laut.de-Kritik
Die Schöne und das Wave-Biest.
Review von Ulf KubankeEnfant Terrible Philippe Fichot ist zurückgekehrt. Zurück aus der Einöde des selbst gewählten Exils auf dem französischen Lande. Längst avancierte sein drei Jahrzehnte währendes Projekt Die Form zu einer Legende der elektronischen Musik. Nach längerer Abstinenz möchte der Allroundkünstler es noch einmal wissen. Zusammen mit Lebensgefährtin und Beinahe-Gründungsmitglied Eliane P schnürt der Endfünfziger ein frisches und forderndes Paket voller Elektroperlen.
Doch Vorsicht! Dieses Album ist nichts für zarte Gemüter. Gar schaurige Bilder voller Zerstörung, Qual und Erniedrigung zieren das Artwork der Scheibe. Nackte Leiber entblößen nackte Seelen, mal schutzlos, dann verderbt. Das alles gehört zum multimedialen Konzept. Fichot ist ja nicht in erster Linie Musiker. Er kreiert seine Werke als Dreieck aus Fotografie, Audio-Erlebnis und Performance. So fügt sich der Titel harmonisch ein. "Noir Magnetique", "Schwarzer Magnetismus" bezeichnet sowohl die alles verschlingenden schwarzen Löcher im Universum als auch die Anziehungskraft des Abseitigen.
Genau so magnetisch und elektrisierend fesselt die CD über die komplette Strecke. Eingängige Clubhymnen und Industrial-Collagen stehen einträchtig nebeneinander wie böse Zwillinge. "Voltaic Control System" eröffnet den Reigen als melodische Beschwörung aller Dancefloor-Jünger. Wie eine Hohepriesterin der Ausschweifung fragt und fordert Eliane "Are you ready to lose control with me?"
"Waves Of Dream" und "Her[t]z Frequenz" taugen ähnlich zu Clubhits. "Tristesse" und "Vox Angelica" tendieren dagegen in Richtung Klassik. Die stimmig zurückhaltende Integration akustischer Instrumente wie eines Cellos verleihen den Liedern in Kombination mit Elianes souveränem Sopran eine ungekünstelte Tiefe, von der viele Dark Wave-Kollegen nur träumen. Wie siedende Geschwüre pluckern die elektrischen Effekte bei ersterem Track, beunruhigend bis zum tristen Untergang.
Goth-Gatte Philippe ist derweil für den ganz harten Stoff zuständig. Mit "Inferno" zwingt er dem Hörer einen fiebrig zitternden Industrialklumpen ins Ohr, dessen rhythmisches Funkeln sogar Free Jazz-Fans entzücken dürfte. Definitiv mein Favorit! Den EBM-Junkies sei besonders "Double Life" ans pochende Herz gelegt. Treibend eingängig und zunehmend mit wilder Eruption zwingt der als Duett angelegte Monsterkracher jeden zuckenden Muskel auf die Tanzfläche. Die Schöne und das Wave-Biest!
Nachdem der Sturm vorüber ist, freut man sich, die immer noch zornigen, unangepassten und dabei extrem amüsanten Bonnie und Clyde der Dark Wave-Szene wieder zu haben. Auch lange nach der Silberhochzeit hat die alte Tante Die Form weder Moos noch Staub angesetzt. Diese tolle musikalische Schlachtplatte gibt es auch als empfehlenswerte Deluxe-Pralinenschachtel mit Vinyl-7-Inch und Fotoband. Also husch, husch ins Körbchen mit allen Elektro-Epigonen. Die Meister sind zurück!
7 Kommentare
Was für ein Dreck
und für diesen qualifizierten post hast du dich extra hier angemeldet?
respekt!
Nein, aber im Ernst: Warum ist das so hoch gewertet? Ich finde die Scheibe wirklich sehr anstrengend. Und es klingt altbacken, und kein Stück innovativ. Das Gejaule von der Alten ist auch übelst. Aber das ist nur meine Meinung. Wem's gefällt...
die ganz frühen experimentellen sachen fichots, die ihn zu den industrialpionieren a la throbbing gristle und co in verwandschaft rücken, sind da insgesamt natürlich radikaler und für viele künstlerisch ansprechender.
check ma "inferno" an.....irgendwann
@steppentier: "Anstrengend" ist ja nicht an sich schlecht. Wenn ich mich vor die Anlage hänge und nur Musik hören will, höre ich eher anstrengende als leichte Sachen, die wären mir dann zu langweilig.
"Altbacken" ist allerdings eine Hinrichtung ...
ich mochte die alten vö´s von fichot sehr gerne,leider sind seine neueren ergüsse eher flach bis langweilig,also genau das richtige für die "schwarze szene" so wie sie heute existiert,
schade.