laut.de-Kritik
Virtuosität und Schönklang im Alten Schlachthof.
Review von Tobias LitterstPassend zum 40-jährigen Jubiläum seiner Langzeit-Plattenfirma ECM eröffnet Jan Garbarek das neue Werk mit einem Rückblick. Den Opener "Paper Nut" spielte er schon einmal mit dem indischen Geiger Lakshminarayana Shankar für dessen Longplayer "Song For Everyone" ein. Der erschien 1984 bei dem renommierten Jazz-Label.
Jedoch atmet dieser Rückgriff beträchtlichen Innovationsgeist. Schließlich handelt es sich bei "Dresden" um das erste eigene Live-Album in der Karriere des Saxophonisten und Komponisten, die mittlerweile ebenfalls 40 Jahre auf dem Buckel hat.
Das Material für die Doppel-CD entstand im Oktober 2007 im Schlachthof zu Dresden. Dort konzertierte die norwegische Jazz-Legende gemeinsam mit seiner Jan Garbarek Group. Dass diese Formation aus erstklassigen Musikern besteht, offenbart bereits der erwähnte Einstieg. Während Schlagzeuger Manu Katché gemeinsam mit Bassist Yuri Daniel eine treibende und zugleich locker federnde Rhythmik kultiviert, bettet Keyboarder und Pianist Rainer Brüninghaus das Spiel des Meisters in vielfältige Klangfarben.
Inspiriert musiziert sich die Gruppe durch 16 Stücke, die mit ihren hymnischen Melodien stets auf dem schmalen Grat zwischen Schönheit und Gefälligkeit balancieren. Zum verhängnisvollen Absturz kommt es glücklicherweise nie. Das lebendige Zusammenspiel der Akteure und deren Improvisationsfreude halten die Songs auf spannendem Kurs.
So lauscht man etwa angetan, wie sich "Twelve Moons" von seinem balladesken Thema löst, um in ein hüpfendes Solo zu gleiten, oder vernimmt fasziniert die dichte Atmosphäre des traurigen "Tall Tear Trees", über die Garbarek seine gefühlvollen Töne ausbreitet.
Von Zeit zu Zeit tritt der bestens aufgelegte Protagonist in den Hintergrund und räumt seinen Mitmusikern den nötigen Platz ein. Diesen Freiraum füllen die Bandmitglieder mit bravourösen Alleingängen. Dadurch gewinnt das Klangbild zusätzlich an Abwechslung.
Vielfältig gerät auch das Repertoire. Neben Stücken aus den Alben "Twelve Moons" und "Legend Of The Seven Dreams" präsentiert Garbarek fünf Neukompositionen, die das hohe Niveau mühelos halten. Dazu gibt es gelungene Interpretationen einiger Werke von Trilok Gurtu, Milton Nascimento und dem norwegischen Komponisten Harald Sæverud. In ihrer geschickten Platzierung ergeben die Tracks ein Kaleidoskop verschiedenster Stimmungen, das den Solisten vielseitige Ausgangspunkte bietet.
Ab und an hätte etwas weniger Schönklang der Platte mit Sicherheit gut getan. Die hohe Virtuosität und Erfindungsgabe der beteiligten Musiker macht dieses Manko jedoch beinahe vollständig wett. Völlig zu recht verlangt das Publikum zum Konzertende begeistert nach mehr.
3 Kommentare
hochinteressantze veröffentlichung.
bin sehr gespannt auf den alten saxophon-schamanen
"Das Material für die Doppel-CD entstand im Oktober 2007 im Schlachthof zu Dresden."
Hab ich gestern bei den Leverkusener Jazztagen gesehen - also die CD. Für 25 Euro...