laut.de-Kritik
Auf der Abrissbirne in den Beatles-Klassiker.
Review von Michael SchuhNicht erst seit dieser Veröffentlichung gilt: Wenn der Acid-Dealer wieder nicht kam, braucht man eine neue Flaming Lips-Scheibe erst gar nicht aufzulegen. Wirrkopf Wayne Coyne hat über die Jahre eine kindliche, für Außenstehende schwer nachvollziehbare Freude daran entwickelt, unhörbare Platten unters Volk zu werfen, über die eigentlich nur gesprochen wird, weil in begleitenden Videos Künstler wie Kesha auftreten.
Ein bisschen wenig für eine Band, die mal hervorragende Freak Out-Alben wie "The Soft Bulletin" oder "At War With The Mystics" komponierte. Doch erst aus heutiger Sicht ahnt man, was viele alte Glanztaten so besonders machte: Coyne und Co. fuhren immer extrem nah am Abgrund, balancierten den Karren aber lässig auf der Kante, um ihn am Ende wieder in die eigene Garage zu lotsen.
Heute setzt sich Wayne Coyne auf eine Abrissbirne und crasht mit dem nackten Hintern voran in den Beatles-Klassiker "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band". Das lässt Schlimmstes erahnen. Doch glücklicherweise halten sich Licht und Schatten die Waage. Der Titeltrack erreicht sogar ein neues psychedelisches Level, maßgeblich aufgrund der kruden Elektroniksounds, den sehr hohen Vocals und des kaputten Gitarrenriffs (scheinbar: J Mascis). "With A Little Help From My Friends" wabert mit Screamo-Attacken und scheppernden Drum-Samples schon eher ziellos vorüber.
In "Lucy In The Sky With Diamonds" darf Miley Cyrus dann zeigen, dass sie eigentlich eine ganz passable Sängerin ist. Auch hier belegen Coyne und Co. ihr Einfühlungsvermögen für das Ausgangsmaterial und kreieren einen wundersamen Soundtrip, leider immer nur bis zum Refrain, in dem als Gegensatz zu den ruhigen Strophen maßlos übersteuerte Drums hereinbrechen. In dem ganzen Getöse meint man plötzlich, im Refrain schon Lou Reed den Titel des Songs sprechen zu hören, es ist dann aber doch nur Moby. Können eben doch nicht alles, die Lips.
"She's Leaving Home" mit Phantogram und Julianna Barwick leitet als schön reduzierte E-Drum-Hommage über in die Lennon-Groteske "Being For The Benefit Of Mr. Kite!", für das man wahrlich kaum einen besseren Sänger als Tool-Maniac Maynard James Keenan hätte finden können. Die anämische Version bleibt jedoch weit hinter den Erwartungen zurück.
Dass man "When I'm Sixty-Four" heute weder im Original noch in sonst irgendeiner Version mehr hören möchte, ist selbstverständlich nicht das Problem der Flaming Lips. Arg viel daran ändern wollten sie aber offenkundig auch nicht. Wie Kaugummi zieht sich der hallgetränkte Gesang durch quiekende Soundgimmicks. Ohne Störfeuer gelingt den Lips mit Tegan And Sara und den White Dwarfs auf "Lovely Rita" dann ein ansprechendes Cover, bevor "Good Morning Good Morning" wieder einfach nur ärgerlich ausfällt.
Aber auf jeden Missgriff folgt ein Treffer, hier sogar zwei: Die im Original gerade einmal eine Minute lange Reprise von "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" nimmt Coyne als Einladung für einen feinen, mit Foxygen und Ben Goldwasser (MGMT) fabrizierten instrumentalen Krautrock-Jam. Am übermächtigen "A Day In The Life" wollte aber wohl selbst der Lips-Boss nicht mehr viel ändern und belässt den perfekten Popsong in seiner abgespeckten Urversion. Der Clou ist jedoch die Bridge, in der Miley Cyrus nonchalant den "Woke up, fell out of bed"-Teil übernimmt.
Im Gegensatz zu ihrem Pink Floyd-Coveralbum "The Dark Side Of The Moon" fällt "With A Little Help From My Fwends" weitaus heterogener aus, was auch an der immensen Gästeliste liegt. Mancher mag die Flaming Lips für solche Extravaganza-Ausflüge lieben. Mir stellt sich eher die Frage, wann man solche Platten im wahren Leben auflegen soll. Vielleicht vor einem Albert Hofmann/Hunter S. Thompson-Double Feature?
Sämtliche Erlöse des Albums gehen übrigens an eine Tierschutzorganisation, da Coyne und übrigens auch Cyrus "Besitzer mehrerer Haustiere" (Coyne) sind. Womit die Frage, wie diese Kollaboration zustande kam, auch geklärt wäre.
5 Kommentare mit einer Antwort
Vergewaltigung!
Also ich mags, 3 Punkte gehen aber schon klar. Gegen Ende nimmt die Qualität ein bisschen ab.
Das Album zieht seine Faszination aus der beim Hören ständig wiederkehrenden Frage nach seiner Berechtigung.
3/5 für's Konzept, die Eier und die ein oder andere spannende Stelle.
Ich mag die Flaming Lips wirklich aber die letzten Platten sind für mich zumindest zu nicht geringen Teilen unhörbar und anstrengend. Kunst? Vielleicht. Ich finde es auf jeden Fall mutig und interessante Ideen sind auch oft dabei, aber wo zieht man die Linie zwischen Kunst und Bullshit? Muss man vielleicht auch nicht. Wem es bekommen mag der kann es hören, ich lege lieber nochmal " At War With The Mystics" auf
aber ich werde es mir trotzdem mal in Ruhe reinziehen
grausam