laut.de-Kritik

Trauerspiel statt finsteres Dark Ambient-Büfett.

Review von

Manche Soundtracks stimmen den Hörer ratlos. Das gilt gerade für die Scores von Hans Zimmer. Hollywoods Fließband-Komponist bot neben Geniestreichen schon etlich öde Routinevorstellungen. Für "Blade Runner 2049" arbeitete er zum siebten Mal mit Benjamin Wallfisch zusammen. Das Ergebnis hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck.

Das Positive: Zimmer und Wallfisch erzielten unter Zeitdruck ein annehmbares Ergebnis. Denn sie waren nicht die erste Wahl. Ursprünglich sollte Jóhann Jóhannsson die Musik liefern. Doch Regisseur Denis Villeneuve war alles andere als zufrieden mit den Vorlagen des Isländers. Er wollte einen Score, der stärker an Vangelis' legendäre Filmmusik des originalen "Blade Runner" von 1982 anknüpfte.

So wechselte man im Sommer kurzerhand die Pferde und vergab den Auftrag neu. Und im Zusammenhang mit den Bildern des Films kann sich das Ergebnis durchaus hören lassen. Wer sich vor der Mattscheibe befindet, empfindet die dräuenden Dark Ambient-Soundscapes als stimmig. Das Duo schafft es sogar einen Hauch Vangelis zu transportieren.

Neben Filmmusik gibt es auch ein paar Soundtracknummern. Das gelungene Düsterpop-Finale singt Lauren Daigle. Dazwischen finden sich Kulttracks von Elvis Presley und Frank Sinatra, deren Platzierung auf dem Album sich aus dem Filmkontext erschließt. Aus dieser Perspektive klingt alles stimmig.

Doch es gibt Schattenseiten: Sinatra, Presley und Zimmer funktionieren gemeinsam nur im Kino oder auf DVD/Blueray. Ohne die Dramaturgie und Pointe des Streifens harmonieren die verschiedenen Stile Rock'n'Roller vs. Crooner vs Ambient-Depression nicht im Geringsten. Erst recht nicht in der per Tracklist vorgegebenen Reihenfolge. Doch das ist noch das kleinste Problem.

Gerade die gelegentliche Ähnlichkeit mit Vangelis unterstreicht umso deutlicher, dass man es eben nicht mit dem großen Griechen zu tun hat, sondern lediglich mit dem Zweitaufguss aus Tinseltown. Das Fast-Plagiat wirkt umso ärgerlicher, da sich Vangelis derzeit dank seines Albums "Rosetta" ohnehin im dritten Frühling befindet. Er hätte hier sicherlich einen besseren Job abgeliefert.

Besonders stark ist der Kontrast, wenn man an Zimmers und Wallfischs wirklich guten Score zu Christopher Nolans "Dunkirk" denkt. Auf "Blade Runner 2049" wirkt dagegen vieles skizzenhaft und hingeschnipselt: Kaum eine Klangwelle dauert länger als zwei Minuten.

Da man von der Ideenlosigkeit des Duo ohnehin gelangweilt ist, kann dies, sarkastisch betrachtet, ein Vorteil sein. Verglichen mit passionierten Dark Ambient-Künstlern (aktuell etwa Tale Of Us mit "Endless") bleibt dieser Entwurf höchstens eine Musterschablone konventioneller Elemente aus dem Baukasten für Effekte.

Eine Ausnahme bildet zwar das zehnminütige Titelstück: Doch wer hat Zimmer bloß auf die Idee gebracht, zu Beginn diesen Wellbechhüttenbeat einzubauen (ähnlich dem vorherigen "Sea Wall")? Am Ende bleibt das finster gemeinte Büfett ein Trauerspiel, leider kein dystopisches.

