laut.de-Kritik

Deutschraps Julius Cäsar bleibt vorerst ungeschlagen.

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"Ich bring' 'ne blutige Ära, so wie Julius Cäsar." Das Magazin der Tec 9, bis zum Anschlag geladen, der Finger klebt am Abzug. "Zuhältertape IV" soll alles zerbersten. Der vierte Teil der Reihe manifestiert Kollegahs Status als virtuosester Wortakrobat vom Kap Arkona bis zu den Allgäuer Alpen. Sein Mikrokosmos aus Cash, Waffen, Autos und Bitches, den vier Elementen des Pimptums in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit, erstrahlt abermals in nicht enden wollender lyrischer Diversität.

Die im Vorfeld vollmundig verlaufene Promo-Phase löst ihre Versprechen zu großen Teilen ein. Das zwanzig Tracks starke "Zuhältertape IV" bedarf keiner Features. Der Boss lässt niemanden in sein Werk hineinpfuschen, das nächste Kollabo-Album mit Farid Band hält noch genug Platz für Ausschussware bereit. Hier finden sich ausschließlich Musik gewordene "Blutdiamanten".

Erhaben schreitet der Vortrag des Macs über die Beat-Lawinen, die seine Produzenten-Gefolgschaft, allen voran Alexis Troy, aus der Erde stampft. Große Ausrufezeichen oder Ausbrüche aus den gewohnt bassmächtigen Beatkorsett, untermalt mit dunklen Piaono-Loops, sucht man vergeblich. Nur "Kool & The Gang" und "V.I.P.I.M.P." fallen ein wenig aus dem Raster und gefallen mit launigen Oldschool-Anleihen.

Ehrgeizige Ziele bleiben dem Rap-Monarchen nicht mehr viele. Den 10k-Cash-schweren Beamtenkoffer für die Mutter hat er längst gepackt, die Konkurrenz liegt weit außerhalb des eigenen Radar-Feldes, und die Bitches klammern sich fest am Pumperarm des Bosses: "Torten fliegen auf mich als wär' ich ein Clown aus einem Zirkus."

Einzig den Status als Deutschlands "einziger Zuhälterrapper" gilt es noch zu verteidigen: "Yo, der Pimp im Business schwingt die Faust in deine Richtung / Und du siehst es als ideale Gelegenheit, den Ring zu küssen."("V.I.P.I.M.P.")

Punchlines, die jeder Rezensent mit Kusshand aufschnappt, hält Kolle wieder einige in der ringbesetzten Faust parat: Vergleiche wie "Ich spür' die Macht in mir wie Obi-Wan Kenobi / Mach' aus Drogenmafiosi Dosenravioli" oder "Heul' nicht rum, die Bitch ist jetzt im Himmel so wie Flugzeug-Kondensspuren" bedürfen keiner erklärenden Worte. Zuhören und Kopf nicken.

Leider viel zu selten präsentiert Kollegah, wie in "Hoodtales IV", seine Storyteller-Qualitäten und plaudert ein wenig aus dem Nähkästchen eines Hustlers: "Und es kommt, wie ich es prophezeit habe: / Ich sitz' im Benz statt im Polizeiwagen / Kann heimfahren, verteile weiter Gras-Packets / Wie die beiden Cops ab Morgen wieder Strafzettel / Die abendliche Sonne strahlt wie mein Schmuck / Und wieder einmal endet ein Tag in der Hood."

Ein wenig schmaler hätte das Tape ausfallen dürfen. "Winter" zum Beispiel bietet im Vergleich zu seinen Vorgängern "Sommer" und "Herbst" nichts Neues. Überhaupt wird es stets kritisch, wenn Kollegah den Polarfuchspelz auf der Lehne seines Ledersessels ablegt und in der Melancholie des prasselnden Kaminfeuers seine philosophischen Ansichten zum Besten gibt:

"Lieg' in der Honeymoon-Suite, doch schlafe nicht viel / Denn ich weiß, ich kann zwar noch Milliarden verdienen / Doch kein Geld der Welt verschafft mir die Jahre, um die / Dinge wieder gerade zu biegen, wie die Stahlindustrie / Doch ich kämpfe weiter und der Teufel wird versagen." Verlässt Kollegah mal sein Trademark-Imperium und schlüpft in die Rolle des Felix Blume, geraten die Songs doch schmerzlich platt und erkenntnisarm.

