laut.de-Kritik

Erinnert an die frühen Tokio Hotel.

Review von

Mit dem Debüt "Tiefer" legen Mina Harker eine tanzbare szenetypische Melange aus elektronischen Elementen, Pianotupfern und verzerrten Gitarren vor. Als Produzent gewann man Georg Kaleve, der bereits erfolgreich mit Subway To Sally und De/Vision zusammengearbeitet hat. Der Name des Duos ist dem weiblichen Hauptcharakter aus Bram Stokers Roman Dracula entlehnt. Dort steht der Name als Symbol für die Errettung des Vampirs durch die Weiblichkeit. Der vorliegende CD-Erstling hingegen lässt den alten Vampirgrafen sich lediglich im Grabe herumdrehen.

Die wenigen Höhepunkte kann man schnell zusammenfassen. Das Album beginnt mit dem Titeltrack, einem eingängigen Evanescence-typischen Arrangement, das ganz auf die Stimme der Sängerin Mina Harker zugeschnitten ist. In den Tanztempeln funktioniert das Stück sicherlich gut. Auf "Bis Zum Tod" schmachtet Dero von Oomph als Duettpartner mit. Der Song klingt auch wie eine typische Oomph-Ballade.

Auf dem Rest des Albums geht es hiernach nur noch bergab. "Engel" geht stimmlich und kompositorisch stark in Richtung der frühen Tokio Hotel. Wer sich an deren "Rette Mich" erinnert fühlt, liegt so verkehrt nicht. Bei "Wie Im Traum", "Ohne Dich" und "Dein Licht" ist die Ähnlichkeit zu deren schnellen Tracks und dem Monsun-Gesang Bill Kaulitz' sogar wie aus dem Gehör geschnitten.

Ohnehin ist der Gesang Mina Harkers der Hauptschwachpunkt des gesamten Tonträgers. Die Strophen singt sie konstant zu tief. Bei zu haltenden Tönen gleitet die Stimme zum Ende entweder zu weit nach oben oder nach unten ab. Die Phrasierung ist abenteuerlich und schief wie ein Castingshow-Recall. Wer den Refrain von "Tränen" und die Strophe von "Nacht" übersteht, ohne akustisch seekrank zu werden, ist hart im nehmen.

Die instrumentale Seite macht es nicht besser. Es gibt praktisch nur zwei Variationen. Wo nicht die Teenieband- rrangements zu hören sind, klingt alles sehr nach Evanescence-Outtakes. Die Melodien bewegen sich aber sämtlichst im unteren Bereich des Schlagerniveaus. Ein Lied wie "Fühlst Du mich" ist von solcher Schlichtheit, dass die metallischen Gitarren und billigen Konservenstreicher nicht einmal mehr zur Ablenkung taugen.

Absolute Krönung dieses Werks sind die Texte der Band. Mina Harker versprechen dem Hörer düstere Welten, geheimnisvolle Mythen und Sagen. Dabei kommen letztendlich Plattitüden heraus wie "Ich kämpfe mich durch den Nebel; in meiner Welt bin ich geknebelt" Oder: "Das Meer ist wie ein Vampir. Es lauert in der Nacht (...) Mein Herz beginnt zu frieren; ich werde dich verlieren". Ein Lektor wäre hier hilfreich gewesen.

Diese CD hat mit Gothic und allem, was es kulturell verkörpert, nichts zu tun. Der musikalische Gehalt ist kompositorisch nicht der Rede wert. Der Gesang ist zum weglaufen und ein stilistischer Wiedererkennungswert existiert nicht. Die Anschaffung kann man wirklich niemandem guten Gewissens empfehlen. Aber wer sich zu schlageresken Stromgitarrenriffs ein wenig von quietschender Pennäler-Lyrik anschreien lassen möchte, ist damit sicherlich gut bedient.

Trackliste

  1. 1. Tiefer
  2. 2. Letzter Kuss
  3. 3. Bis Zum Tod (feat. Dero Von Oomph!)
  4. 4. Engel
  5. 5. Wie Im Traum
  6. 6. Nacht
  7. 7. Nebel
  8. 8. Tränen
  9. 9. Ohne Dich
  10. 10. Dein Licht
  11. 11. Fühlst Du Mich

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2 Kommentare

  • Vor 15 Jahren

    Dracula würde wohl lieber im Sarkophag bleiben und selbst Bram Stoker sich im Grabe herumdrehen, würde er diesen schmalzigen Klischeeschmalz zu Ohren bekommen.

    Das Duo bedient sich hier des Namens der Hauptfigur aus dem gleichnamigen Roman. Dracula wird durch seine Geliebte Mina Harker von seinem Dasein als Vampir erlöst.

    Je mehr ich nun aus dieser Scheibe zu hören bekomme, hoffe auch ich Erlösung durch Mina Harkers Hand zu finden.

    Oh bitte, erlöse mich von der überaus schlechten klischeebehafteten, nichtssagenden und kitschigen Lyrik.

    Die Songs plätschern nacheinander gleichmäßig ohne Höhepunkte und Abwechslung dahin.

    Dem Album hilft es auch nicht viel weiter, dass Dero dem Duo bei dem Song - Bis der Tod - unter die Arme greift.

    Die rockigen Gitarren dominieren zwar etwas aber der Rest ist leider eher Durchschnitt.

    Heutzutage fragt man nicht mehr , was ist Gothic, sondern man stellt sich die Frage was ist kein Gothic.

    Und bei dieser Frage gibt es bei diesem Album von mir auch eine eindeutige Aussage:

    Tiefer ~ von Mina Harker ist ein explizites Beispiel dafür, was nicht zu Gothic gehört.

    MfG
    Femme

  • Vor 15 Jahren

    Mina Harker als Name klingt eigentlich vielversprechend. Ich steh' doch gern mal auf Dunkelkitsch.

    Aber fällt Ende der Woche nicht die unverwüstliche Doro Pesch zurück ins Leben? :D

    Vielleicht ein besserer Griff. :p