laut.de-Kritik
Die Helden von damals und heute, in Belanglosigkeit vereint.
Review von Yannik GölzSie müssen alle so überzeugt davon gewesen sein, da gerade die dickste Bombe in ihrem Keller zu basteln. "Kitschkrieg" von Kitschkrieg – mit der minimalistisch designten Vinyl präsentieren, denn der Name spricht ja für sich: das Who is Who der Deutschrap-Szene. Junge Stars, Schulter an Schulter mit alten Legenden, produziert auf zeitgemäß poppigen Beats von den Hitmachern der Nation. "Kitschkrieg" ist die unerträgliche Label-Party, bei der man froh ist, nicht eingeladen zu sein. Dieses Album hängt mit Champagner-Glas auf dem Rooftop in Altona und berichtet im 187-Shirt von der eigenen Wokeness.
Dabei machen Kitschkrieg als Produzenten und Kuratoren der Platte wenig per se falsch (außer eventuell den Frauenschläger und den Mörder einzuladen). Auf dem Papier lesen sich manche Kombinationen spannend und die Produktion führt kohärent und inspiriert durch die Platte. Mit klassischen Einflüssen zwischen Pop-Rap, Afrotrap, Dancehall bis Electro gibt es kaum ein Instrumental, das nicht wenigstens ein bisschen aufgeht, aber es gibt auch kaum jemanden, der wirklich darauf abgeht.
Da überrascht es kaum, dass das inzwischen drei Jahre alte "Standard" noch einmal aufs Album gehoben wird, direkt in die Pole Position, denn lockerer und intuitiver ist die Musik von Kitschkrieg seitdem nicht geworden. Die Hook zieht und einen besseren Part als den von Gringo findet man auf der Platte nicht.
Ist aber auch nicht so, dass es wirklich jemand versucht. Fast jeder MC, der für den Namecheck gastiert, tritt im Selbstzitat-Modus auf. So sehr, dass man bei fast jedem Part glaubt, ihn so oder so ähnlich schon gehört zu haben. Nirgends wird das deutlicher als auf "Titanic" von Marteria und Miss Platnum. Die Produktion emuliert mit Präzision "Zum Glück In Die Zukunft"-Tage, Marteria rappt irgendetwas, Miss Platnum singt irgendetwas, und man fühlt sich in der Tat, als hätte man gerade eine verlorene B-Seite aus dem Schiffswrack geborgen. Ob man die aber wirklich hören musste?
"Irgendwo" mit Nena und Trettmann und "5 Minuten" mit Cro und Henning May funktionieren musikalisch solide, klingen aber inhaltlich nach gänzlich uninspiriertem Deutschpop. Hätte das Kitschkrieg-Voicetag nicht noch eine gewisse Aura der Coolness, würde man diese Songs gut und gerne in die Mark Forster-Richtung schieben.
Nur, dass der sich wahrscheinlich nicht trauen würde, so offen unsympathisch zu sein wie die Mannschaft auf "5 Minuten". Die können sich kaum entscheiden: Soll man schneller sehen, wie egal die Frauen ihnen in diesem Song sind? Oder ist es wichtiger, dass jeder merkt, dass sie echt keinen Bock aufs Texten hatten? "Wie spät es ist, weiß ich nicht / Das ist okay / Ich muss was essen / Und schau' nach, was noch da ist / Mir fällt auf / Dass es draußen warm ist", erzählt May, so sicher, dass seine Stimme diese exorbitant belanglose Aneinanderreihung von mondänsten Nichtigkeiten schon irgendwie bedeutungsvoll machen wird.
Und das waren nur die Highlights: Immer wieder kommen Songkonzepte auf den Hörer zu, die ratlos zurücklassen. Sie waren SO sicher, dass ein ironischer Trap-Song von Peter Fox, in dem er mit halbherziger Scheißkadenz über Lambos und Onanieren im Gucci Store rappt, eine gute Idee ist. Sie waren so sicher, dass Jamule eine Cover-Version von Seeeds "Aufstehen" mit etwas aufgepepptem Beat aufnehmen zu lassen eine gute Idee ist. Sie waren so sicher, dass Jan Delay eine gute Idee ist.
Leider entpuppten sich all diese Ideen als schlecht. Auch das Aufeinandertreffen von Rin und Kool Savas hätte die Szene aus den Socken gehauen, zumindest in jenem Universum, in dem einer von den beiden in den letzten drei Jahren irgendetwas Gutes veröffentlicht hätte. So bleibt "Oh Junge" ein weiteres Beispiel für Rapper, die sagen, was man eben von ihnen erwartet. Beide Parts flowen solide, aber der ikonische Deutschrap-Moment, für den es sich so offensichtlich hält, bleibt aus.
Das ist vielleicht das endgültige Problem an "Kitschkrieg": Das Album trägt einen Pfauenschwanz an Gravitas vor sich her, dem es einfach nicht gerecht wird. Es bleibt ein wohlklingendes Sommeralbum mit ein paar stabilen Beats und Features von großen Namen, das unbedrohlich und gefällig durch den Park tönt. Aber immer wieder tauchen Momente auf, die wirken, als wollten sie gerade sehr viel darstellen und bedeuten. Tun sie aber nicht. Denn: Wenn diese Platte ein großer Moment der Generationen-Verständigung im Deutschrap sein soll, dann finden die Ären vor allem Einheit in Belanglosigkeit.
13 Kommentare mit 31 Antworten
Das Thema ist durch. So wie Trettmann und alle andern. Nena war schon immer Kinderparty und die trauen sich echt was diese Olle in ein Studio einzuladen. Bitte alle miteinander die Kuh nicht weiter melken, sondern abtreten, wenn man sich noch erinnern kann wie schön es war.
Leider hat mich Kitschkrieg seit "Trettmann" letztes Jahr etwas verloren. Der Sound ist zwar eigen aber entwickelt sich nicht weiter. Und das Album ist ein Durcheinander. Klar find ich "5 Minuten" stark, oder die Nummer mit Bonez. Aber als ganzes sehr beliebig zusammengewürfelt. "Standard" ist zwei Jahre alt und bounct null.
Ich war in so freudiger Erwartung...und dann sowas. Hatte beim ersten Hören schon das Gefühl, ich bin an ne Fake-Veröffentlichung à la K.I.Z. geraten. Die Belanglosigkeit scheint ja fast Teil des Konzepts zu sein, so wie es sich durchs Album zieht.
Der erwähnte Part von Henning May ist für mich das absolute negative Highlight. Aber auch:
Jan Delay: "Zehn Uhr zwanzig, ich wach zerknittert auf
Erster Gedanke geht an dich
Zweiter und dritter auch
Und der vierte und der fünfte und der sechste
Der siebte und der achte gehen an deine SMS, ja"
Rin: "Deutscher Rap ist back wie "Fanta 4"-Shit
Kein Diss, weil die Jungs wenigstens real sind"
Boah...das ist so trashig. Ich hör gleich nochmal rein
Heute beim Spinning-Kurs dieses Aufstehen-Cover gehört - furchtbar!
2017 war Kitschkrieg's Höhepunkt. Dieses Album ist einfach grausam, vor allem die Features! 1,5/5
Dieser Kommentar wurde vor 4 Jahren durch den Autor entfernt.