laut.de-Kritik

Ein talentierter MC serviert statt rundem Statement eine Baustelle.

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Es ist einen guten Moment her, dass Megan Thee Stallion sich mit einer ganzen Reihe viraler Singles einen Platz in der Szene erkämpft hat. "Big Ol' Freak" und "Cash Shit" waren aber nur Vorboten der Proportionen, die ihre Karriere mit dem spätsommerlichen Poolparty-Hit "Hot Girl Summer" (dem Song zum Meme) annehmen würde. Binnen weniger Monate avancierte sie vom aufstrebenden Houston-Untergrund-MC zu einem vollwertigen Mainstream-Rapper in Konkurrenz mit Roddy Ricch, DaBaby und Cardi B. "SUGA" ist nach Stress mit ihrem Label der etwas verfrühte Anknüpfungspunkt an diesen Erfolg. Denn auch wenn das kurze Tape das Charisma und MC-Talent von Megan immer wieder anreißt, ist es doch zu wenig und zu halbgar, um die Erwartung zu erfüllen.

Die neuen Songs bewegen sich dabei zunächst in äußerst vorhersehbarem Territorium. Es sind auf die Nase gebundene Sex-Raps, deren großer Trick es ist, männliche Stereotype umzudrehen und die Baller-Player-Perspektive weiblich umzuschreiben. Funktioniert ziemlich gut, denn Megan hat genug sexuelle Energie, um Songs wie "Captain Hook" oder "Savage" zu schreiben. Diese beiden stechen auch als absolute Highlights hervor, die mit bombastischen, abrupten Trap-Beats und perkussiven, aggressiven Samples Megans Flow in den Vordergrund rücken und so energisch klingen, dass das Gerede über Sex fast schon wie Battlerap klingt. "Savage" hat die eingängigere Hook, dafür ist das Piraten-Thema von "Captain Hook" mit dem Samples von Säbelkämpfen im Hintergrund so albern, dass die Ernsthaftigkeit und der temporeiche Flow der Protagonistin nur noch absurder und besser zur Geltung kommt.

Halten Songs wie "B.I.T.C.H." und "Ain't Equal" zumindest noch diese raptechnische Energie oben, fallen die restlichen Songs auf recht grundsätzlichen Ebenen auseinander. Seien es wirklich auffällige Lieblosigkeit wie "Rich", dessen Phrasen-Massaker nur Dienst nach Vorschrift sein konnte, oder das Popsänger-Gasthook-Malen nach Zahlen-Werk "Hit My Phone" mit Kehlani.

Besonders daneben geht der Schlussteil, auf dem Megan sich an ein Balladen-Format wagt, für das sie derzeit einfach nicht die charakterliche Vielschichtigkeit transportiert. Selbst wenn "Stop Playin" nicht nach einem ganzen Album an Hymnen auf das Player-Leben etwas unglaubhaft darin wäre, ein Ende des Player-Daseins zu fordern, sitzen hier zu viele Köche an einer unfokussierten Single. Ein Beat von den Neptunes und ein Feature von Gunna lesen sich spannend auf dem Papier, aber irgendwie kocht hier am Ende jeder sein eigenes Süppchen und die Geschmäcker wollen partout nicht miteinander harmonieren.

Besser klappt die Neptunes-Kollabo auf "Crying In The Car", wo Megan Melancholie und Struggle transportiert, ohne ihre Boss-Attitüde herunterschrauben zu müssen. Steht ihr besser und dieses Mal geht der Neptunes-Beat mit dem angenehm integrierten Chipmunks-Sample auch deutlich besser auf. Es ist kein beeindruckender, aber ein solider Song, womit er sich vom Closer "What I Need" deutlich absetzt. Diese 0815-Ballade dreht die Ja Rule-sche "Auch Thugs brauchen Liebe"-Formel um klingt erneut auf dem Papier erstmal innovativ, gerade mit dem Timbaland-Beat wäre hier viel gegangen, aber der Sound und die Präsentation gelingen so abgestanden wie jeder "Auch Thugs brauchen Liebe"-Ja Rule-Song von nach 2004.

Ein wenig schreit "Suga" schlussendlich nach vergeudetem Potential. Alle Zutaten liegen da auf dem Tisch, der überragende Rapskill und das Charisma von Megan Thee Stallion, die Banger-Beats, die Connections. Die Kollabos mit Kehlani, Gunna, den Neptunes und Timbaland hätten so viel Potential gehabt. Aber niemand ist an den Rohschliff gegangen und hat ein wirkliches Gericht daraus gekocht. Es ist eine halbfertige Baustelle von einem Projekt, das nur mit den Versatzstücken der bisherigen Karriere von Megan arbeitet. Statt Weiterentwicklung werden neue Elemente mit Klischees und Phrasen angenommen und auch musikalisch wird hier viel Unrundes als fertiges Produkt verkauft. So viel Talent die Frau auch hat, hier wäre mehr gegangen.

Trackliste

  1. 1. Ain't Equal
  2. 2. Savage
  3. 3. Captain Hook
  4. 4. Hit My Phone (feat. Kehlani)
  5. 5. B.I.T.C.H.
  6. 6. Rich
  7. 7. Stop Playing (feat. Gunna)
  8. 8. Crying In My Car
  9. 9. What I Need

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