laut.de-Kritik

Stampfendes Donnergrollen übertönt Sanft- und Schwermut.

Review von

Der Rag'n'Bone Man lässt sich ordentlich Bass auf die Brustresonanz seines Edel-Falsetts legen. "The Right Way" sorgt bereits für einen geschmackssicheren und leidenschaftlichen Einstieg ins neue Album "What Do You Believe In?". Einen originell pulsierenden Mittelteil zum Durchatmen und eine witzig verstimmt klingende Akkordfolge gibt's im Opener inklusive. So streift die Platte schon frühzeitig den Verdacht von sich ab, mit simplen Pop-Mitteln die nächste Nummer Eins zu erzwingen. "Pocket", dann der Titelsong und das leicht elektrifizierte "Iron" halten das Niveau.

"Human" war immerhin eine Nummer Eins in 16 Ländern und bewegte in vielen weiteren, recht unterschiedlichen Kulturen die Massen - etwa in Neuseeland, im Libanon oder in der Ukraine. Der Rag'n'Bone Man verbindet. Ich bin immer noch der Ansicht, dass die Hookline von "Human" ein verkapptes Remake von "Blame On Me" von Toots Hibbert war. Aber sei's drum, es war für den guten Zweck, handgemachte Musik mit seelenvollen Texten zwischen all den artifiziellen Radio-Dancepop zu streuen.

Dass sich ein meist authentisch klingender Blue Notes-Songwriter bei einem Major-Label durchsetzen würde, kann man bis heute als kleines Wunder betrachten. "Human" war sein Debüt, "Life By Misadventure" ein semi-spannender Mischmasch aus Blues, Folk, Soul und Pop ohne große Überraschungen. Um so mehr verblüfft jetzt eine Steigerung: Durch und durch eingängig, aber kein bisschen ausgelutscht, setzen sich auf "What Do You Believe In?" melancholische und gleichzeitig bassstarke und dadurch kraftstrotzende Tunes durch.

"Hideaway" riskiert mit kleinen Anleihen bei Drum'n'Bass-Ästhetik und Simply Red-Keyboards einen Bruch zum ruhigen ersten Album-Drittel, und das ist gut so, um nicht einzulullen. Das pumpende "All I Know" führt als fragwürdig glatte Produktion ins Spannungsverhältnis aus nostalgischen Jugenderinnerungen eines 39-Jährigen und Konfrontation mit dauerndem Wandel in unserem Zeitgeist. Dieser Konflikt ist das Hauptthema des ganzen Longplayers. Rory a.k.a. Rag'n'Bone will sicher auch lebenslang lernen, wie wir alle irgendwie. Okay. Aber ob er das mit so viel Stampf und Pathos in unsere Ohren hämmern muss, ist genauso Stilfrage wie die erschreckend aufgeblasene Single "Rush Of Blood" mit dem Refrain "I feel the thunder roll tonight / like a rush of blood, oh-oh". Wirklich, jetzt? "Ich fühle heute den Donner tosen wie einen Blutrausch." Wie der Text, so das Lied - ein Fall für die Tonne. Sowas passiert, wenn zu viele Autoren mitmischen.

Trotzdem bekommt der herausragend klar trällernde Typ, der sich 'Lumpensammler' oder 'Trödelmarkthändler' nennt, im letzten Drittel die Kurve Richtung Gospel-Flair, und da stören dann auch die etwas plakativen Beats nicht mehr so wirklich. Aber eine gewisse Abnutzung des Tricks 17 kann man schon spüren, wenn die große Crew das Muster 'getragene Harmonien treffen brodelnde Bounce-Beats' wieder und wieder von Song zu Song durchnudelt. In "Put A Little Hurt On Me" hapert's auch im Handwerklichen. Da kämpft der Herr aus Heathfield leider etwas damit, dass er aus der Bariton-Lage nicht gerade geschmeidig in die zu hoch transponierten Höhen der Hook findet und dann gepresst und angestrengt wirkt. "Hope You Felt Loved At The End" schwitzt zum Schluss zwar in einer sehr fetten Streicher-Schwarte, ansonsten neigt die Platte zur Monotonie.

Es ist ein bisschen zweischneidig, ob man wohlwollend nicken soll, weil ein Album, an dem neun verschiedene Producer in sechs verschiedenen Konstellationen beteiligt waren, dann doch so rund und fast schon uniform tönt. Oder ob man sich eher wundern soll, dass so viel Diversität zwischen Leuten aus US und UK mit Pop-, Hip Hop- und Indie-Electro-Backgrounds zu einem Einheitsbrei führt, mit mal angenehm viel Wumms und mal entschieden zu viel Karacho. Die ausgewogenste Sound-Rezeptur trifft gleich am Anfang in "The Right Way" der Kollege Jamie Lidell hinter den Reglern, in feinstem Northern Soul.

Wer sich trotz mancher Makel für die Scheibe entscheidet, sollte wissen, dass es eine Deluxe-Version gibt, und die enthält das eigentlich schönste Stück vom Rag'n'Bone Man aus diesem Jahr, die Akustik-Fassung von "Lovers In A Past Life".

"Es gibt immer ein wenig Selbstkritik, aber ... bei dieser Platte empfinde ich das absolut nicht so. Stattdessen liebe ich jeden Aspekt des neuen Albums", meint der Künstler selbst, und das ist aber genau der Punkt: Es hat viele starke einzelne Lieder, es hat auch etliche gute Ansätze in den anderen, jedoch macht es nicht den Eindruck, als ob man sich das fertige Produkt als Ganzes selbstkritisch angehört und ihm den letzten Schliff verpasst hätte. Fazit: Netter Entwurf eines potenziell sehr guten Albums!

Trackliste

  1. 1. The Right Way
  2. 2. Pocket
  3. 3. What Do You Believe In?
  4. 4. Iron
  5. 5. Hideaway
  6. 6. All I Know
  7. 7. Rush Of Blood
  8. 8. Feeding All These Fires
  9. 9. Put A Little Hurt On Me
  10. 10. Chokehold
  11. 11. Wreckage
  12. 12. Hope You Felt Loved At The End

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