laut.de-Kritik

Perfekt produziert und vollkommen unspannend.

Review von

Der neuen Veröffentlichung des Berliner DJ-Projekts Jazzanova eilt ein brillanter Ruf voraus. Schließlich betreten die sechs Soundtüftler auf "Of All The Things" völliges Neuland. Verwendeten sie auf ihrem Debüt 2002 noch allerlei Samples, um eine jazzige Collage der verschiedensten Stilrichtungen hervor zu zaubern, verpflichteten sie für die aktuelle Produktion zahlreiche Musiker.

Alles ist live eingespielt, lediglich die Beats entspringen dem Computer. Das Songwriting soll dadurch intensiviert worden sein, hört man. Die Zeiten der Experimentierfreude gehören auf "Of All The Things" jedenfalls der Vergangenheit an. Stattdessen perlen zwölf poppige Songs aus den Boxen, die zumeist in Richtung Soul tendieren.

Die Melodiestimmen übernehmen verschiedene Gastsänger, Instrumentals sind erst gar nicht zu finden. Das Handwerk ist solide: perfekt eingespielt, perfekt abgemischt, perfekt produziert. Was aber viel gravierender wirkt: vollkommen unspannend!

Diese Tatsache mag man angesichts der Gästeliste kaum glauben. Sind doch Leute wie der Marvin Gaye-Produzent Leon Ware oder der Rapper Phonte dabei. Letztlich sind es aber genau die zahlreichen Gäste, die zum Scheitern der Platte beitragen.

Wie Stefan Leisering in Interviews erklärte, wollte man nicht minimal, sondern maximal zu Werke gehen. Fast permanent strömen Chöre, Bläser, Streicher und druckvolle Bässe auf den Hörer ein. Leider verschwinden die Songs hinter dieser fetten Wall Of Sound. Sie flüchten quasi vor jeder Aufmerksamkeit. Wer dieses Phänomen in voller Breite erleben möchte, muss sich nur die erste Single "Let Me Show Ya" anhören.

Dieses Stück zeigt ganz hervorragend, wie das DJ-Team die Songs konzipiert: mit Versatzstücken aus dem herkömmlichen Popbaukasten-System. Eigentlich kein schändliches Verfahren, zumal man den Berlinern einen Sinn für interessante Harmonien nicht absprechen kann. Leider erweisen sich Jazzanova aber als Freunde der Wiederholungen.

So spielt etwa "I Can See" den Chorus bis weit über die Erträglichkeitsgrenze. Die seichte Ballade "Rockin' You Eternally" ist der Tiefpunkt der Scheibe. Selbst auf obligatorische "Uh Baby"-Gesänge wurde nicht verzichtet.

Die viel beschworene Stilvielfalt der Produzenten bleibt ebenso schleierhaft, im Wesentlichen besteht das komplette Album aus Soul. Einzig die Latinnummer "Gafiera" und der Hip Hop-Track "So Far From Home" bilden da Ausnahmen.

Die gesamte Spielzeit hindurch wartet man verzweifelt darauf, dass sich etwas aus der Monotonie abhebt. Man wünscht sich Mix-Orgien wie "L.O.V.E. And You & I" zurück und hofft auf ein virtuos gespieltes Solo, das die eintönigen Bridges mit Inhalt füllt.

Stattdessen vertrösten nur Rhythmusvariationen ("Lie" oder "Lucky Girl"). Erst ganz weit am Ende bietet "Morning Scapes" einen kleinen Freiraum, den Flöte und Piano zu verhaltenem Solieren nutzen.

Insgesamt ist "Of All The Things" zu berechnend und zu schnörkellos produziert. Beim ersten Hören kam mir Frank Popps Gruselhit "Hip Teens Don't Wear Blue Jeans" in den Sinn. Da hilft es auch nichts, dass Jazzanova technisch auf einem höheren Niveau operieren. Dementsprechend höher liegen schließlich auch die Erwartungshaltungen.

Trackliste

  1. 1. Look What You're Doin' To Me
  2. 2. Let Me Show Ya
  3. 3. I Can See
  4. 4. Lie
  5. 5. Little Bird
  6. 6. Rockin' You Eternally
  7. 7. So Far From Home
  8. 8. What Do You Want?
  9. 9. Lucky Girl
  10. 10. Gafiera
  11. 11. Morning Scapes
  12. 12. Dial A Cliché

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12 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    völlig egal wie reisserisch du hier die platte zerpflückst, ich find sie super!!!

    sie bringt endlich mal wieder ein bißchen farbe in das regnerische wetter!!! und frank popp; also ehrlich, hackts bei dir??

    das album ist wundervoll und ich hörs jetzt schon seit dem 24., es ist mir weder über noch uninteressant. viel schöner find ich, dass sich jazzanova einfach ma auf nix festlegen lassen und das tun, was ihnen grad spaß macht!!!

    so, schüss UND HÖRT JAZZANOVA!!!!!

