laut.de-Kritik

Vergangenheitsbewältigung mit The Killers, Nick Cave und Nirvana.

Review von

Zwei Country-Schwestern veröffentlichen ein Album mit Coverversionen. Ein Mitteilung, die nicht wirklich aufhorchen ließe, handelte es sich nicht um ein besonderes Paar Schwestern.

1986 mussten Shelby (damals 17) und Allison (13) erleben, wie ihr gewalttätiger und alkoholkranke Vater vor ihren Augen erst ihre Mutter, dann sich selbst erschoss. Später wurden sie beide erfolgreiche Sängerinnen, vor allem Shelby, der das Kunststück gelang, 2001 einen Grammy als "Best New Artist" zu gewinnen, obwohl sie bereits 1989 ihr Debüt veröffentlicht hatte. "Thirteen years and six albums to get here", lautete ihr trockener Kommentar.

Nun singen sie zum ersten Mal zusammen. Auf einem Album zumindest, denn schon als Kinder waren sie mit ihren Eltern musikalisch aktiv. 2011 waren sie auch gemeinsam auf Tour. Damals wie heute schauten sie offenbar über den Tellerrand, denn ihre Auswahl umfasst nicht nur die üblichen Folk- und Country-Verdächtigen wie Bob Dylan (der Titeltrack), Merle Haggard ("Silver Wings"), Jessi Colter ("I'm Looking For Blue Eyes"), die Louvin Brothers ("Every Time You Leave"), Jason Isbell ("The Color Of A Cloudy Day") und Townes Van Zandt ("Lungs"), sondern auch die Killers ("My List"), Nick Cave ("Into My Arms") und Nirvana ("Lithium").

Während ihre Version von Caves eigenwilligem Liebeslied etwas zu süßlich klingt, gelingt den Schwestern mit "Lithium" ein wahres Kunststück. Dass es kaum möglich ist, die Studioaufnahme aus "Nevermind" in eine Akustik-Version umzusetzen, zeigten die Mannen um Kurt Cobain selbst auf ihrem "Unplugged"-Album. Auch die Schwestern verzichten hier auf den brachialen Gitarrenklang des Originals, singen aber so schräge Harmonien, dass sie die Verzweiflung des Stücks Gänsehaut-erzeugend rüberbringen. Ein Geniestreich, wie er Patti Smith gelang, als sie 2007 "Smells Like Teen Spirit" coverte.

Die Aufnahmen fanden 2016 in Los Angeles unter der Führung der Folk-Sängers Teddy Thompson statt. Als Musiker rekrutierte er die Rhythmusgruppe seines Vaters Richard, Lucinda Williams' Gitarrist Doug Pettibone und Keyboarder Benmont Tench von Tom Petty & The Heartbreakers. Erfahrene Musiker allesamt, die Routine, aber auch die nötige Portion Herzschmerz mitbrachten.

"Is it too much to carry in your heart?" fragen die Schwestern im nachdenklichen, abschließenden Stück, dem einzigen aus eigener Feder. Die Antwort ist vermutlich der Umstand, dass sie so lange gewartet haben, um ein gemeinsames Album aufzunehmen.

Trackliste

  1. 1. My List
  2. 2. Every Time You Leave
  3. 3. Not Dark Yet
  4. 4. I'm Looking For Blue Eyes
  5. 5. Lungs
  6. 6. The Color Of A Cloudy Day
  7. 7. Silver Wings
  8. 8. Into My Arms
  9. 9. Lithium
  10. 10. Is It Too Much

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