laut.de-Kritik

Mit Autotune und dicken RATM-Riffs gegen die Autokratie.

Review von

Make The World Rage Again!

So traurig der mutmaßliche Ausschluss Zack de la Rochas auch stimmte, so schlagkräftig erschien einem doch auch das Konzept der Prophets Of Rage: Trump als thematischer Aufhänger, Cypress Hill- und Public Enemy-Verstärkung als logische Konsequenz. Nachdem sich die Gebrüder Rage die letzten Jahre in den Proberäumen von Bruce Springsteen (Morello), Black Sabbath (Wilk) und Future User (Commerford) vertrieben haben, rauft sich das Instrumentalisten-Trio also wieder zusammen, um mal so richtig Kasalla gegen den Wahlkampf von Onkel Donald zu veranstalten.

So weit, so gut. Ein gutes Jahr später ist das Kind dann aber endgültig in den Brunnen gefallen: Die sprechende Föhnwelle sitzt trotz aller Bemühungen im Oval Office, wie Aufkündigung des Klimaschutzabkommens und diverse Drohgebärden gen Nordkorea eindrucksvoll beweisen. Warum also jetzt aufhören? Eben.

Unüberhörbar: Morello, Commerford und Wilk sind und bleiben eine verdammt eingespielte Groove-Maschine, die über die Jahre kein Quäntchen Tightness eingebüßt hat. Gemessen an den frühen RATM-Trademarks, die zu songdienlicheren Audioslave-Zeiten bloß gelegentlich durchschimmerten, ist "Prophets Of Rage" wohl das Beste, was die Supergroup im Jahr 2017 auf Platte pressen konnte. Aber ist das wirklich genug?

Die Vorabtracks und Album-Opener "Radical Eyes" und "Unfuck The World" vermitteln auf jeden Fall ein derartiges Gefühl. Von klassisch simplen Morello-Riffs flankiert spittet Chuck D mit Meisterflow und nicht ohne Wut drauf los, erreicht dabei aber eben nicht die – mimimi – aggressiven Stimmbandreibungen eines Zack de la Rocha. Dennoch: Hier stimmt der Groove, hier stimmen die Hooks.

"Unfuck The World" geht dann vielleicht auch noch als neues "Fuck you, I won't do what you tell me" durch, wie Morello jüngst im Interview beschrie. Muss ja nicht immer die große lyrische Revolution her, immerhin verkam der durch und durch authentische Autokraten-Hass bei RATM, Public Enemy und Cypress Hill auch in der Vergangenheit noch nie zum Selbstzweck. Leider schimmert selbiger dann erstmals im quäkigen Pseudo-Gesang der absolut berechenbaren Cannabis-Hymne "Legalize Me" durch.

Noch dünner gesät als der örtliche Hanfsamen sind dann die weiteren Lichtblicke der Platte: "Hail To The Chief" entertaint zunächst mit gut rollender Mid-Tempo-Hook, bis dann spätestens beim gänzlich abgekupferten "Bulls On Parade"-Scratching-Solo auch dem letzten Zeitzeugen klar wird, wie sorgenfrei man sich hier auf dem Erfolgspolster der Vergangenheit ausruht. Und das, obwohl das ehemals heilige Rage-Prinzip "all sounds made with guitar, drums, bass and vocals" mit der Integration von DJ Lord ja nun eigentlich über Bord geworfen sein sollte. Nur warum beschränkt sich die Beteiligung des Public Enemy-Beatmeisters dann beinahe gänzlich auf seinen Musikanten-Credit im Booklet?

Statt echtem DJing oder dezenten Samples gibt's dann mit "Take Me Higher" lupenreinen (und zuvor schon auf "Legalize Me" vermuteten) Autotune. Gemeinsam mit zeitgemäß peinlichem Vocal-Scattering und Morellos beliebigen Whammy-Tonleiter-Übungen wirft das ein beschämend blasses Licht auf das Erbe der drei einst so relevanten Polit-Rap-Eliten. Gedenkt man das einmalige Hook-Talent des Ex-Kumpanen de la Rocha derart uninspiriert ("Fired A Shot") zu ersetzen? Hoffentlich nicht.

