laut.de-Kritik
Restposten von "Death Magnetic", lebendiger als das Mutteralbum.
Review von Ulf KubankeMetallica-Bashing gehört zumindest in der Metalszene fast schon zum guten Ton. Selten gab es eine Vorreiter-Combo, deren Experimentierfreude über knapp zwanzig Jahre konsequenter mit Liebesentzug bestraft wurde als bei der Truppe aus der Stadt der Engel. Und nun?
Der Pulverdampf des Gefechts um "Lulu" ist noch nicht verzogen. Schon flattert wie aus dem Nichts eine neue Metallica-Platte zur Tür herein. Es handelt sich um eine 30-minütige Four-Track-CD aus dem Niemandsland zwischen Maxi, EP und Mini-LP. Der Begriff 'neu' muss hier indes sehr weit ausgelegt werden.
Zwar sind die Songs in den Augen der Welt noch vergleichsweise grün hinter den Ohren. Nur einmal – anlässlich der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bandjubiläum im legendären Fillmore West (Dezember 2011, Gäste unter anderem Marianne Faithfull) – wurden sie bislang aufgeführt.
Schon der Titel "Beyond Magnetic" signalisiert es: Diese Lieder stammen aus den "Death Magnetic"-Sessions anno 2007/2008. Nach Angaben der Band sortierten sie die Songs damals nur aus, weil man seinerzeit bewusst kein Doppelalbum herausbringen mochte. Mit der Qualität dieser Lieder habe das jedoch nichts zu tun.
Um jeglicher Kritik am Sound bereits im Vorfeld zu begegnen, legen Metallica dabei viel Wert auf die Feststellung, es handele sich um Roughmixe, die man extra roh beließ. Soviel vorauseilende Rechtfertigung wäre nicht notwendig gewesen. "Magnetic Part II" kommt strukturell und rockend deutlich lebendiger um die Ecke als das seinerzeit nur in Teilen überzeugende Mutteralbum.
Zwar taucht Rick Rubin als Produzent in den Credits auf. Doch wie so oft zuletzt hat man nicht das Gefühl, er reiße sich kümmernd ein Bein aus. Das entpuppt sich als unerwarteter Pluspunkt. Nach dem schauderös ekligen Kid Rock-Gewurschtel kann man 'Big Rick' nur dankbar sein, dass er sich bis zur Unkenntlichkeit zurückhält. Mixmeister Greg Fidelman und Mike Gillies füllen die Soundlücke mit links.
Die Tracks selbst bestehen hörbar zu 100% aus Metallica pur. Wer hier unbedingt eine einengende Schublade benötigt, darf sie spirituell getrost hinter den einen oder anderen "And Justice For All"-Song packen.
Anspieltipp: "Just A Bullet Away" nach etwa vier Minuten. Wäre das schrubbende Song-Quartett 1990 anstelle vom zahn- und harmlosen "Enter Sandman" erschienen, man hätte ihnen seinerzeit den roten Teppich stählernerer Glaubwürdigkeit ausgerollt.
"Hate Train" zum Beispiel spielt dramaturgisch mit den typischen Ingredienzien samt heruntergefahrener Bridge und einem entfesselten James zwischen Stiernacken und Besänftiger. "Rage is to blame / Forever sorry I shall be." Kein übler Live-Opener. Die zeitweise nach vorn geholten unverzerrten Gitarren des Roughmixes auf "Hell And Back" ergänzen das räudige Strombrett vorzüglich. Man fragt sich unwillkürlich: Warum denn bitte nicht schon längst, meine Herren?
Dennoch fällt dieses Lob zweischneidig aus. Die Welt hat sich seit 2007 weitergedreht - und zum Glück Metallica mit ihr. Vom New Yorker Genius lernten die Thrash-Ikonen das Überschreiten langweiliger Genregrenzen der metallischen Backförmchenarchitektur. Eine insgesamt freiere Art, zu komponieren, zu texten und spontan zu arrangieren. Alle diese bindenden Ketten, die die Pioniere mit Songs à la "Pumping Blood" oder "Frustration" so eindrucksvoll sprengten, sind hier naturgemäß noch offensichtlich. Vor allem der mittlerweile eindrucksvoll befreite Lars spielt noch vergleichsweise eingeschnürt wie ein Bondage-Girl.
Die klischeetriefenden Lyrics samt totgeleierter Bilder von der altbekannten "Crown of Thorns" oder den öden "Gates of Hell" wirken nach der originellen Wedekind-Interpretation ein wenig, als hätte man Vorschulkinder die Zeilen verfassen lassen. Was für ein Kontrast!
Insgesamt bleibt der Zeitpunkt des Releases wenig nachvollziehbar. Für ihre Fans sicherlich ein willkommenes Oldschool-Lebenszeichen im frischem Stahlbad. Für die Freunde der neuen, entwickelteren Band, die sie heute sind, sicherlich nur ein laues Lüftchen, eine Zeitmaschine in die Unfertigkeit. Wer jedoch einfach mal wieder eine halbe Stunde den Kopf zur schrotigen HM-Berieselung so richtig zumachen möchte, wird alles andere als enttäuscht sein.
20 Kommentare
Geht ja für Kubanke-Verhältnisse fast. Hatte mit mehr Lulu gerechnet.
noch mehr? oh noez....
aber geht in ordnung. Vielleicht schnupper ich mal rein.
Wie ich finde ziemlich treffende Kritik. Alles klingt wie schonmal gehört, aber auf keinen fall schlecht.
Kommt es nur mir vor, dass sich James bei langsamen Passagen wie der Sänger von Billy Talent anhört?
Gott wird mir schlecht bei dem Mist was ich immer lesen muss wenns um Metallica geht. Schämt euch...
Wo wir gerade bei Metal-Legenden sind: Dieses Jahr feiert eines der wichtigsten Metal-Alben (vielleicht auch DAS wichtigste?) sein 30-jähriges Jubiläum, ich hoffe, die Laut-Redaktion hat das auf dem Schirm.
Es hat tatsächlich einer gemerkt. Satan sei gepriesen! Ich meine, vielleicht stehe ich mit der Meinung alleine, aber wenn mich jemand nach einem Metal-Meilenstein fragt, dann schwirrt mir als erstes "The Number of the Beast" durch den Kopf. Ohne hier jetzt eine Metallica-Bashing-Runde anregen zu wollen, aber was die Bedeutung für die Geschichte des Metal angeht, müssen sie sich hinter Iron Maiden anstellen (was sie ja auch anscheinend mit Freuden tun).
"Woe to you, oh earth and see, for the devil sends the Beast with wrath, because he knows the time is short..."
In diesem Sinne: UP THE IRONS!