laut.de-Kritik
Chartshörig und überzuckert: "American Pie" für Elektro-Schrate.
Review von Ulf KubankeMit der Single "Fireflies" räumte Owl City letztes Jahr mächtig ab. Mastermind Adam Young betörte alle mit seinem naiven Charme: Vom pubertierenden Teeniegirl bis zum zickenbärtigen Indie schienen sich alle in die Musik des schlaflosen Amerikaners verliebt zu haben.
Daher gibt es offensichtlich keinen Grund, das bewährte Konzept künstlerisch auszubauen. Routiniert, überzuckert und abgeklärt klingt das neue Album folglich leider über weite Strecken. Hierunter leiden besonders die üppigen Harmoniebögen. Young fährt trotz selbst bekundeter künstlerischer Unabhängigkeit die abgezockt chartsorientierte Dance-/Elektropop-Schiene wie ein alter, satter Labelmanager.
Ergo: Fans und Gebrauchspop-Hörer vor dem Autoradio dürfen sich freuen. Gefälliger als "Alligator Sky" oder "Dreams Don't Turn To Dust" geht es kaum. Vor allem letzterer Song ist das unfreiwillige Armutszeugnis einer Generation junger amerikanischer Musiker, deren Songs in ihrer gesichtslosen Melodieführung vollkommen genreunabhängig zwischen Poppunk-Lavignes und Spears-Produkten lavieren. Unisex-Composing, nein danke!
Adam Youngs zumindest derzeit begrenzter kompositorischer Horizont weist ihn mit 24 Jahren eindrucksvoll als kulturelles Opfer einer gut geölten US-Labelindustrie aus, die seit zwei Dekaden erfolgreich alle Ecken und Kanten nivelliert. Am Ende klingt nicht alles, aber vieles nach "American Pie" für Elektro-Schrate. Schade.
Dabei gäbe es viele hervorragende Ansätze. "Kamikaze" etwa ist ein cherrybombiger Befreiungsschlag aus dem Popghetto langweiliger Schablonentracks. Auch ein schnurriges Liedchen wie "Hospital Flowers" geht als konventioneller aber immerhin nicht komplett backförmchenhafter Popentwurf durch. Berauschend ist das alles gleichwohl nicht. Vollkommen unverständlich, warum ein angeblich fantasievoller Bastler aus der Eremitenabteilung nerdiger Sonderlinge in vorauseilendem Gehorsam alles eliminiert, was ihm eine eigene Identität gegeben hätte.
Young hat sicherlich keine große Stimme, dafür aber eine angenehm warme Gesangslinie. Statt diese Stärke auszubauen, ertränkt der Eulenmann seine Vocals jedoch komplett im ungemein nervigen Missverständnis tausendfach aneinander gereihter Cher-Effekte. Das flächendeckende Autotuning zerstört jeden organischen Ansatz. Natürlichkeit? No Way! Selbst ein zuverlässiges Song-Kuscheltier wie Jack Johnson wirkt neben Owl City wie Lemmy.
Die Duette "Honey And The Bee" und "The Yacht Club" stehen exemplarisch für das Scheitern des zum Feelgood-Guru hochgejazzten Jünglings aus Owatonna. Statt den Stimmen der Gastsängerinnen allen erforderlichen Raum zu geben, das jeweilige Thema kongenial in Szene zu setzen, degradiert Young beide Damen zu puppenhaft verfremdeten Showroom-Dummies. Schauderhaft!
Die ewig gleiche Methode, ländliche Großraumdisko mit ein wenig 80er Flair und prähistorischem German Clubsound zu vermählen, büßt auf diese Weise jeglichen Charme ein. Wenn Young nicht aufpasst, kann er in dieser engen Soundschublade schnell vom stillen Genius zur verhuschten Gurke mutieren. Es wäre schade um den schüchternen Sympathikus.
Denn ganz zum Schluss lockert Young Adam überraschend den Würgegriff der Zuckerstange. "Plant Life" offenbart uns einen Blick auf so etwas wie Singer/Songwriter-Talent. Das Lied überzeugt im Ansatz mit seinen Verzierungen und einer netten Hook zumindest als elektronisch verspielter Zwilling typischer Maroon 5-Schemata. Also bitte mal wieder der guten alten Insomnia frönen, bis alle Selbstbeschränkung sich schlaftrunken auflöst und die eigene Klangfarbenpalette zum echten Künstlertum erweitern. Bis dahin ist Owl City nichts als ein mediokrer Irrpfad zwischen musikalisch weltfremder Provinz und abgezocktem Formatradio-Kalkül.
7 Kommentare
Flächendeckendes Autotune = EPIC FAIL
Review stimmt vollkommen, im gegensatz zum Vorgänger Album fehlt der Platte einfach was entscheidendes.
Also auf ein neues.
ich find die geil, insb. kamikaze und galaxies.
ohne das Album jetzt zu kennen, aber ist der Autor der Meinung, dass jegliche Pop Musik verkopft zu sein hat - a la Radiohead ? Wenn ich Radio an habe, dann will ich Musik haben, die nicht stört. Höre ich CD, dann will ich Musik bei der man mich nicht stört. Beide Musiken sind grob unterschiedlich und haben beide Ihre Berechtigung. Ob Kunst oder nicht Kunst
wenn du beides nicht kennst, wird die diskussion ja nun auch nicht gerade leichter....
ich bitte auch, den text richtig zu lesen - d.h. ohne selbstmanipulation!
liest sich diese rezi verkopft? wie ne spexluschen-kiste? ich hoffe nicht.
dennoch ist popmucke einfach schöner, wenn leute diese, durch diese und mit der popmusik etwas zu sagen haben, das berieselt ohne zu langweilen. pop darf nicht verkopft; muss aber sinnlich sein, wenn er was taugen soll.
andere können das;
http://www.laut.de/Paul-Simon/So-Beautiful…
http://www.laut.de/Phil-Collins/Going-Back…
http://www.laut.de/Brandon-Flowers/Flaming…
Ich sehe Adam Young nicht als Opfer der Plattenindustrie. Ich glaube, der macht genau die Musik, die er machen will. Mir persönlich würde das ALbum ohne autotune oder melodyne oder was auch immer er verwendet vermutlich wirklich gefallen. So find ich es nervig.