laut.de-Kritik

Klang gewordene Naturverbundenheit.

Review von

Nie zuvor begegneten mir seltsamere Instrumente, und nie zuvor hörte ich menschliche Kehlen fremdartigere Klänge hervorbingen. Die in prächtige Gewänder gehüllte Combo auf der Bühne trägt den unaussprechlichen Namen Huun-Huur-Tu. Jener Abend und damit meine Einführung in die Welt des Obertonsingens liegt mittlerweile fast eine Dekade zurück.

An der Faszination, die die hauptsächlich im südlichen Sibirien praktizierten Gesangstechniken ausüben, hat sich bis heute nichts geändert. Auch nicht an dem Faktum, dass sich in den Reihen Huun-Huur-Tus Meister ihres Fachs zusammen gefunden haben. Unermüdlich tourend stellen sie ihr Können unter Beweis.

Für "Mother-Earth! Father-Sky!" holte sich die Truppe aus Tuva ihre Landsfrau Sainkho Namtchylak an Bord. Ihre Stimme erschließt dem ohnehin schon reichen Klangkosmos Huun-Huur-Tus eine weitere Dimension. Von Anfang an verleiht ihr Gesang dem Ganzen einen nahezu indianischen Anstrich.

Ebenso wie Musik aus schamanischen Traditionen, lebt der Kehl- und Obertongesang von Klang gewordener Naturverbundenheit. Die endlose Weite der Landschaft, in der er ursprünglich entstand, bleibt ebenso spürbar wie der nomadische Hintergrund seiner Urheber.

Huun-Huur-Tu und Sainkho huldigen der Natur und feiern die Alltäglichkeiten aus dem Leben eines, ihres Hirtenvolkes: Schneidender Wind und murmelnde Bäche klingen in ihrem Gesang, Sonne und Wolken, der Mond und die Sterne.

Trotz aller Ruhe birgt "Erge Chokka" eine erhebliche Wucht in sich. Das stetige Dahinströmen des in "Chashpy-Hem" besungenen Flusses spiegelt sich im eindringlichen Rhythmus des Songs wider. Flankiert von Schellen und Klatschen kommen die filigranen und gleichzeitig überaus kräftigen Stimmen in dieser dunklen Kulisse bestens zur Geltung. "Dembildey", der 'Tanz der Nomaden', gießt Gelassenheit gegenüber den Unabänderlichkeiten der Natur, den unaufhaltsamen Lauf der Dinge: Country im wahrsten Wortsinne.

Dank exzellenter Beherrschung von Stimmbändern und Gesichtsmuskulatur erzielt jeder Sänger für sich den Eindruck einer Mehrstimmigkeit. Grummelnde Töne treffen auf glasklares Klingeln, Zwitschern und Pfeifen. Ihre Vocals untermalen Huun-Huur-Tu mit traditionellen Saiten- und Percussioninstrumenten und schaffen ein stimmiges Gesamtbild. Die Gedanken erhalten Raum zum Wandern - und die dafür nötige Zeit. Daran mangelt es dieser hektischen Tage schließlich oft genug.

Trackliste

  1. 1. Artyy Sayir
  2. 2. Bai-Taiga
  3. 3. Dembildey
  4. 4. Erge Chokka
  5. 5. Ergim Saryym (Song Of Hope)
  6. 6. Mezegey
  7. 7. Daglarym (Old Melodie)
  8. 8. Ovyur Hadyp
  9. 9. Chashpy-Hem (Chashpy River)

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LAUT.DE-PORTRÄT Huun Huur Tu

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1 Kommentar

  • Vor 16 Jahren

    Wer etwas mehr erfahren möchte, bitte sehr (http://www.jaro.de/php/index.php3/page/con…).

    Sie waren übrigens gestern und heute für 2 Konzerte in Bensheim und Berlin und sind in März bzw. Juni 09 für 4 weitere Live-Auftritte in Deutschland.
    Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, daß Huun Huur Tu in Form einer Review oder gar thematisch hier auftauchen könnten. Bin bass erstaunt und (positiv) überrascht.
    Noch weniger bekannt, aber nicht weniger anhörenswert sind Yat Kha. Ihr "Leadsänger" war Gründungsmitglied von Huun Huur Tu.