laut.de-Kritik
Im Auftrag des Herrn unterwegs.
Review von Giuliano BenassiIn der Nacht zum 5. März 1982 war Billy Idol schwer beschäftigt: Im Alkohol- und Drogenrausch demolierte er akribisch seinen Bungalow im Garten des Chateau Marmont, einer beliebten Absteige für Stars und Sternchen in Los Angeles. Als er wieder zu sich kam, war es bereits hell. Blutüberströmt und splitternackt trat er auf die Veranda. Er hörte Sirenen.
Zu seiner Überraschung ließ ihn die herbeieilende Polizei jedoch links liegen und begab sich zu einem Gebäude in der Nachbarschaft. Dort war ein lebloser Mensch entdeckt worden. Wie sich später herausstellte, starb er an einem Speedball - und war zu diesem Zeitpunkt viel prominenter als Idol: der Komiker John Belushi. Mit 33 fand sein Leben mit einer unbeabsichtigten Überdosis an Kokain und Heroin ein jähes Ende.
Seine bekannteste Rolle bleibt die des knurrenden "Joliet" Jake Blues an der Seite seines kongenialen Partners Dan Aykroyd, der im Film seinen coolen Bruder Elwood spielt. Auch im wahren Leben waren die zwei eng verbunden. Seit Jahren schon gehörten sie dem Cast der Show "Saturday Night Live" an.
Den Grundstein für die Blues Brothers legten sie gleich an dem Abend, an dem sie sich kennenlernten: Belushi, der aus Chicago stammte, besuchte 1973 den Kanadier Aykroyd, um ihn zu einer Zusammenarbeit zu überreden. Selbst ein Komödiant, betrieb Aykroyd nebenbei einen Club in Toronto. Belushi fragte, was gerade für Musik laufe. "Du kommst aus Chicago und kennst den Blues nicht?", lautete Aykroyds folgenschwere Antwort.
1976 sangen sie zum ersten Mal zusammen vor der Kamera, allerdings noch als Bienen verkleidet. Bald tauschten sie die Kostüme gegen dunkle Ray-Ban Wayfarer und schwarze Hüte (beides eine Hommage an John Lee Hooker) sowie schwarze Anzüge mit schmalen Krawatten ein.
Was Ende der 1960, Anfang der 1970er wie musikalisch heißer Scheiß klang, war längst in den Tanzböden der Diskotheken und den Klos der Punk-Spelunken versickert. Mit dem missionarischen Eifer, Blues und Rhythm And Blues wieder aufleben zu lassen, stellten Belushi und Aykroyd eine hochkarätige Band zusammen, der unter anderen die Studiotruppe von Stax Records angehörte.
Die freute sich, dass sich überhaupt noch jemand für sie interessierte. In göttlicher Mission, wie sie selbst meinte, trat die Blues Brothers Band 1978 bei "Saturday Night Live" auf und erfuhr so viel Zuspruch, dass sie auf die Schnelle ein Album aufnahm. "Briefcase Full Of Blues" entstand im Vorprogramm des Komikers Steve Martin und landete sensationell auf Platz eins der US-Charts.
Den nächsten Schritt sollte ein Film darstellen. Aykroyd nahm sich sechs Monate Zeit und lieferte ein 324 Seiten langes Drehbuch ab, das den Beinamen "The Tome" (also, sarkastisch, "der Wälzer") erhielt. Regisseur John Landis benötigte einen weiteren Monat, um es auf ein normales Maß zu stutzen. Dass die Handlung dabei etwas unter die Räder geriet, war zweitrangig. Schließlich sollten die Gags und die Musik im Vordergrund stehen.
Als die Dreharbeiten endlich begannen, war viel Zeit vergangen. Universal Studios stellte ein brauchbares Budget zur Verfügung, das sogar große Mengen Kokain vorsah. Landis, der Belushi bereits 1978 in "Animal House" vor der Kamera herumgescheucht hatte, vor allem aber wegen seines spektakulären Videos zu Michael Jacksons "Thriller" (1984) bekannt wurde, brauchte nur wenige Tage, um es zu verbraten.
Allein für die Verfolgungsjagd gegen Ende des Films gingen an die hundert Autos drauf, im gesamten Streifen waren es 103. Auch Belushi trug seinen Teil bei: Immer wieder verschwand er spurlos im Drogen- und Alkoholrausch und legte das Set lahm. Zudem soll er mehrere Hundert Sonnenbrillen verlegt oder verloren haben.