Trackliste

  1. 1. 2049
  2. 2. Sapper's Tree
  3. 3. Flight To Lapd
  4. 4. Summer Wind
  5. 5. Rain
  6. 6. Wallace
  7. 7. Memory
  8. 8. Mesa
  9. 9. Orphanage
  10. 10. Furnace
  11. 11. Someone Lived This
  12. 12. Joi
  13. 13. Pilot
  14. 14. Suspicious Minds
  15. 15. Can't Help Falling in Love
  16. 16. One For My Baby (And One More For The Road)
  17. 17. Hijack
  18. 18. That's Why We Believe
  19. 19. Her Eyes Were Green
  20. 20. Sea Wall
  21. 21. All the Best Memories Are Hers
  22. 22. Tears In The Rain
  23. 23. Blade Runner
  24. 24. Almost Human

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7 Kommentare mit 8 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    aber musikexpress sagt: " ...dass der Soundtrack zu Blade Runner 2049 dem Vorgänger in nichts nachstehe." - musikexpress xD xD xD

  • Vor 7 Jahren

    Laso im Kino klang das ziemlich passend für den Film. Daher würd ich den jetzt mal positiver bewerten.

    • Vor 7 Jahren

      steht da auch:
      "Und im Zusammenhang mit den Bildern des Films kann sich das Ergebnis durchaus hören lassen. Wer sich vor der Mattscheibe befindet, empfindet die dräuenden Dark Ambient-Soundscapes als stimmig."

    • Vor 7 Jahren

      im Gegensatz zu diesem Score, kann man den von Vangelis auch pur (ohne Film) anhören. Der Score erzeugt beim Hören Bilder des Filmes.

      Für mich wäre es besser gewesen nicht Vangelis Score nachempfinden (kopieren) zu wollen. Johann Johannsson wäre eine gute Wahl gewesen. Damit hätte man die Chance gehabt etwas eigenständiges zu Schaffen.
      Das :
      "Jóhannsson hatte sich nach Aussage von Regisseur Denis Villeneuve zu weit von der Vorlage von Vangelis entfernt, der die Filmmusik für den Vorgängerfilm Blade Runner aus dem Jahr 1982 komponiert hatte."
      ist ist ein dummer Grund um Jóhannsson nicht zu nehmen.
      So ist es ein (schlechte)Kopie.

  • Vor 7 Jahren

    hier mal zum vergleich, was andere ambientkünstler ohne unbegrenztes budget und auch ohne inspirierendes filmmaterial abliefern; band ist im text verlinkt:

    https://www.youtube.com/watch?v=mlgL8qi6JPI

  • Vor 7 Jahren

    Der Ambient-Score orientiert sich schon klar an Vangelis, nimmt aber nicht den meterdicken 80s-Patina mit. Für Zimmer-Verhältnisse ist die Musik überraschend zurückhaltend, kein Lärm wie bei "Dunkirk".
    Aber für die Playlist ist das dann eben doch kein Soundtrack, nicht mal als Nebenbeibeschallung taugt er. Der Score funktioniert ohne die starken Bilder des Films nicht und hat auch keine Ohrwurmqualitäten. Die einzige erinnerungswürdige Musikuntermalung im Film ist "Can't Help Falling in Love" von Elvis.

  • Vor 7 Jahren

    Soundtracks rezensieren ist so ziemlich das Peinlichste, was es gibt. Man rezensiert den Film UND die Musik als Einheit. Soundtracks auf CD allein funktionieren fast nie. Muss man denn zu ALLEM seinen Stuss absondern? Ich geh jetzt mal den Film kucken. Und werd mir sicher nicht den ST kaufen. Vielleicht gibt es ja tatsächlich Leute, die sich zuhause mit geschlossenen Augen die CD reinziehen und sich dabei den Film vorstellen :-D Meine Güte ...!

  • Vor 6 Jahren

    http://ancientcave.blogspot.com/2018/09/in…

    Rutger Hauers eindringliche Performance im orginalen Blade Runner ist weltbekannt. Sein Einsatz als augmentierter Ermittler im Cyberpunksetting hat mich jedoch dazu veranlasst, einige Zeilen zu verfassen