laut.de-Kritik
Gefangen im ganz falschen Film.
Review von Kay SchierSelten hat mich ein Album so ratlos zurückgelassen. Was will uns der Künstler hiermit sagen? Man möge mich aufklären: Stand das Pseudonym Prinz Porno schon immer für einen müden Gangstarapabklatsch auf Beats, für deren Beschreibung ein Superlativ von "lauwarm" erfunden werden müsste? Falls ja: Wieso war er für sowas mal beliebt? Und falls nein, wie genau gelangen ihro Majestät Porno plötzlich zur Vorstellung, er sei in irgendeiner wie auch immer gearteten Weise "Street" oder "Trap" oder habe irgendeine Form von "Credibility"?
Nur um das klarzustellen: Ob Friedrich Kautz sich wirklich eines Lebens in Saus und Braus erfreut, im Christian Dior-Mantel über die Sonnenallee flaniert, in Kreisen der Unterwelt wie in der Schickeria gleichermaßen selbstverständlich verkehrt, ist hier völlig egal. Ich halte es für nicht sehr wahrscheinlich, aber man weiß ja nie. Was "Mit Abstand" zur kreativen Totgeburt macht, ist der Umstand, dass man ihm diese lyrische Rolle nie, nie, niemals nicht abkauft. Ich meine, "Ferrari in Orange / ihre Haare platinblond / ich fühl mich auf dem Beat so wie der Pate in der Bronx", ja ja, schon recht. Das Gefühl will man ihm ja auch gönnen. Aber dermaßen uninspiriertes, zu einem großen Teil von anderswo abgekupfertes Gelaber über Auto, Uhr und ein angebliches Ego, wie auf "Mit Abstand" vorgeführt, will dieses Gefühl beim besten Willen nicht aufkommen lassen.
Die Kollegen bescheinigten Herrn Kautz in seiner Lyrik schon öfter eine Entwicklung hin zum überaus Unkonkreten. Mit diesem Release dürfte die Austauschbarkeit seiner Texte ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht haben, vielleicht auch ihren endgültigen.
Ob es noch Flacheres als Plattheiten wie "Ich rufe Halleluja / fresh wie Joghurt Pfirsich-Maracuja" oder "Olivenöl, Weißbrot und Vino / ich respektier' neben mir nur Al Pacino" geben kann, erscheint physikalisch fragwürdig. Lesen sich die Kautzschen Zweckreimketten auf dem Papier aufgrund ihrer massiven Sinnbefreitheit noch irgendwie unterhaltsam ("Zehn Minuten nachdem ich den Cappuccino exe / fällt dein betäubter Körper in die Kappuzinerkresse / deine Kollegen schwören sie werden dich nie vergessen"), verlieren sie vertont leider einiges von ihrem dadaistischen Reiz, denn Prinz Porno flowt hier entweder so energetisch, als sei er gelangweilt davon, dass ihm gerade die Füße einschlafen, oder er gibt eine ziemlich deplatziert wirkende Fler-Imitation zum Besten ("Terrorbyte"). Zwischendurch versucht er sich auch an Mumble Rap ("Laokoon"). Also, gemeint ist Prinz Porno. Versucht sich an Mumble Rap. Sacken lassen.
Deplatziert, befremdlich, wirken auch die arabischen Einsprengsel, hie und da ein launiges "Inshallah" oder "Mashallah", und wie er von seinen "Akhis" schwadroniert. Man muss keine große Debatte um Kulturelle Aneignung lostreten, um sich darauf zu einigen, dass es nicht wirklich klargeht, wenn Friedrich sich derart entäußert. Soll er mit seinen Jungs so reden, wenn sie damit cool sind, auf Platte kommt das einfach nur saupeinlich. So plump, wie er die lyrischen Codes von aktuellem Gangstarap kopiert ("Was soll ich warten, Bruder, irgendwann sterb ich eh / im nächsten Leben trage ich kein Portemonnaie"), könnte man sich aber auch deutlich länger darüber aufregen. Besonders beschämt ist man von den den beiden Tracks mit Samra ("Dead Kennedys", "Baldessarini"), da merkt man nämlich, wo Prinz Porno das ungefähr her hat.
Der Unterschied zwischen den beiden: Aus Samra wird in diesem Leben vielleicht kein zweiter Tupac mehr, aber er fühlt die Sachen, die er da von sich gibt, und deswegen hört man ihm für einen Part lang sehr gerne zu. Kautz wirkt einfach nur wie der selbsternannte "coole Lehrer", die Käppi um 180 Grad nach hinten gedreht, den die Neuntklässler vom Joint ziehen lassen, damit er nicht wieder anfängt, sie mit seiner "Street Knowledge" vollzulabern. Er provoziert damit ein permanentes "Im falschen Film"-Gefühl, so als würde man sich ein öffentlich-rechtliches Remake von "4 Blocks" ansehen, in dem nicht Kida Ramadan Toni Hamadi spielt, sondern Heino Ferch.