Die Liste der Passagen, die auf "Prophets Of Rage" so richtig Laune machen, ist gar nicht mal so kurz. Kein Wunder, bei einem Tonträger, an dem ausnahmslos musikalische Wunderkinder beteiligt sind, die in den Achtzigern und Neunzigern die Grundpfeiler für die bis heute gültige Rap(-Rock)-Landschaft zementiert haben.

Und das Fundament steht bombenfest: Natürlich schüttelt dieser unscheinbare Gitarrist mit der Basecap noch immer mühelos rhythmisch hypnotisierende Riffs aus dem Ärmel. In seiner Substanz mangelt "Prophets Of Rage" jedoch viel eher an der Feinarbeit. Egal ob ewiges Oktaven-Pitching, "Bullet In The Head"-Sirenen-Gefiepe ("Fired A Shot") oder eben besagte unnütze Vokalmanipulationen.

Mit ihren altbekannten, aber nicht uneffektiven Instrumentaldemonstrationen stellen die Musiker sich (und ihren wenig kreativen Sound-Erweiterungen) immer wieder selbst ein Bein. Den Tracks, die es über dieses Hindernis hinwegschaffen, blüht sogleich dieselbe Sisyphusarbeit wie schon "Evil Empire" und "The Battle Of Los Angeles". Sie müssen sich – unfair wie die Hörerschaft ist – am absolut zeitlosen Rage-Debüt messen lassen. Und dem gegenüber gestellt macht "Prophets Of Rage" einen bisweilen schon fast blutleeren Eindruck.

Trackliste

  1. 1. Radical Eyes
  2. 2. Unfuck The World
  3. 3. Legalize Me
  4. 4. Living on the 110
  5. 5. The Counteroffensive
  6. 6. Hail To The Chief
  7. 7. Take Me Higher
  8. 8. Strength In Numbers
  9. 9. Fired A Shot
  10. 10. Who Owns Who
  11. 11. Hands Up
  12. 12. Smashit

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5 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 7 Jahren

    Es ist ja theoretisch schön, die alte Truppe mal wieder zu hören. Und zwei oder drei Songs fahren auch gut. Aber ein zu starkes déjà vu stellt sich alsbald ein. Und irgendwie lässt mich ein Gefühl des Opportunismus nicht los. Dann doch lieber die aktuelle Bodycount für 90er Crossover retro mit Charme. Die wirkte auch irgendwie authentischer, nicht so aufgesetzt. 2/4

  • Vor 7 Jahren

    hm, als aufgesetzt empfinde ich das nicht. eher im gegenteil: trotz durchaus lobenswerter haltung und politischer wucht bleibt das songwriting auf der strecke.

    signale, die die welt braucht trifft auf musik, die selbige eher nicht braucht. 2/5

  • Vor 7 Jahren

    Politische Attitüde gefällt mir, aber das ist dann doch alles etwas zu parolenhaft. Etwas angejahrt Daddyrockhaftes hat es auch noch. Dennoch: Alles gute Jungs.

  • Vor 7 Jahren

    Leider nicht ganz so gut aggressiv wie erhofft, dennoch eine tolle Platte und eine würdige Fortsetzung von Rage against the Machine und Audioslave.

  • Vor 7 Jahren

    Die Platte braucht etwas Zeit bis sie zündet. Anfangs vermisst man tatsächlich die Aggressivität eines Zack da La Rocha in Stimme und Text, die nun durch die zwei lupenreinen Rapper (die im Gegensatz zu Zack keine Hardcore/Punk Roots mitbringen) etwas gedämpft wirkt. B-Real und Chuck D konzentrieren sich auf ihre eigenen Trademarks, was richtig ist. Es wirkt gerade in Sachen Vocals nichts aufgesetzt oder erzwungen. Musikalisch wie zu erwarten eine Bank. Die Rhythmusfranktion ist grandios und Morellos Riffs / Solos wie gewohnt (zu meist) genial. Evtl. hätten der Platte 1-2 mehr Songs im Stil von "Strength in Numbers" gut getan, das von der Intensivität und Dynamik an die frühen Werke erinnert. Dafür setzt man nun auf neue Einflüsse z.B. in Form eine lupenreinen Funk Songs (Take me higher)
    Trotzdem, super Album. Hat meine Erwartungen übetroffen. 4/5