laut.de-Kritik
Major Label-Mischpalette mit reichlich Luft nach oben.
Review von Mirco LeierVom Underground-Darling zur vierfachen Grammy-Nominierung: Der explosive Durchbruch, den Megan Thee Stallion in den letzten zwölf Monaten erlebte, sprengt alle Superlative. Nicht nur bricht sie mit "WAP" sämtliche Stremingrekorde, angelt sich ein Beyoncé-Feature und wird vom Time Magazine zu einer der aktuell '100 Most Influential People' gewählt. Sie schafft all das auch noch, ohne ein Debüt-Album auf dem Markt zu haben. Dementsprechend hoch sind die Erwartungen an "Good News", das zum Ende eines wenig erfreulichen Jahres erfreulich-sorglosen Eskapismus in die ekstatische Welt des Hot Girls Meg verspricht, tatsächlich aber oftmals erschreckend formelhaft, brav und phantasielos ausfällt.
Bevor Megan sich jedoch den eher schöneren Dingen im Leben zuwendet, konfrontiert sie auf dem Opener das größte Trauma ihrer jungen Karriere. "Shots Fired" richtet sich an Tory Lanez der der Texanerin in einer Julinacht mutmaßlich grundlos in den Fuß schoss. Für Megan hatte der Vorfall zwar keine bleibenden körperlichen Schäden zur Folge, doch es sei nicht minder als "die schlimmste Erfahrung meines Lebens gewesen", wie sie dem GQ-Magazin erzählt. Während Tory Lanez aus der Situation Kapital schlug und auf Albumlänge versuchte, sich aus der Affäre zu ziehen, braucht Megan nur zwei Sechzehner, um seiner Karriere den Gnadenstoß zu geben.
Nicht nur weil die Sympathien ohnehin klar verteilt sind und die Sachlage im Grunde keine zweite Meinung zulässt. Nein, Megan ist auch schlichtweg die bessere Rapperin. Über ein eiskaltes "Who Shot Ya?"-Sample erzählt sie die Geschehnisse jener Nacht aus ihrer Perspektive nach und stellt den Kanadier als weinerlichen Feigling dar. Mit dem Hunger von zehn tollwütigen Pitbulls beißt sich Megan durch das großartige Buddah Bless-Instrumental und flowt ihr Gegenüber an die Wand. "Who you takin' shots at, goofy-ass bitch? Watchin' me succeed from your knees, suckin' dick / I know you want attention from the niggas that I get / I'm a steak, you a side plate, shrimp, stay in your place." Eine verdiente Abrechnung, die ihre lange Wartezeit absolut rechtfertigt.
Von hier an greift Megan auf altbekannte, wesentlich leichter zu verdauende Themen zurück. Zwischen Female Empowerment, Body-Positivity und gewohnt schlüfprigen Sex-Jams sind es vor allem ihr Talent am Mic, eine breite Palette kreativer Instrumentals und die kompromisslose Lebensfreude, die sie auf Albumlänge zur Schau stellt, die "Good News" davor bewahren, sich zu sehr im Kreis zu drehen.
Speaking Of: "Circles" erinnert mit seinem prominent eingesetzten Jazime Sullivan-Sample an Drakes "Nice For What" und geht auch inhaltlich in eine ähnliche Richtung. Megan flippt die eigentlich wenig spaßige Exposition einer toxischen Beziehung zu einer Uptempo Banger-Hymne über weibliche Selbstbestimmung. "Look, why you wanna do the bad bitch wrong? / 'Bout to make this every bad bitch song": Megans unerschütterliches Selbstbewusstsein ist nicht nur beeindruckend, sondern macht in musikalischer Form auch einen Heidenspaß.
Vor allem wenn sich Instrumental und Inhalt ihrer extrovertierten Energie anpassen, wie es auf dem wilden City Girls-Duett "Do It On The Tip" oder der Single "Body" der Fall ist. Auf Ersterem frönt Megan einmal mehr mit reichlich lyrischer Finesse der schönsten Nebensache der Welt, auf "Body" spiegelt sich die sexuelle Energie vor allem im LilJus Produktion wieder, der einen Kanon aus hemmungslosem Gestöhne mit boomenden 808s verfeinert. Die infektiöse Hook und Megans rasiermesserscharfer Flow erledigen den Rest.
Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass "Good News" nicht immer den richtigen Ton trifft. "And I'ma show this ass 'cause it's what they wanna see", rappt Megan auf "Outside". Dieser Crowd-Pleasing-Attitüde sind wohl auch Songs wie "Intercourse" oder "Work That" zu verdanken, die lediglich populäre Trends schlampig und ideenlos abarbeiten und Megans unbeholfener Singstimme viel viel zu Raum geben. Auf "Don't Rock Me To Sleep" wenig später nimmt das geradezu peinliche Ausmaße an. Schon auf Suga hielten Megans Versuche, mehr in Pop und R'n'B-Gefilde vorzustoßen, das Projekt zurück. Wirklich daraus gelernt scheint die 25-Jährige nicht zu haben.
Dabei bewies sie nicht nur auf "Fever", dass ihr Gesang nicht automatisch einen Song ruinieren muss, auch auf "Good News" zeigt "Freaky Girls", dass Megan durchaus Pop-Appeal besitzt. SZAs Hook trägt zwar den Song zu großen Teilen, doch auch der Rapperin aus Houston steht der melodische, unaufgeregte Juicy J-Beat gut zu Gesicht. Davon abgesehen wäre sie auch nicht die erste Rapper*in, die sich für Crossover-Erfolg auf gesungene Gastbeiträge verlässt.
Ohnehin bringen fast alle Features ihr absolutes A-Game. Die City Girls fügen sich so homogen in den Sound von "Do It On The Tip" ein , dass man sich wünscht, JT und Yung Miami würden noch ein paar weitere Sechzehner spitten. Konträr dazu bringen Big Sean und 2 Chainz mit zwei großartigen Verses auf "Go Crazy" frischen Wind in das Soundbild, das hier und da droht, etwas zu monoton zu werden. Auch Lil Durk setzt seine Reihe an hochkarätigen Gastbeiträgen fort. Sein back and forth mit Megan auf "Movie" birgt eine unglaubliche Energie, die nur der Auftritt der Queen B höchstpersönlich toppt. Einzig DaBaby, der mir mit seinem immer gleichen Flow mehr und mehr auf die Nerven geht und einen Großteil von "CryBaby"für sich beansprucht, trübt das Gesamtbild ein wenig.
Trotz solider Highlights und nur wenigen Aussetzern droht "Good News" gegen Ende allerdings, sein Momentum etwas zu verlieren. Nach dem rücksichtslosen Middlefingers-In-The-Air-Banger "What's New" folgt ein Fehltritt auf den nächsten. Nur "Go Crazy" hebt zwischenzeitlich die Qualität ein wenig an. Abschließend kann man froh sein, dass Megan ihr Debüt nicht mit dem mittelmäßigen "Outside", sondern mit den bereits zuvor veröffentlichten Singles "Savage", "Girls In The Hood" und "Don't Stop" auslaufen lässt.
Dieses drei Songs lange Finale ist die Ehrenrunde unter dem Konfettiregen, die sich Megan Thee Stallion mit ihren Erfolgen in den letzten zwölf Monaten verdient hat. Das Beyoncé-Cosign für den Überhit "Savage" ist nicht nur ein Meilenstein in ihrer Karriere als Rapperin, sondern auch eine der besten Kollaborationen des Jahres. Der Remix trieft nur so vor Houston-Swag und katapultiert den Ausdruck "Bad Bitch" auf eine neue Ebene der Selbstsicherheit. Gleiches gilt für den Eazy E-Flip "Girls In The Hood", der das Original zur Emanzipationstrap-Hymne ummünzt und dem Klassiker des N.W.A.-Mitglieds mindestens auf Augenhöhe begegnet.
So großartig die schließenden Momente aber auch sein mögen, so legen sie auch ein weiteres Mal die Schwächen von "Good News" offen dar. Macht das Album Spaß? Ja. Ist es das, was man sich vom Debüt einer der begabtesten Rapperinnen im Game erhofft hat? Nein. Megan hat mit "Fever" bereits bewiesen, dass sie keine Single-Künstlerin ist, was all das verschenkte Potential auf dieser Major Label-Mischpalette umso ernüchternder macht. Dennoch gilt: An ihrem Talent lässt "Good News"zu keiner Sekunde Zweifel aufkommen. Vielleicht erlaubt ihr Label ihr ja zukünftig mehr Freiheiten, wenn sie erstmals bei den Grammys abgeräumt hat. Es sei ihr vergönnt.
1 Kommentar
Also schlecht geht anders!