laut.de-Kritik

Wunderkerze, Feuerzeug oder doch der Flammenwerfer?

Review von

J.R. Roten - die Nutella unter den Produzenten. Wenn J. R. Rotem draufsteht, weiß man genau, was man bekommt: einhundertprozentig radiokompatible Dreieinhalb-Minuten-Ohrwürmer fürs Mainstream-Urban-Publikum.

Allerdings fällt der Name J.R. Rotem, der für die komplette Produktion verantwortlich zeichnet, erst im Kleingedruckten. Zunächst schürt das Cover Hoffnungen auf einen weiteren, möglicherweise talentierten Kameraden in der Ne-Yo-Kampfklasse.

Möglicherweise? Nun, bezüglich des Gesangstalents des Herrn lässt sich anhand seines mit neckischen, dennoch zart an Spinal Tap erinnernden Ü-Pünktchen garnierten Erstlings nur schwer eine qualifizierte Aussage treffen.

Zahlreiche Verfremdungs-Effekte verkleistern die Stimme durchgehend. Ob sich unter den Plastik-Schichten nun herausragende Qualität oder schnödes Mittelmaß verbirgt, weiß vermutlich J.R. Rotem allein. Letzterer sorgt immerhin für Produktionen mit amtlichem Fettgehalt.

Die Hooklines bleiben mitgröltauglich im Ohr. Zweifelsfrei funktionieren auf den Club zugeschnittene Nummern wie das mit E-Gitarren-Sounds voranstapfende "In My Head" genau dort, auch wenn sie wie ein aufpolierter, modernisierter 80er-Jahre-Rocksong anmuten.

Die 80er und frühen 90er scheinen es den Herren Rotem und Desrouleaux ohnehin angetan zu haben. Die Akustikgitarre in "Fallen" klingt, als entstamme sie Tom Pettys "Learning To Fly".

Von aus der Dancehall entliehenen Sirenen sollte man sich nicht täuschen lassen, werden sie doch von "What A Feeling" aus "Flashdance" abgelöst: "The Sky's The Limit". "Und was ist mit der NASA?", möchte man mit Eizi Eiz' Worten zurückfragen?

Überraschungen sucht man bei Jason Derulo vergebens. Stattdessen setzt es in bewährter Manier kombinierte, vertraute Versatzstücke. Fingerschnippen, wuchtige Bässe oder, wenn es balladesk zur Sache gehen soll, auch mal ein sachtes Piano. Die Streicher sind dann auch stets umgehend zur Stelle. "We all can say dub-dub-du-du" - und "Was-wäre-wenn"-Spielchen spielen.

Was, wenn man den Gesang einmal nicht poliert hätte? Gerade "What If" hätte etwas Natürlichkeit gut zu Gesicht gestanden. Die Stimme erinnert stellenweise durchaus an den verblichenen Michael Jackson - bloß, dass der King of Pop ohne AutoTune auskam.

Permanentes Droppen des eigenen Namens hilft wenig. Statt mit Eigenständigkeit zu beeindrucken, tritt Jason Derulo einzig den Beweis an, dass Vokalknödelei keineswegs der holden Weiblichkeit vorbehalten bleibt. "I was like: Oh, oh, oh, never want to let you go, go, go." Angesichts solcher Zeilen wünsche ich mir statt Wunderkerzen oder Feuerzeuge einen Flammenwerfer in jede Hand.

Trackliste

  1. 1. Whatcha Say
  2. 2. Ridin' Solo
  3. 3. In My Head
  4. 4. The Sky's The Limit
  5. 5. What If
  6. 6. Love Hangover
  7. 7. Encore
  8. 8. Fallen
  9. 9. Blind
  10. 10. Strobelight

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