laut.de-Kritik
Sean Paul bekommt endlich kompetente Konkurrenz.
Review von Philipp KauseZehn Jahre lang galt nur ein einziger Hybrid-Dancehaller als unangefochtener Surfer auf den Charts-Spitzen, Sean Paul. Bis ihm Major Lazer kurz das Wasser abgruben. Doch obwohl Diplo und Walshy als Team Geschichte sind, erobert der "Dutty Rock"-Star nicht alle Aufmerksamkeit zurück. Samora Souprayen, 31, zählt zur Avantgarde des Afrobeats- und Roots-getränkten Dancehall. Die surinamesische Holländerin ist bereit, zum global ting zu werden, wie man im Patois sagen würde, einem weltweiten Thema.
Bereits das sinnliche Intro zitiert Masterboy und La Bouche gekonnt. Härterer Eurodance blitzt im house'igen, euphorisch pumpenden "Rise" mit kessen, resolute Toastings und zeternder Hook auf. Unter dem vagen Sammelbegriff Afrobeats lassen sich das digital und blechern produzierte "Pon Di Front Road (Independent)", das Azonto-verwandte "Never Thought" und am Rande die Reggaepop-induzierte Afrofusion "Take It Easy" subsumieren. Im Afrobeats-Segment ist auch tuffarapha aktiv, mit dem "Too Bad with tuffarapha" entstand und der von der Schweiz aus die nigerianischen wie auch die Londoner Afro-Bashment-Welten durchforstet.
Auch Samora selbst residiert mittlerweile in der Schweiz, wo sie die Platte mit Produzent Kiro und mit Res Staudenmann, Strippenzieher des "Female Reggae Voices Riddim", via weltweitem Filetransfer zusammen stellte. Vertreten sind Guillaume Hoarau (La Réunion/Frankreich, Profi-Fußballer im Schweizer Kanton Wallis), Jah Mason, Turbulence und Anthony B aus Jamaika, das deutsche Ska-Urgestein Dr. Ring-Ding, Sängerin La Tifa aus der kolumbianischen Industriestadt Medellín, die Beatmakers Jahwise (Brasilien/Australien) und Upsetta (USA) und viele weitere.
Stilistisch findet sich neben Urban-Pop in "Is There Any Left" auch feinster Lovers Rock, hier mit einer Liebeserklärung an die Musik Reggae - "Reggae I'm In Love with La Tifa", zweisprachig auf Spanisch und Englisch. Auf klassischen Reggae können sich die Fans der Turban-Fraktion mit den spitzen Schreien freuen. Turbulence ist seit dem zweiten Lockdown sehr umtriebig und mit seinem "bäddäng-bäddäng"-Erkennungsruf big back into business, und "Please Be Mine with Turbulence" strahlt als exzellenter Paargesang.
Schöne Melodien wie "All The Way ft. Anthony B" und "Tears" sprechen über den One Drop-Style hinaus ein Easy Listening- und R'n'B-Publikum an. Mit "Let Them Go" ist ein veritabler Raggamuffin mit Krakeeler Jah Mason vertreten; der ist heute übrigens als Bio-Bauer glücklich.
Samoras zweite Platte "Chameleon" enthält zwar (leider) keine Dubstep-Elemente wie das Debüt "Moengo", zielt aber dennoch auf Tanzflächen und lässt omnipräsente Altvordere wir Sean Paul, Alborosie und Gentleman irgendwie ausgeblichen und durchgekaut aussehen. Denn: "Chameleon" klingt fresh. So, run the tracks, Selecta!
1 Kommentar mit einer Antwort
"Bereits das sinnliche Intro zitiert Masterboy und La Bouche gekonnt."
WIE BITTE?!
Das war's, Leude. Ich denke damit ist endgültig der Punkt erreicht, an dem ich alles nötige und unnötige, was dieser Planet in Sachen Musik hervor gebracht hat und noch hervor bringen wird, gehört und gelesen habe. Ich schnapp mir ein Handtuch, halt den Daumen in die Höhe und mach mich per Anhalter zu nem anderen ab.