Welche Rolle er auch beherrscht: Onkel Axel auf der Familienfete. Gibt nach fünf Kurzen Ratschläge in Sachen Beziehung zwischen Mann und Frau ("Nur wenn man wirklich immer wieder aussiebt / hat man irgendwann eine die nie auszieht"), fängt nach sieben an, Luftgitarre zu spielen ("Jeder Motor klingt wie 'ne AC/DC-EP / Ve-ni, Vi-di, Vi-ci"), und ab dem Achten wirds dann langsam richtig belastend ("unterscheiden wie Always Ultra").
Wie schon angedeutet, retten auch die Beats nichts. Wenn auch nach dem dritten Durchgang nichts hängenbleibt außer der Erinnerung daran, wie man Jazz nicht samplen sollte ("König vom KaDeWe"), ist das kein gutes Zeichen. Das ist schlicht Trap-Stangenware, einmal mit bisschen Piano, Synthies und deep. Versuchte Anklänge etwa an Travis Scott ("Mond") bleiben nur aufgrund ihrer Unbeholfenheit im Gedächtnis haften. Zudem klingt die Platte einfach schwachbrüstig und uninspiriert abgemischt, die Bässe wirken flach, der Sound beschnitten. Um ein aktuelles deutsches Release zum Vergleich zu nehmen: An "Golem" kann man einiges kritisieren, auch gerade, was die Beats angeht, aber zumindest sind sie in Sachen Soundtexturen und Mixing auf einem Level produziert, für das man sich in Amerika nicht in Grund und Boden schämen müsste. Und den direkten Vergleich mit den Amerikanern provoziert Prinz Porno nun einmal, wenn er sich an ihrem Sound bedient.
"Sag was machst du jetzt, Akhi / ich rappe mein Leben auf die Festplatte / mache nichts dazu und werd' nichts weglassen": Den Anspruch, den Prinz Porno ganz zu Anfang von "Mit Abstand" erhebt, unterbietet er nicht nur, er macht nie erkennbare Anstalten, ihn einzulösen. Warum er dieses Album gemacht hat, man weiß es nicht. Einerseits ist die Vorstellung schon unterhaltsam, dass Friedrich Kautz in einer Wahnwelt gefangen ist, in der er sich für einen toughen Battlerapper hält, der von der Straße geachtet und von Topmodels begehrt wird. Andererseits ist sie auch ziemlich deprimierend. Man möchte sich nicht weiter mit ihr beschäftigen.
18 Kommentare mit 19 Antworten
Und es hört einfach nicht auf.
"Unterscheiden wie Always Ultra"
Friedrich Kautz bekommt von mir dank dieser Punchline anstatt 0/5 immerhin 1/5 Punkte.
Musste auch schmunzeln
Ansonsten aber anscheinend wack af, alleine die Akhi-Lines...
Natürlich wack af, aber das war doch davor klar, oder?
Und auch hier nur Shishabarbeats - wenn selbst Pi/Porno auf den Apaches dieser Welt mitreitet: wo soll das hinführen?
"Olivenöl, Weißbrot und Vino / ich respektier' neben mir nur Al Pacino"
Kann man DAS ernsthaft auf dem Album hören?
Das und andere Textbeispiele aus der Review haben mich jetzt doch neugierig gemacht. So zu texten wie Moneyboy anno 2010 zollt mir Respekt ab oder ist Meisinger jetzt als Ghostwriter unterwegs?
Respekt kann man wohl eher nicht "abzollen"
War beim ersten Durchhören jetzt kein überwältigendes Werk, aber für zeitgemäßen Deutsch-Rap aber auch nicht fürchterlich.
Aber der Friedrich ist wirklich ein wenig seltsam: Als er noch den Golfhandschuh-tragenden Snob-Prinzen imitiert hat, hat er konsequenterweise nicht mit den anderen Berliner Schmuddelkindern gespielt. Inzwischen ist der Ferrari wirklich in der Garage, aber dafür mindertalentierte "Straßenrapper" auf dem Album.
Man merkt beiden Releases an, dass er einfach satt ist und zufrieden mit sich und der Welt. Der Zwang mit der Mukke noch Kohle zu machen ist geringer geworden, er designt gefühlt 3/4 der Deutschrapcover, hat mit Fler ne scheinbar recht ordentlich laufende Modelinie...vllt sollte Friedrich es mit Musik gut sein lassen und zum würdigen Abschluss unreleasede Sachen aus den Jahren 99-08 raushauen. Wird er aber vermutlich nicht, sondern noch 10 weitere Grausamkeiten getarnt als gesammelte Werke auf die Welt loslassen. Btw, bei seinen letzten 2-3 Pi Releases kann man die Tracks auch einfach hin und hertauschen wie man lustig ist, man würde es nicht merken, welcher Track von welchem Album ist. Gilt generell für die gesamte Szene momentan.