laut.de-Kritik
Von der Lo-Fi-Legende zum Weltraum-Mucker.
Review von Michael SchuhPlattenfirma gründen (in Nashville), Vinylpresswerk kaufen (in Detroit), Platten abspielen (im Weltraum) - was zur Hölle hat Jack White eigentlich noch nicht gemacht? Richtig, ein Best-Of-Album. Eigentlich verrückt, so naheliegend wie es ist.
Ob aus Furcht vor Sell Out-Vorwürfen oder angeborenem Ekel vor einem Wort wie "Hit-Sammlung": Der Third Man Records-Chef verweigerte sich dieses Titels und ersann stattdessen "Acoustic Recordings 1998-2016", was thematisch ja schließlich auf so gut wie alle seiner Songs zutrifft, vor allem die aus der White Stripes-Phase von 1998 bis zur Trennung 2011.
Überraschungen sind also rar gesät, sieht man von einigen weniger bekannten Versionen ab. Stattdessen nimmt uns White noch einmal mit auf die Reise in seine Vergangenheit, die 1998 gemeinsam mit Schlagzeugerin Meg White in Detroit Rock City begann. Fans dürfen sich über die zweite White Stripes-Single "Sugar Never Tasted So Good" aus jenem Jahr freuen, die nun in ansprechender Qualität vorliegt. Es folgen Songs vom zweiten Album "De Stijl" ("Apple Blossom", "I'm Bound To Pack It Up"), angeblich geremixt, aber von den Originalversionen nicht zu unterscheiden. Trotzdem schön, noch einmal zu rekapitulieren, wie gekonnt Jack und Meg ihre gesamte Frühphase auf dem Led Zeppelin-Song "Bron-Y-Aur Stomp" aufgebaut haben (oder auf den Beatles und den Stones, wie Kritiker-Instanz Greil Marcus im Booklet lobhudelt).
Und dann der frühe Evergreen: "Hotel Yorba", Smash-Hit von 2001, Whites Band mit den Strokes im Hype-Olymp, sogar John Peel stammelte von einer Power, die er zuletzt bei Punk und Jimi Hendrix verspürt habe. Kein Mensch hätte damals für möglich gehalten, dass der Sänger dieser Band einmal mit The Edge und Jimmy Page in einer Gitarrenhelden-Doku ("It Might Get Loud") auftauchen, geschweige denn einer seiner Songs mal bei L.A. Dodgers-Spielen durch die Stadionboxen dröhnen würde.
Besagter Song, "Seven Nation Army", fehlt hier natürlich. Kennt ja jeder. Vom Mainstream-Einstiegsalbum "Elephant" (2003) wählte White das ruhige "You've Got Her In Your Pocket" und das mit Holly Golightly aufgenommene "Well It's True That We Love One Another" aus (die damaligen Singles waren wohl alle zu wenig akustisch: "I Just Don't Know What To Do With Myself", "The Hardest Button To Button", "There's No Home For You Here").
Hat ein Song nach seinem Empfinden zu wenig Aufmerksamkeit erhalten, darf er auch auf die Platte drauf, obwohl er vom Klangbild her eigentlich nicht ins Akustik-Format passt. Hierzu zählen sowohl die barocken "Get Behind Me Satan"-Tracks, wie auch die 2012er B-Seite "Machine Gun Silhouette". Mit "Love Is The Truth", seinerzeit für eine Coca Cola-Werbung geschrieben, rutscht noch eine Rarität in die Setlist.
Insgesamt ist Jack White scheinbar daran gelegen, seinen Werdegang eher anhand der melancholischen Songs nachzuzeichnen. So findet sein für den Film "Cold Mountain" komponierter Song "Never Far Away" Eingang, wie auch die ruhigen "Blunderbuss"/"Lazaretto"-Momente. Ausgerechnet der als Appetizer für "Acoustic Recordings 1998-2016" ausgewählte, weil unveröffentlichte Song "City Lights" (2005), den White beim Schubladen-Kruschteln für den Record Store Day gefunden hat, fällt als lose Fingerübung eher enttäuschend aus. Cool dagegen sein Bluegrass-Track "Top Yourself", eine B-Seite der Raconteurs-Single "Salute Your Solution". Seine Hardrock-Combo The Dead Weather schweigt, schließlich ist er da nur der Schlagzeuger.
So ist "Acoustic Recordings 1998-2016" eine verdiente, überraschend spät veröffentlichte und teilweise seltsam kompilierte Greatest Hits für einen Mann geworden, der die Rock'n'Roll-Geschichtsschreibung der Nullerjahre maßgeblich prägte. Die vor neun Jahren in "Honey, We Can't Afford To Look This Cheap" (Slide-Gitarre by Beck) gestellte Frage "I can't help but wonder this time next year / will we be drinking Dom Perignon or reheated beer" erscheint im Angesicht seines Stellenwerts heute nur noch wie ein schlechter Witz.
2 Kommentare mit 5 Antworten
Akustik Alben sind immer rotz. Selbst von Jack White. Akustikgitarren haben der Menschheit seit langem nur noch schlechtes gebracht. Verbote sollten immer ultima ratio sein, doch hier halte ich sie für angebracht.
E-gitarren haben der Menschheit auch schon viel schlechtes gebracht. Keyboards gar nicht erst zu erwähnen (Gruselwort "Alleinunterhalter"...). Oder Computer. Weg mit dem ganzen Rotz, Musik verbieten.
Musik komplett verbieten ist der Pauschalisierung dann doch zuviel. Taylor Swift muss auf jedenfall erlaubt bleiben
https://www.youtube.com/watch?v=WY5pS0oQgcc
Immer wieder gut, diese Video
https://www.youtube.com/watch?v=bBhY0We9a0o
ich werd reinhören. bis auf "offend in every way" und "dead leaves and dirty ground" oder so ähnlich. konnte ich mit denen nie was anfangen. wobei doch, ich mochte das lied, wo kate moss an der stange tanzt. nach dem hype erst recht nicht mehr. aber wer meine liebe für coffee & cigarettes teilt (:coffee: ) kriegt auch meinen support akkustisch mag ich ihn eh