laut.de-Kritik

"Auf der Suche nach Rettung in der Kunst."

Review von

Entetainment holte sich seine Inspiration offensichtlich in der Sixtinischen Kapelle. Für das Artwork seiner EP "Zwischen Präteritum Und Futur" stand "Die Erschaffung Adams" Pate. Der behandschuhte Flügel des Rappers übernimmt hierbei die göttliche Position. Sie lässt aber nicht den Lebensfunken überspringen, sondern führt vielmehr eine Wiederbelebung durch. Statt passiv die Berührung zu erwarten, streckt sich eine blutig verschmutzte Hand hilfesuchend der höheren Macht entgegen. Am Ende des halbstündigen Werks steht die Erkenntnis, dass der Rapper wohl beide Figuren verkörpert.

Zum Einstieg zeigt sich der Erpel ausgeschlafen und motiviert: "Start' den Blutrausch, vom Zeug im Blut berauscht. Fucker, das ist Entetainment, teuflisch guter Sound." Zwar hängt er in Stücken wie "Brennen In Den Venen" seiner Vorliebe für schiefe Punchlines in Reihenschaltung nach, doch der Nachwuchsproduzent TimonD leistet gute Arbeit. Gerne kontrastiert er wie in "Pflock" den unruhigen Vortrag des Rappers, indem er seelenruhig vor sich hin zupft und pfeift. "Geronnenes Blut" setzt auf das obligatorische Spieluhr-Instrumental. Er steht aber auch für eine problematische Entwicklung.

Produzenten wie Tengo oder Freshmaker rücken ihren Namen verstärkt in den Fokus, um ihren Marktwert herauszustellen. Zunehmend signieren sie die Songs aber auch, was zu penetranten akustischen Wasserzeichen wie bei Flers Stammproduzenten Simes Branxons führt. So verkommt ein künstlerisch gemeintes Produkt zum reinen Markenmanagement. TimonD reizt die Hörertoleranz weiter aus, indem er jeden Song mit einem Babylachen und dem Ausspruch "Juice it up, Timon!" beginnen lässt. Damit relativiert er direkt zum Einstieg jeden ernsten Ansatz des Rappers.

Einen passenden Einsatz findet das Neugeborene jedoch in "Limbus". Entetainment verortet den äußersten Kreis der Hölle in die Gebärmutter ("Bald ist dieser Raum mir zu klein.") und entwickelt den Song zu einem Szenario à la "Rosemaries Baby" ("Du schenkst dem Teufel deinen Leib."), wobei hier die Mutter die Geburt des diabolischen Säuglings mit dem Leben bezahlt. Nicht ungeschickt lässt der frühere RBA-Rapper am Ende mit einem Twist die Frage im Raum stehen, wer nun eigentlich wen geboren hat: "Es ist noch lesbar im Gestein: 'Entetainment, gestorben an einem Regentag im Mai'."

Der menschliche Hang zur Selbstzerstörung steht im Zentrum von "Ballnacht Der Toten": "Vergiften unser tägliches Brot, denn wir tragen die Selbstzerstörung im genetischen Code." Während TimonD erneut die schläfrige Spieldose anwirft, beklagt sein rappender Gefährte die heraufziehende Apokalypse. Dabei bringt die "Feder Gottes" auch das heimliche Hauptthema der EP aufs Tapet: "Dieser Himmel, er war taub für mich." Ohne Rettung durch den Allmächtigen, legt Entetainment seine Hoffnung in die Erschaffung kreativer Werke: "Auf der Suche nach Rettung in der Kunst."

Die Aufgabe, eine tragfähige "Arche" für die Nachwelt zu errichten, muss beim zornigen Erpel kläglich scheitern: "Gerettet wurde keine dieser Arten, alleine auf der Arche." Er mordet sich lieber durch die Fauna, um lyrisch im frisch gezapften Blut zu baden. "Wir vergießen euer Blut für den Schöpfer der Sonne, bis sein Licht uns erhört", rückt er die bestialischen Handlungen in den Bereich religiöser Opfergaben, um die Hoffnung auf Erlösung direkt wieder zu begraben: "Ich färbe eure Nächte wieder schwarz." Die nihilistische Welt des Rappers verbleibt ein "Paradies ohne Gottheiten".

Auch das "Outro" schlägt in die gottlose Kerbe. Zum einsamen Pfeifen im Walde distanziert er sich von religiösen Vorstellungen: "Falten die Hände und beten. Glauben, Gott hat für uns diesen Tempel aus Trän' erbaut." So handelt es sich beim Status quo "Zwischen Präteritum Und Futur" zwar beileibe nicht um einen Geniestreich, aber ein konzentrierteres und durchdachteres Werk als "Teufel Sei Dank" gelingt ihm damit dennoch. Entetainment mach sich auf in eine ungewisse Zukunft: "Los, lauf oder renn' in den Nebel. Schau nie mehr zurück und finde endlich den Weg nach Haus'."

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Arche
  3. 3. Pflock
  4. 4. Limbus
  5. 5. Geronnenes Blut
  6. 6. Ballnacht Der Toten
  7. 7. Brennen In Den Venen
  8. 8. Organigramm
  9. 9. Schreie Im Turm
  10. 10. Outro
  11. 11. Süßes Oder Saures (Präteritum)
  12. 12. Geschichten Aus Der Unterwelt 2 (Präteritum)

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