laut.de-Kritik
Lebendige und nachdenkliche Töne zum Innehalten.
Review von Toni HennigSeit Jahren erforscht die in Brighton lebende Musikerin Poppy Ackroyd auf ihren Alben die Möglichkeiten des Klaviers. Dabei "verbrachte sie genauso viel Zeit mit der Bearbeitung und Manipulation von Aufnahmen wie mit dem Komponieren am Piano", erzählt sie. Für ihr viertes Album "Pause", das nun auf den Markt kommt, hat sie sich aufs Komponieren beschränkt.
Die Platte entstand während der Pandemie und nach der Geburt ihres ersten Kindes und versammelt zehn Soloklavierstücke: "Nachdem ich meinen Sohn bekommen hatte, fiel es mir schwer, Zeit vor dem Computer zu verbringen. Das Einzige, was ich machen wollte, solange er noch klein war, wenn ich nicht bei ihm war, war Klavier spielen. Tatsächlich wurde ein Großteil des Albums geschrieben, während er in einem Tragetuch auf mir schlief und ich jeden ruhigen Moment zum Komponieren nutzte. Es war daher nur konsequent, dass dieses Werk ein Solo-Klavieralbum sein sollte."
Nach dem Schreiben übte sie die Stücke mehrere Monate ein, um sie völlig flüssig spielen zu können: "Ich wollte eine Leichtigkeit und Mühelosigkeit bei den Aufnahmen, die nur nach vielen Stunden des Übens zu erreichen war."
Diese Leichtigkeit merkt man der Platte auch an, die im Albumtitel Bezug auf die Pandemie nimmt, in der das normale Leben vorübergehend stillstand. Das vom Frühling in Brightons Queen's Park inspirierte "Seedling" leitet das Werk farbenprächtig ein. Die Nummer beginnt mit einer ruhigen Melodie und gewinnt nach und nach mit leichtfüßigen Akkordfolgen immer mehr an Lebendigkeit. Am Ende kehrt die Britin wieder zur Anfangsmelodie zurück, so dass sich der Kreis schließt.
Deutlich nachdenklicher gestaltet sich das folgende "Suspended", mit dem sie ein trostloses Bild einer eingeschlossenen Stadt aus der Vogelperspektive zeichnet. Die Nummer spielt sie mit beiden Händen innerhalb des Pianos. Dabei legen sich ruhige gezupfte Akkorde, die schon fast nach einer Akustikgitarre klingen, über eine einsame Melodie. Den gezupften Akkorden begegnet man auch im weiteren Verlauf hier und da.
"Murmurations" schließt an das Thema an und bringt die kollektive Bewegung von Staren zum Ausdruck. Dementsprechend durchziehen repetitive, frei vor sich hinfließende Töne das Stück. Lebendige und nachdenkliche Nummern wechseln sich auch danach ab, wodurch eine besondere Dynamik entsteht.
Beim Titelstück steht die Zeit nahezu still, wenn melancholische, sparsame Klänge eine gezupfte, fragile Melodie begleiten. Demgegenüber besitzen die klaren, hellen Akkorde in "Release" etwas Wärmendes wie Sonnenstrahlen. Als weiteres Highlight erweist sich "Stillness", das mit bedächtig gesetzten, friedvollen Tönen alle Hektik vertreibt. Mit "Flutter" geht es wieder mit kreisenden, farbenprächtigen Sounds zurück in die Natur. "Unravel" beendet das Werk mit einer melancholischen Melodie und sparsamen, gezupften Akkorden auf sanfte Weise.
Am Ende bleibt ein überaus menschliches Album, das eine gute Gelegenheit bietet, um innezuhalten und sich in Ruhe auf das zu besinnen, was wirklich wichtig ist.
2 Kommentare
Eine schöne CD - sie macht nicht viel anders als die meisten minimal Komponisten, außer ab und an extended techniques beim Klavier zu benutzen - für die Ohren wesentlich weniger gruselig und acquired Taste als die meiste Musik in der Sparte. Mir persönlich gefällt das Klavier im modern Jazz und Klassikbereich besser im Kontext mit anderen Instrumenten, wie bei the bad plus oder GoGo Penguin. Wenn man nicht kompositorisch extrem was herausholt, wie Philip Glass bei den Etüden oder John Adams bei seinen Themenstücken, dann kann minimal music manchmal etwas "wässrig" und plätschernd wirken, was hier stellenweise passiert. Trotzdem lohnenswert, reinzuhören - ich würde auch 3,5 oder 4 geben!
@Xc: gut formuliert. Und ja "manchmal etwas sehr "wässrig" und plätschernd.