laut.de-Kritik
Die Dominatrix verrichtet gelassen ihre Sexarbeit.
Review von Dominik LippeDominanz ist Trumpf. Dea Bbz hat sich in den vergangenen beiden Jahren eine abgeklärte Aura aufgebaut, wie sie im Deutschrap seit Schwesta Ewa nicht mehr zu hören war. Eine sexuell geladene Kunstfigur, die Wert darauf legt, keine solche zu sein. Auf ihrer dritten EP "YOB" hangelt sich die polymorph perverse Rapperin erneut durch grenzwertige Porno-Kategorien von Inzest bis Voyeurismus. "Ich mache all das Problematische, auf das du heimlich wichst", wie sie im Titelsong offenbart. Am liebsten scheint die Wahlberlinern mit rotziger Herablassung das starke Geschlecht zu demütigen.
"Auf 'Peak Der Männlichkeit' geht es zum Beispiel darum, Männer zu degradieren. Aber an der Stelle ist es mir auch immer wichtig, dass ich aufzeige, dass da Konsens herrscht. Es gibt genügend Menschen, da spreche ich aus eigener Erfahrung, die es tatsächlich genießen, dominiert zu werden", erklärte sie gegenüber Mzee. "Bei 'Pädos Stöhnen' wird im Outro gesagt, dass ich jemandem das Glied abbeiße. Das habe ich nicht gemacht. Da fantasiere ich tatsächlich. Das sind dann Rachegedanken in mir, aber ich habe mich in Wirklichkeit nie in der Form an jemandem gerächt."
Die Überraschung hält sich in Grenzen, dass auch auf "YOB" eher weniger gekuschelt wird. Frei von Hoch- oder Tiefpunkten, Intimität oder Leidenschaft rauscht das drillige Instrumental von Nils Twachtmann durch den Titelsong, während Dea Bbz gelassen ihrer Sexarbeit nachgeht: "Setze deutschen Akzent auf, weil ich weiß, dass er dann schneller kommt." Zum Teil spiegelt sie die Nischen-Vorlieben ihrer Kundschaft, zum Teil inszeniert sie sich aber wie in "1312" als freier Geist in einer verstockten Gesellschaft: "Ihr wichst auf Bausparverträge und ich sterbe lieber voll jung."
Doch Dea Bbz zeigt sich inkonsequent. Eben hat sie noch jegliche Sentimentalität von sich gewiesen, auf einmal wechselt sie in "Muttermale" in den Tiefstatus. Ihr ausgearbeitetes Selbstbewusstsein weicht einer vollständigen Überforderung. "Was ist los mit mir? Wieso tu' ich mir dich an?", fragt sie hilflos, "Ich ertrag' mich selbst nicht, darum lenk' ich mich ab mit dir." Ihr empfindsamer Vortrag trifft zwar ebenso den richtigen Ton wie die leise Verzagtheit des Instrumentals, doch indem sie ihren weichen Kern derart überbetont, entkräftet sie die Rap-Persona in ihrer empowernden Wirkung.
In "Bleibst Du Da?" entwickelt sie sich von der zynisch beherrschten Großstädterin noch weiter zurück. "Lass uns wie zwei Kinder heute planlos übers Feld rennen", schlägt die Rapperin in einem Anflug von Regression vor. "Verberg' mich hinter harten Texten, rappe nur noch über Schwänze. Ganz tief in mir drin ist noch das Kind, das ich damals versetzte." Auch dank des wirklich originell verbauten Samples von "Let's Talk About Me" der britischen Progressive Rocker The Alan Parsons Project funktioniert das Stück für sich ausgezeichnet, doch die EP verliert die innere Balance.
Damit misslingt ihr, was Yung FSK18 auf "Lost Vegas" besser umzusetzen wusste. Bei der "Drück"-Kollegin scheint das Körperliche eine tröstende Funktion für den melancholischen Kern zu erfüllen, bei Dea Bbz fällt beides deutlich extremer aus. Der Sextalk ist weitaus anzüglicher, aber frei von Lebensfreude, während im Inneren handfeste Traumata warten, was den Konsum der EP deutlich erschwert. Am Ende bleibt von der Dominatrix ein verletzliches Mädchen übrig, das sich letztlich nach einer bürgerlichen Existenz sehnt: "Mögen's beide nicht bequem, auch wenn wir so sehr danach streben."
