laut.de-Kritik

Ein arrangementtechnisches Wunder des Prog.

Review von

Steven Wilson, Leprous, Anekdoten, Klone, God Is An Astronaut, The Gentle Storm – das Jahr 2015 war bislang wirklich gut zu Progfans. Und das nächste große Ding steht schon bereit: The Dear Hunter brauchen sich mit ihrem neuen Album keineswegs hinter den Genannten verstecken.

Dazu bedienen sie eine eigene Ecke des Progiversums. "Act IV: Rebirth In Reprise" ist in vielen Momenten eingängig und kommt präzise auf den Punkt, in anderen wiederum ergötzt sich Mastermind Casey Crescenzo mit seinen Mitstreitern an klassischer Instrumentierung und mehrstimmigen Gesangs-Arrangements. Ein gelungener Spagat zwischen Indie, Alternative, Rock, Pop, Avantgarde und Filmmusik.

Als musikalische Vergleichsgröße fallen Coheed And Cambria ein. Nicht zuletzt wegen Caseys Stimme, die sich meist irgendwo zwischen Claudio Sanchez und Chris Martin bewegt. An Coheed And Cambria erinnert auch die Herangehensweise The Dear Hunters, ein Storykonzept über mehrere Alben hinweg zu verfolgen. Die letzten Jahre brach die Band zwar mit diesem Habitus. Wie der Albumtitel verrät, präsentiert Casey uns nun allerdings den vierten Teil seiner Saga, die The Dear Hunter auch den Namen einbrachte.

Während der Reise seines Protagonisten wandert der Komponist durch eine Vielzahl von Stilen. "Act IV: Rebirth In Reprise" deshalb auf einen festlegen zu wollen, ist sinnlos. Ruhige Streicherballaden ("Remembered"), leichter Beach Boys- oder Stummfilm-Vibe ("Rebirth"), dramaturgisch hervorragend umgesetzte Dynamik-Demonstrationen oder auch mal psychedelisch-verspielter Schunkelstoff wie das an Simeon Soul Charger erinnernde "The Bitter Suit IV" reihen sich aneinander. In poppigen Momenten lassen sich Parallelen zu Passenger ausmachen ("A Night In The Town").

Dazwischen darfs auch mal straighter Funk-Rock à la "The King Of Swords (Reversed)" sein. Das ist Prog, der sich guten Gewissens in eine Party-Playlist schmuggeln lässt. Die Zahl an durchlebten Gefühlen erscheint unerschöpflich. "The Line" lädt zum Entspannen, direkt im Anschluss regiert Unruhe in "Wait". Synthies und zittrige Streicher übernehmen hier den Bärenanteil der Atmosphäre.

Was treiben währenddessen eigentlich die Gitarren, normalerweise ja essentieller Bestandteil einer Prog-Platte? Sie treten tatsächlich eher selten in den Vordergrund. Das Bild, das "Act IV: Rebirth In Reprise" zeichnet, dominieren in erster Linie die akustischen Orchesterinstrumente. Umso stärker wirken die E-Gitarren, kommen sie dann doch zum Einsatz ("A Night On The Town"). Auf das ein oder andere Solo müssen wir ebenfalls nicht verzichten. Über ein besonderes Schmankerl verfügt zum Beispiel das Klavierstück "Is There Anybody Here". Guthrie Govan-Qualität!

Mag sein, dass manchem da draußen der Indie-Anteil The Dear Hunters zu groß ausfällt. Zumindest eine Reinhör-Empfehlung sei aber an wirklich jeden Liebhaber des Progressiven da draußen ausgesprochen. Die vermutlich meisten werden mit einer Band belohnt, die ohne viel Anlauf zu den Lieblingen im Plattenregal avanciert. Gerade was Arrangements angeht ist "Act IV: Rebirth In Reprise" eine Offenbarung. Aufgelockert durch Pop-Höhepunkte wie "Waves" ergibt das eine einzige Liebkosung für die Ohren.

Trackliste

  1. 1. Rebirth
  2. 2. The Old Haunt
  3. 3. Waves
  4. 4. At The End Of The Earth
  5. 5. Remembered
  6. 6. A Night On The Town
  7. 7. Is There Anybody Here
  8. 8. The Squeaky Wheel
  9. 9. The Bitter Suite IV And V: The Congregation And The Sermon In The Silt
  10. 10. The Bitter Suite VI: Abandon
  11. 11. King Of Swords (Reversed)
  12. 12. If All Goes Well
  13. 13. The Line
  14. 14. Wait
  15. 15. Ouroboros

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