Die weiteren Fortsetzungen entschädigen dagegen um so mehr für den seltenen Aussetzer. Überhaupt verschaffen sie dem Album die Relevanz, der "Zuhälter"-Reihe einen weiteren Teil anzufügen. "Nebel" etwa, als Fortsetzung zu "Rauch", zeichnet überzeugend die Wurzeln, Kollegahs Anfänge als kleiner Hustler, nach. Den hier fehlenden Feature-Part des unsäglichen Slick One rechne ich ihm übrigens als großen Pluspunkt an.

Das große Inferno entfacht der King allerdings mit den letzten beiden Tracks, die sich sintflutartig über den zur Salzsäule erstarrten Zuhörer ergießen: "Da kommst du kleiner Versager am Abend heim auf dem Fahrrad / Gehst hoch, kommst rein, siehst uns beide und jammerst: / 'Was treibst du da, Mama?' / Kriegst ewig keine Antwort und / Hörst mich dann nur sagen: 'Deine Mum is' gut erzogen, Kid, sie / redet nicht mit Schwanz im Mund / Außerdem bist du wohl ganz schön dumm. / Stellst hier dumme Fragen, Mois, als könntest du nicht sehen, / dass ich die Schlampe bums'!?'/ Blitzmerker!" Autsch! Der gemeine Hörer sitzt jetzt in der Ecke und weint bitterlich in sich hinein.

Falls am Patienten Hip Hop zu diesem Zeitpunkt noch ein Puls zu spüren war, verzeichnet das Elektrokardiogramm spätestens nach den ersten Lines zu "Genozid" keine Ausschläge mehr. Kollegah rollt die Papyrusrollen auf und berichtet vom Aufstieg, der Expansion und dem Machterhalt seines Imperiums. Wie einst Julius Cäsar schaltet und waltet er über sein riesiges Reich, wie es einem großen Feldherrn beliebt. Der kundige Geschichtskenner weiß, wie der Untergang des Imperium Romanum herbeigeführt wurde. Auf dem Schlachtfeld des Hip Hop bleibt Kollegah vorerst ungeschlagen.

Trackliste

  1. 1. Intro
  2. 2. Empire Business
  3. 3. Blutdiamanten
  4. 4. Kool & The Gang
  5. 5. John Gotti
  6. 6. Schusswaffengeräusche
  7. 7. Bye Bye Mr. President
  8. 8. Hoodtales IV
  9. 9. Kalter Krieg
  10. 10. V.I.P.I.M.P.
  11. 11. Wall Street
  12. 12. Nebel
  13. 13. Tropische Tierpelze
  14. 14. Pitbulls & AKs
  15. 15. Carpe Diem
  16. 16. Mörder
  17. 17. Weisser Testarossa
  18. 18. Winter
  19. 19. Angeberprollrap Infinity (Outro)
  20. 20. Genozid

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32 Kommentare mit 37 Antworten

  • Vor 8 Jahren

    Finde die Reaktionen in der Summe hier jetzt fast noch ein bisschen zu differenziert. 4/5, ehrlich? :suspect: Für ein Album mit ähnlich vielen Übertracks müsste ich schon tief im Gedächtnis kramen.
    Sehe auch nicht wirklich kürzungsbedarf, bis auf "Winter" und vll. "Empire Business" ist doch alles sehr gut bis großartig.
    Ich persönlich kann mir kein besseres Kollegah-Release vorstellen, kurzum: halte alles außer versabbertem Fanboy-Gewäsch dieser Machart hier für hochgradig deplaziert!
    Selbstverständlich 5/5

  • Vor 8 Jahren

    Wie ist Kollegah eigentlich auf so 'nen Albumtitel gekommen? Auf jeden Fall sehr...kreativ.

  • Vor 7 Jahren

    das phänomen "Kollegah" ist halt sowas von deutsch... wie kann man die kultur hiphop nur auf sonen kopfgesteuerten comedycircus runterdröseln... dann gibt es auch noch die ganz doofen die meinen der wär wirklich gangsta, zum glück is kolle sei ca king mittlerweile so ehrlich eindeutig dass es schon sehr schwierig ist nicht die realität zu erkännen was den BOY schon sympatischer macht

    ich hasse übrigens pa sports, sowie die ganzen anderne hampelmänner die so ähnlich heißen summer cem farid bang