laut.de-Kritik

Endlich: das Solodebüt der Moloko-Sängerin.

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Allein die Chuzpe, mit dem abstraktesten Song des Albums zu eröffnen, zeugt von gehörigem Selbstvertrauen. Wie ein Wilder loopt und schichtet Madame M.s Erfüllungsgehilfe auf "Leaving The City" im Hintergrund Geräuschcollagen übereinander, aus denen Roisin Murphy zu aller Verwunderung noch Melodien zu stricken weiß. Immer im Mittelpunkt: Roisin, die Elfe, umringt von Trümmern einstürzender Neubauten. Mit Elektro-Pop hat das Ganze in etwa soviel zu tun wie das letzte Moloko-Album mit Trip Hop.

Sack Zement, der Herbert. Würde der Kerl nicht all seine Frickelarbeiten immerzu bescheiden in der dritten Reihe absolvieren, wäre er inzwischen sicher in etwa so omnipräsent wie Barbara Schöneberger. Indes: Matthew Herbert ging es schon immer um Inhalte. Gerade breitete der Londoner House-Producer mit seinem Album "Plat du Jour" seine Vorstellung von einem gesunden und garantiert CI-freien Obstmahl vor uns aus, da erfährt man, dass er nach Dani Siciliano erneut einer Frau den Rücken zu programmierte.

Mit Roisin Murphy handelt es sich diesmal allerdings nicht um seine Gattin, und auch kommerziell werkelt Miss Murphy auf höheren Ebenen. Moment, stop, dies gilt heuer wohl nicht mehr, höchstens noch für Murphys alte Band Moloko, deren Zukunft weiter ungewiss ist. Zu Ex-Kollege und Ex-Lover Mark Brydon pflege sie momentan keinen Kontakt, verkündet die Sängerin knapp. Ob mit ihrem neuen Londoner Studio-Buddy mehr Kommunikation nötig war als zuletzt mit Brydon, damit Herbert dem Solodebüt der extrovertierten Rothaarigen nicht seine oftmals schwer klackernden Trademark-Beats unterjubelt? Anyway, er tat's trotzdem.

Das Ergebnis ist denn auch ein eher nicht-kommerzielles, in der Summe aber schwer nachhaltiges Unterfangen: Murphys hairy Underground-Pop meets Herberts noisy Filter-Jazz. Ob zu Beginn des zirpenden "Dear Diary", wo sich Fahrradklingeln unter Knistergeräuschen einem Beat beugen, oder in "Night Of The Dancing Flames", wo quäkende Bläsersätze, Rauschkaskaden und Percussions um die Wette lärmen. Die Welt der Harmonie, man kennt das von Herbert, sie muss gestört werden. Nur aus dem Eckigen erwächst Konturenhaftes und Interessantes. So weit dürften die Vorstellungen des Produzenten und seiner Auftraggeberin vielleicht gar nicht auseinander gegangen sein, gilt doch auch Murphy als unangepasste oder zumindest eigene Chanteuse.

Man benötigt jedenfalls keine ausgeprägte Vorstellungskraft für die Anekdote, wonach Herbert die Sängerin zu Beginn der Zusammenarbeit aufforderte, einen Gegenstand mit ins Studio zu bringen, den sie dann laut gegen ihr Mikro schlagen solle (Sie kam ohne Kenntnis der Dinge mit einem Laptop!). Es wäre sogar kaum verwunderlich, hätte Herbert gar die alte Daum-Methode bemüht, Roisin barfuß über Nagelbretter zu jagen (und womöglich nahm er dabei gleich noch ihre Schreie mit auf). Fakt ist: So experimentierfreudig tobte das rothaarige Power-Mädel noch nie.

"Ruby Blue" besticht vielmehr in besonderem Maße durch ihre bekannte Neigung zu spröden, nicht sofort fassbaren Melodiebögen, die erneut eine um so tiefere Langzeitwirkung aufweisen. Konkurrenzlos sticht sicherlich Murphys Auftritt in "Through Time" heraus, einem kommenden Lounge Jazz-Klassiker, unnachahmlich die intonierte Leichtigkeit in "If We're In Love". "Sow Into You" und "Ruby Blue" lassen dagegen an alte Moloko-Floorfiller denken, ohne auch nur annähernd den zwingenden elektronischen Unterbau zu kredenzen.

Mit der anrührenden Pianoballade "The Closing Of The Doors" verabschiedet die Sängerin zunächst ihren alten Partner Mark Brydon, bevor auch der Hörer all das Erlebte erst einmal verarbeiten muss. Man ahnt jedoch recht schnell, dass das Pärchen Matthew & Murphy den Vorreitern Madonna & Mirwais in nichts nachsteht. Außer, wie gesagt, in kommerzieller Hinsicht. M&M - the time is now!

Trackliste

  1. 1. Leaving The City
  2. 2. Sinking Feeling
  3. 3. Night Of The Dancing Flame
  4. 4. Through Time
  5. 5. Sow Into You
  6. 6. Dear Diary
  7. 7. If We're In Love
  8. 8. Ramalama (Bang Bang)
  9. 9. Ruby Blue
  10. 10. Off On It
  11. 11. Prelude To Love In The Making
  12. 12. The Closing Of The Doors

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