Musikalisch lief es dagegen wie am Schnürchen. Beeindruckend, welche Liste an Hochkarätern Aykroyd und Landis aufboten, wenn auch in jener Zeit etwas in Vergessenheit geratene: James Brown trat als Prediger auf, Aretha Franklin als Betreiberin eines Diners. John Lee Hooker brummte als Straßenmusiker ins Mikrophon, Cab Calloway durfte sich als Einheizer versuchen, Ray Charles brachte als Instrumenten-Händler Chicago zum Tanzen. Es fehlte Little Richard, der es ablehnte, teilzunehmen.
Die Stücke stammten aus unterschiedlichen Quellen. Die großen Stars trugen mehr oder weniger bekannte Songs aus ihrem Repertoire vor. Bei Calloway war es sein Klassiker "Minnie The Moocher", den er bereits 1929 geschrieben hatte. Aretha Franklin landete 1968 mit "Think" einen großen Hit, John Lee Hookers "Boom Boom" stammte von 1961. Ray Charles, dessen Stern nicht gesunken war, versuchte sich mit Erfolg am eher obskuren "Shake A Tail Feather", James Brown am traditionellen Gospel "The Old Landmark".
Dafür, dass ihre Stücke wie aus einem Guss klangen, sorgte die außerordentliche Blues Brothers Band. Zu ihr gehörten unter anderen Steve Cropper (Gitarre), Donald "Duck" Dunn (Bass), Murphy Dunne (Keyboards), "Blue Lou" Marini (Saxophon), Matt "Guitar" Murphy (Gitarre) und Alan Rubin (Trompete). Keine einfache Aufgabe, mussten sie auch Genre-fremde Stücke wie das Instrumental "Peter Gunn Theme" (von Komponist Henry Mancini) und "Rawhide", der Titeltrack der Fernsehserie "Tausend Meilen Staub", integrieren.
Die bekanntesten Nummern sind aber die mit Belushi und Aykroyd an Mikrophon und Mundharmonika: "Gimme Some Lovin" der Spencer Davis Group, Solomon Burkes "Everybody Needs Somebody To Love" sorgen bei Partys unvermindert für gute Laune wie auch Elvis Presleys "Jailhouse Rock". Mit "Sweet Home Chicago" huldigten sie nicht nur Belushis Heimatstadt, sondern auch einer Blues-Legende, Robert Johnson.
Der Soundtrack-Klassiker entwickelte bald ein Eigenleben. Als der Film 1980 erschien, holte er an der Kasse die enormen Ausgaben wieder herein und wurde zum Kult. Die Band war noch zwei Jahrzehnte später mit wechselnden Frontmännern und Instrumentalisten auf Tour. 2000 versuchten sich Landis und Aykroyd an einer Fortsetzung, doch der Zauber war verflogen: "Blues Brothers 2000" floppte, wie auch der Soundtrack, auf dem neben Aretha Franklin unter anderen Taj Mahal, Wilson Pickett, Sam Moore und Dr. John zu hören waren. Auch sie konnten die Blues Brothers nicht wiederbeleben, die im Prinzip mit John Belushi gestorben waren.
Für Billy Idol hatte der Tod der Komikers übrigens positive Folgen: Seine nächtliche Aktion ging im einsetzten Medienrummel unter. Statt hochkant herausgeworfen zu werden, wie er es wohl verdient gehabt hätte, bekam er einfach einen anderen Bungalow zugewiesen.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
8 Kommentare
Schöne Review zu einem würdigen Meilenstein. Die Blues Brothers haben vielen Menschen RnB und Blues nähergebracht, was ein großer Verdienst ist.
Alle verfügbaren Daumen nach oben!
5 Sterne für den Film, 3 fürs Album. Da fehlen Stücke (u.a. "I Can't Turn You Loose" und "Boom Boom"), die ich gerne dabei gehabt hätte. Wahrscheinlich wollte man keine Doppel-LP daraus machen.
Später erschienen noch Alben mit "I Can't Turn You Loose", aber leider nie der vollständige Soundtrack.
totgenudelt bis zum geht nicht mehr.
geht heute nicht mehr!
Dieser Film war der Grund, warum ich als kleiner Junge mit dem Klavierspielen anfing
Wie oft wird den der alte Dreck noch zur Diskussion angeboten?