4 Kommentare mit 18 Antworten
Es geht darum, die Ekligkeit und Zerstörung aufzuzeigen, nicht darum, Prostitution zu verherrlichen um den Konsum zu erleichtern.
Ich sehne mich nicht nach einem bürgerlichen Leben, sondern danach, nicht jeden Tag sterben zu wollen. Das hat nichts mit dem Bedürfnis nach "Bürgerlichkeit" zu tun.
Was du über Yung FSK18 sagst, ist irrelevant, weil sie von ganz anderen Dingen erzählt.
Finde gut, dass du sagst, dass die EP ihre innere Balance verliert. Genau das war gewollt. Authentischer geht es nicht, als beide Extreme aufzuzeigen, die ich bin. Ich will die Welt abfackeln und zugleich einfach nur geliebt werden.
hast du deinem eigenen albung 5/5 gegeben?
Ist halt trotzdem unhörbar, egal wie man sich das schönredet. Genau wie Yung FSK.
Na wenn so ein bisschen Mucke so viel Erklärung braucht ..
In dem Kulturbetrieb, indem ich mal gearbeitet habe, wurde oft gesagt, dass das Werk manchmal klüger als sein Autor ist.
Auf jeden Fall bin ich jetzt neugierig.
OG LU, Young FSK und Dea BBZ haben in 2024 drei sehr wichtige, richtungsweisende EPs für deutschen Female Rap rausgebracht.
Unsinnige Behauptungen wie "... doch indem sie ihren weichen Kern derart überbetont, entkräftet sie die Rap-Persona in ihrer empowernden Wirkung." zeigen einfach nur dass der Rezensent den Film nicht peilt.
Fler hätte es gepeilt
Fler hat es erfunden
Fler duldet auch keine Nahrungsmittelaufnahme im Schneidersitz. Das machen nur peinliche Schwänze.
Tövbe.
Duri, wie fandest du Moses Konzert?
Tövbe.
Sorry, konnte ich nicht liegen lassen
Freue mich voll, dass Du fragst, weil ich mich seit Tagen bei dir deswegen auch erkundigen wollte, denn Hamburg war ja auch schon längst, oder?
Ich war beim 4. oder 5. der zahllosen Termine in der Batsch in Frankfurt und fand es schon richtig geil im Großen und Ganzen. Ich muss aber vielleicht dazu sagen, dass ich noch nie bei einem Gig von ihm war und mich jetzt tatsächlich dieses "Ohje, vielleicht ist es WIRKLICH seine letzte Tour und nicht nur der klassische Promo-Move" dazu gebracht hat, mir das zumindest einmal zu geben. Und die Crowd bestand, glaube ich, aus vielen Leuten, die ungefähr so motiviert waren. Das meinte ich jedenfalls zu spüren und fand es schade.
Allgemein stehe ich seinem musikalischen Output auch echt ambivalent gegenüber. Aber bei all dem cringe stuff, den er schon so rausgehauen hat, waren halt auch immer wieder einzelne Songs dabei, die mich bis heute mitreißen. Davon waren auch einige in der Setlist, was mich wiederum sehr gefreut hat.
Was ich irgendwie erwartet hatte, da er ja schon hauptsächlich eher Producer ist, war ein guter Sound. Und da wurden meine Erwartungen noch übertroffen. Das war sooo fett und druckvoll und dabei ja gleichzeitig nahezu alles live gespielt - Hammer! Nur Liebe vor allem für die Dudes an Bass, Gitarre und Schlagzeug und insbesondere die Sängerin im "Background"
Wie war es bei dir und für dich?
Also, ich vertehe erstmal deine ambivalente Haltung in Bezug auf seinen Output. Die habe ich auch, aber, das habe ich ja schonmal hier breitgetreten, RHP waren damals einfach wahnsinnig wichtig für mich, und ich kann die beiden Alben bis heute nahezu komplett auswendig. Und auch auf seinen späteren Sachen waren immer wieder Dinger, die mich sehr berührt haben. Die Vorstellung, dass das WIRKLICH nu seine letzte Tour gewesen sein sollte, machte das ganze also schon recht emotional für mich.
