laut.de-Kritik
Soul, Funk, Blues, Hip Hop, R'n'B, Swing: Rory hat alles drauf!
Review von Kai ButterweckRory Graham alias Rag'n'Bone Man will eigentlich gar kein großes Aufsehen erregen. Dumm nur, dass alles an dem Briten genau das Gegenteil bewirkt. Ob er will, oder nicht, Rory zieht bereits beim morgendlichen Gang zum Bäcker alle Blicke auf sich. Da ist dieser massige, nahezu komplett mit Tattoos überzogene Körper, der im Verbund mit einem dicken Rauschebart und kurz geschorenen Haaren in etwa so gewöhnlich daherkommt, wie ein Midtempo-Song auf einem Slayer-Album. Wenn er dann auch noch seinen Mund aufmacht, ist der Jetzt-kommt-doch-bitte-alle-mal-wieder-ein-bisschen-runter-Drops endgültig gelutscht. Dann kleben nämlich alle an Rorys Lippen.
"Human" war sein erster Streich. Der mit einem Vodafone-Spot gepushte Moll-Diamant rotiert schon seit Wochen in den Charts. Nun legt Rag'n'Bone Man mit seinem Debütalbum nach. Und es dauert keine zehn Minuten, bis klar wird, dass die Insel hier mal wieder einen Künstler auf Reisen schickt, der etwas in die Waagschale wirft, das bereits Kollegen wie Jake Bugg oder auch Benjamin Clementine zu großen Erfolgen verhalf: nämlich Eigenständigkeit.
Sicher, mit seinem tiefen Blues-Organ weckt Rory Graham sofort Erinnerungen an Joe Cocker. Aber hier steckt noch viel mehr drin. Mit viel Groove, akzentuierten Bläsern und schnippenden Fingern zieht das Unschuldslamm aus Uckfield seine Kreise ("Innocent Man"). Drei Minuten später schickt er der großen Adele pompöse Grüße aus dem Chorus-Olymp ("Skin").
Hip Hop-Beats und Gospel-Chöre gesellen sich dazu. Aus Blues wird Soul. Und kaum ist der Puls wieder unten, klopft bereits der nächste Pate an die Tür. Die Frage, warum der gute Everlast immer noch durch kleine intime Clubs tingelt, wird spätestens nach Minute elf des Albums beantwortet. Was für ein Refrain! Wer während des Hauptteils von "Bitter End" keine Gänsehaut bekommt, der schreibt Gefühl mit "v" in der Mitte und verteilt Brennnesseln zum Valentinstag.
Trotz aller Referenzen steht Rag'n'Bone Man am Ende alleine da. Und genau das macht den Unterschied. Hier ist keine Kopie von X, Y oder Z am Werk. Hier versteht ein Künstler den Glanz von anderen zu vereinnahmen ohne dabei selbst im Schatten zu verschwinden. Mit seiner fesselnden Stimme schluchzt ("Love You Any Less", "Odetta"), singt ("Be The Man") und rappt ("Ego") sich Graham in die Herzen all jener, die sich morgens nach dem Aufstehen mit tiefschwarzem Edding die Begriffe Funk und Soul auf die Finger krakeln.
Der "Lumpensammler" schlendert mit großen Gefühlen, noch größeren Melodien und einer in sich ruhenden Moll-Wucht im Gepäck durch die engsten Genre-Gassen. Soul, Funk, Blues, Hip Hop, R'n'B, Swing: Rory hat alles drauf!
6 Kommentare mit 2 Antworten
Gleiches Problem wie seinerzeit mit Aloe Blacc. Ein talentierter, sympathischer Typ, dem man den Erfolg definitiv gönnen kann, dessen erste große Nummer aber dermaßen totgenudelt wurde, dass man irgendwie keine große Lust mehr hat, sich mit dem Rest zu beschäftigen.
Wenn man denn Radio hört..
Und ich liebe Platten mit um die 12 Tracks, ohne Bonus- und DiesDas-Sonderquatsch!
Das Album wirklich grossartig geworden. Ich als Soul Fan bin deutlich damit zufrieden. Tolle Songs und viel Intensität darin. Der Gute kocht sein eigens Süppchen. Grossartig.
hab die Videos geguckt. Wenn ich die Augen zumache, kommt mir das alles schon mal gehört vor. Irgendwie aus einer bekannten deutschen Sangesbegabungsmenschenzoosendung. So singt man heute eben, wenn man aufs Herz zum Angriff bläst. Dass das noch ein sympathisch tätowiertes Moppel ist, zeigt dann wieder die unglaubliche Authentizität des Protagonisten, da ja sonst kaum ein Alleinstellungsmerkmal.
Ganz schwierig aus dem momentan musikalisch Gebotenen was wirklich herausragendes zu finden. Wo bleibt Sean Lennons und Les Claypools neue Leidenschaft? Aber das nur am Rande.
Ich finds gut wenn ihr es auch gut findet.
Sonst find ichs eher langweilig.
Muss bei Human immer an BossHoss denken
Guter Song aber.
Album zündet bei mir nicht. Eigenständige Art und Weise.. ja, ok. Aber insgesamt war mir das alles doch zu glatt von den Songs her, fliegt wieder raus.
Die Single der Überhit, das Album nur langweiliger Durchschnitt. Vier Punkte sind zu viel dafür.