laut.de-Kritik

Die Großmäuler setzen dir ein "Revolver" an die Brust.

Review von

Während sich Blurs Damon Albarn im Jahre 2005 zum wiederholten Mal mit dem Vertonen niedlicher Comic-Clips verdingt, setzen uns Oasis mit "Don't Believe The Truth" ihr "Revolver" an die Brust. Am deutlichsten aufs 1966er-Beatles-Album fingerzeigt das von Gem Archer geschriebene "A Bell Will Ring". Inspiriert von Lennon/McCartneys "Tomorrow Never Knows" trägt der Nebengitarrist seinen Song zum siebten Oasis-Werk bei.

Auch ein Andy Bell gehört zur großen neuen Oasis-Songwriter-Familie. Sein Opener "Turn Up The Sun" schmeckt nach Sonne und Alkohol bei großen Freiluft-Auftritten; mit "Keep The Dream Alive" schreibt der Bassist eine Magical Mystery Tour-B-Seite, für die er sich von George Harrison sicherlich ein Schulterklopfen abgeholt hätte.

Dank der ersten Single-Auskopplung "Lyla" erinnert sich jetzt auch Rock-Opa Rüdiger wieder, wie schön es damals war, auf dem Stones-Konzert während "Street Fighting Man" mit Rita in der Ecke liegend zu knutschen. Trotzdem bleibt "Lyla" (mit Ringo Starr-Sohn Zak Starkey an den Fellen) der schwächste Song auf dem Longplayer.

Die Stimme des Volkes Liam Gallagher mausert sich ebenfalls zum ernstzunehmenden Songschreiber. Drei Stücke finden letztendlich ihren Weg auf DBTT: Im kurzen, herrlich dreckig dahingerotzten "Meaning Of Soul" versteckt sich ein klitzekleines Bisschen vom Jaggerschen "All Right Now" aus "Jumping Jack Flash". Die Liverpooler Pilzköpfe wiederum kriechen bei "Love Like A Bomb" aus den Boxen und erschlagen mit wunderprächtigen Harmonien die Zuhörer. "Guess God Thinks I'm Abel" ist ein Epos traditioneller Liamscher Prägung. Very touching erzählt Liam von der Beziehung der ungleichen Brüder ("No one can break us, no one can take us"). Anders als bei seinen bisherigen Versuchen dümpelt der Song allerdings gar nicht bemüht vor sich hin, sondern findet bei Minute 2:52 sogar das Überraschungsmoment des Albums. Respekt, Liam.

Noel zum Oasis-Gesamtkonzept: "Wenn mir damals jemand gesagt hätte, in zwölf Jahren bist du in einer Band mit deinem Bruder und zwei karottenknabbernden Zauseln, die sich nicht mal für Fußball interessieren, hätte ich gesagt, verdammte Scheiße, ich steige doch nicht bei den Bee Gees ein."

Beatles, Stones, Kinks und Konsorten: Meilensteine aus 50 Jahren Pop gelingsicher durch den Oasis-Fleischwolf zu drehen, war schon immer Noels großes Hobby. In "Mucky Fingers" scheint sich der zweite Neuschlagzeuger Terry Kirkbride als Mo Tucker durch ein Gallagher-Cover des VU-Klassikers "I'm Waiting For My Man" zu trommeln, während Noel am Mikro den meckernden Dylan gibt. Ein Akkord auf dem Weg zum Glück.

Noels Songschreiberqualitäten manifestieren sich in der Outro-Hymne "Let There Be Love", bei der sich die Brüder in den Strophen abwechseln, oder auch in "Part Of The Queue", für das er sich bei "Golden Brown" von den Stranglers bedient. Rein in den Laden, dem Verkäufer seine Absichten erklärt, die Ware unter den Arm geklemmt und mit einem Lächeln im Gesicht durch die Vordertür hinaus stolzierend klaut Noel sein Leitmotiv. Ohne sich verschämt am Kaufhausdetektiv vorbei zu schleichen.

Absoluter Höhepunkt der Platte ist allerdings Noels "The Importance Of Being Idle". Mit Kinksscher Songstruktur und einem Falsetto, bei dem Billy Corgan platzen würde vor Neid, steigert sich Herr Gallagher in einen kommenden Klassiker hinein. Ein ganz großer Augenblick, für den einige Oasis-Fans mit "Be Here Now", "The Masterplan", "Standing On The Shoulders Of Giants" und ein bisschen auch "Heathen Chemistry" dreieinhalb Alben überstehen mussten. Mad for it!

Trackliste

  1. 1. Turn Up The Sun
  2. 2. Mucky Fingers
  3. 3. Lyla
  4. 4. Love Like A Bomb
  5. 5. The Importance Of Being Idle
  6. 6. The Meaning Of Soul
  7. 7. Guess God Thinks I'm Abel
  8. 8. Part Of The Queue
  9. 9. Keep The Dream Alive
  10. 10. A Bell Will Ring
  11. 11. Let There Be Love

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