  • Vor 16 Jahren

    ist es verbissenheit? ist es neid? oder magst du einfach keinen soul?
    ich komme nicht dahinter.
    irgendwie kommt mir diese kritik für dieses album doch zu subjektiv vor.

    zb. sich über die "ooh baby"s von leon ware zu beschweren...mannomannomann.. das ist doch genau der stil, für den er steht.. . wenn du zb. "ride on, ride on" ; "oooh baby" etc. von barry white auch nicht magst, dann liegt's vielleicht mehr bei dir und deinem geschmack, als an dem latent heraufbeschworenen versagen von jazzanova.

    und so pseudo-analytisches geblubber über "zu viele wiederholungen" und "pop-baukästen" kannst du dir echt klemmen. du hast die jungs ja wohl richtig durchschaut.. so einfach machen die das sich. bedienen sich ein wenig am herkömmlichen popbaukasten-system und zimmern ohne weitere persönliche interessen, ohne experimentierfreudigkeit und mit dem ziel alles so maximalistisch (echt "super" zitiert hier von dir in dem zusammenhang- grenzt schon an polemik) wie möglich umzusetzen und mit verschiedensten sängern (die in ihrer vielzahl deiner meinung nach das eigentliche problem des albums sind) ein vollkommen unspannendes album zu produzieren. du hast da aus interviews/promo-texten zitiert, die ich zum teil auch gelesen hab.. warum unterschlägst du dann mit welcher begeisterung sie neue wege gegangen sind... aus dem sampling und der hauptsächlich cluborientierten musik kommend, sich dem song gewidmed haben. dem song als ihr eigenes experimentierfeld. ich finde das spannend, wie sich jazzanova entwickeln und sich ein eher subtiles ziel für dieses album gesetzt haben.
    ich versuche auch verzweifelt zu hören, wo hier der song hinter der "wall-of-sound" verschwindet. ja - es gibt chöre und orchester und viele instrumente, aber die sitzen in den songs doch genau da wo sie hingehören.. so muss das halt klingen in einem symphonic soul stück wie zb. "let me show ya"...
    die zb. wirklich tolle und sensible umsetzung von morrissey's "dial a cliché" findet gar nicht erst erwähnung bei dir... wie auch, wenn du scheinbar keinen soul magst?

    und die viel beschworene stilvielfalt der produzenten bleibt dir also ebenso schleierhaft.. wer beschwört die denn? die beschwören andere kritiker..
    und wofür ist die stilvielfalt dann aussagekräftig? ist das wichtig für die bewertung des albums? je mehr stile desto abwechslungsreicher oder was? auweia..
    immerhin wurde dann gut erkannt.. es ist trotz vorhandem brasil-song (nicht "latin" wie du fälschlicherweise geschrieben hast) und hip-hop track (der lustigerweise auch noch ein soul-sample als grundlage hat) ein reines soul album. und ein gutes obendrein.
    und mit deinem absolut unpassenden frank popp vergleich, tobias litterst, hast du dich dann sowieso direkt in den "0 von 37 lesern fanden diese rezension hilfreich"-kritiker-olymp katapultiert.. ist das das niveau? eine oberflächliche absolut auf sixties-pop-revival-teeny-dance-cash-in angelegte nervnummer mit einem kompletten album ganz anderer ausrichtung (und inhalten!!) zu vergleichen und irgendwas von technisch höherem niveau zu labern? das ist doch komplett andere musik.
    was ich hier spüre, ist, dass du andere hörgewohnheiten hast. und genau das ist es, was einen bitteren beigeschmack hinterlässt.wenn du keinen soul magst, dann klingen für dich halt auch alle songs gleich.. monoton, wie du so treffend schreibst.

    ..und alles was bleibt ist der bittere beigeschmack, dass ich mich jetzt länger mit deinem völlig unpassenden text beschäftigt habe, als du dich wahrscheinlich mit "of all the things".
    fazit: kritiken und rezensionen sind für den müll.. musik ist für die ewigkeit..
    zum glück, wird in zukunft wenig papier dafür verschwendet werden..
    und für das drohende datenmüllproblem gibt's in zukunft hoffentlich auch noch eine lösung...

    ps*und bitte: benenne mir doch wenigstens zwei "eintönige bridges", die solos brauchen um mit inhalt gefüllt zu werden. ich bin echt gespannt.