehlen die grossartigen Melodien eben doch etwas zu oft. Und zudem geht mir der Gesang an manchen Stellen ziemlich auf den Wecker ... aber braucht vielleicht auch ein bisschen mehr Zeit.
Ja, hör mal auf, ich will darüber noch ne Rezension schreiben. Zum Schluss heißt es, ich hätte bei dir abgeschrieben