Alles in allem hat es mir schon gut gefallen. Ich fand die Setlist super, die Band war wirklich richtig gut drauf und wahnsinnig tight, und allein dafür, dass Moses Ali Neander in der Band hatte, möchte ich ihm die Füsse küssen. Moses selber war auch on fire, der hatte richtig Bock, das war super. Nur sein Backup, dieser Cäsar-Dude, ging mir ein bißchen auf den Nerv, den hab ich echt gar nicht gefühlt, obwohl der rein technisch ja schon alles richtig gemacht habt. War einfach nicht meins.
Der Sound war bei mir leider echt nicht so doll. Das war mir aber schon klar, da das ganze statt wie eigentlich geplant im Mojo (DAS wäre geil gewesen, der Sound da ballert richtig!) in der Fabrik stattfand, und der Laden hat einfach keine geile Akustik. Bei so Folk Sachen gehts noch (hab das vorletzttes Jahr Chuck Reagan gesehen, da war Sound okay), aber sobald da was basslastiges läuft, ist es eigentlich immer Grütze.
Größtes Manko für mich war aber das Publikum, das war irgendwie ganz komisch. Ganz seltsame Mischung aus BWL-Stammtisch, HSV-Dudes mit Onkelz-Shirts und Radio-Hamburg-Hörerschaft, nur sehr vereinzelt ein paar hängengebliebene HipHop-Kasper wie mich. Und irgendwie kamen die mir so seltsam unbeteiligt vor. Ich war bei manchen Tracks echt ganz schön berührt, aber das hab ich bei niemandem um mich herum so gesehen. Ich hab schon zwischdurch gedacht "fuck, wäre ich doch mal nach Frankfurt gefahren", aber scheinbar wars ja da ähnlich.
Also, alles in allem war das schon gut, ich hatte irgendwie ein bißchen mehr erwartet, aber das lag nicht an Moses oder der Band.
... kurz mal: Wenn wir jetzt schon anfangen, "ambivalente Haltungen" zu "verstehen", können wir der Ambivalenz für das Jahr 2025 Goodbye sagen! Dann verschwindet hoffentlich auch das Trendwort "Ambiguitätstoleranz" und wir können endlich wieder nur von Toleranz sprechen. Diese ist sowieso absolut.
Für mich persönlich gibt es sowieso niemals Ambivalenz. Der Mensch ist so bekloppt, wie kann man da separat von Ambivalenz sprechen?
... lese jetzt beim dritten Mal erst das Wort "erstmal"... ok, gut. Kann man dann vielleicht doch so stehen lassen.
… Ich hab schon zwischdurch gedacht "fuck, wäre ich doch mal nach Frankfurt gefahren", aber scheinbar wars ja da ähnlich …
Nö, hat alles gepasst.
Kann mich nur dem Vorredner anschliessen.
Fantastische Band und ein Moses on Fire.
Bei welchem der vielen Termine in Frankfurt warst Du denn, 7Sins?
18. Dezember.
Dürfte das drittletzte gewesen sein.
Puh, mitten in der Woche... Das muss mensch auch zumindest bisschen mehr wollen, als zum bequemen Samstagabendtermin zu gehen, bei dem ich war. Und da war die Crowd auch wirklich zumindest... träge, möchte ich mal sagen
@ Güldener:
Da bist Du als Hartreimveteran ja doch gut auf deine Kosten gekommen, oder?
Mit dem Cäsar konnte ich auch nicht so viel anfangen, aber der hatte in FFM natürlich Heimvorteil...
dea bbz boxt sauberer vom gesicht weg als fast alle straßen rapper ♥ ♥
Schöne Ep und auch eine ordentliche Steigerung zum Vorgänger!
Gutes Beatpicking und glaubhafte Delivery und Raptechnisch funtionl. Das abgefuckte holt mich auch mega ab. Lines könnten noch einen Ticken pointierter, aber ich hoffe, da kommt bald ein Album.