laut.de-Kritik

Komplexeste Rhythmen, locker aus dem Handgelenk.

Review von

Manchmal muss man sich echt an die eigene Nase packen: Dass wir in unserer Liste der besten Schlagzeuger aller Zeiten Tony Allen vergessen haben, kündet entweder (was eigentlich nicht sein kann) von völliger Ahnungslosigkeit oder geht (etwas wahrscheinlicher) als alarmierendes Zeichen für einsetzende Vergreisung durch. Wie konnte das passieren? Gut, dass sich der Mann mit "Film Of Life" nachdrücklich zurück in unsere löchrigen Gedächtnisse trommelt.

Selbst Fela Kuti attestierte Tony Allen maßgebliche Beteiligung an der Entwicklung des Afrofunk - und der, sagt man, ließ neben seiner eigenen eigentlich kaum musikalische Größe gelten. Für einen Ausnahmedrummer macht man aber schon einmal ... eine Ausnahme. Mit Recht: "Ich habe mein Schlagzeug immer wie ein Orchester behandelt", so Allen. "Ich will, dass sie singen", philosophiert er über seine Trommeln, denen er in der Folge nicht nur Rhythmen, sondern filigrane, vielschichtige, sich ständig weiterentwickelnde und -entfaltende Melodien entlockt.

Die stärkste Faszination geht von den scheinbaren Gegensätzen in seinem Spiel aus: Egal zu welcher Komplexität sich der Rhythmus versteigt: Bei Tony Allen klingt es allzeit, als schüttle er noch die vertracktesten Muster locker aus den Handgelenken. Er spielt präzise wie ein Uhrwerk, dabei aber so organisch, voller Selbstverständlichkeit und Leidenschaft, dass einem Worte wie "mechanisch", "steril" oder "leblos" gar nicht erst in den Sinn kommen wollen.

"Make you listen to my music": Gleich der erste Track verspricht nicht zu viel. Der Empfehlung "Check it out!" darf man da bedenkenlos Folge leisten. "Moving On" zieht unmittelbar in seinen Bann. Auf gehts, nicht jedoch, ohne einen Blick zurück über die Schulter zu werfen. Dabei klingen sogar deutlichste 70er-Anleihen (wie etwa in "Koko Dance") nicht wirklich gestrig, reiten sie doch auf der zeitlosen Welle des Grooves.

"Afro Kungfu Beat" vollzieht das Kunststück, in einem Moment wie das Titelthema von "Shaft", im nächsten nach "Miami Vice" und noch einen Lidschlag später wieder komplett frisch zu klingen. In "Ire Omo" schlagen die Drums die Brücke zwischen Bläsern, die James Brown auch nicht schmissiger aufgeboten hätte, und afrikanischen Frauengesängen. Jazz, Dub und elektronische Spielereien klappern als bunte Steinchen im Afrobeat-Kaleidoskop.

Dem treibenden, superfunky geratenen "African Man" schiebt Allen das erheblich schleppendere "Tony Wood" hinterher. Eben meint man noch, von den Baumwollfeldern vergangener Tage wehe der Blues herüber. Der Gesang dazu wirkt dann beinahe indianisch, obwohl ihn KuKu, wie Allen ein Mann mit nigerianischen Wurzeln, beisteuert. Nicht jede Seefahrt ist lustig, führt "Boat Journey", das eindringlichste, weil bedrückendste Stück, mit brutaler Deutlichkeit vor Augen: "Runnin' away from misery and you go find yourself in a double misery."

Bass, Keyboards und Gitarren, Backgroundgesang, Tony Allens eigene, mehr gesprochene als gesungene Zeilen und Damon Albarns Stimme und Melodica, all das fügt sich zwar stimmig zueinander. Die fulminante Ausgestaltung trägt aber eigentlich wenig zum Gesamtbild bei, sondern spannt vielmehr einen Rahmen um das Schlagzeugspiel. Der Eindruck lässt sich nicht abschütteln: Der Meister hätte sein Album auch ganz alleine, ohne jeden Beistand gestalten können. Das Ergebnis wäre vermutlich keinen Deut weniger interessant ausgefallen.

Trackliste

  1. 1. Moving On
  2. 2. Boat Journey
  3. 3. Tiger's Skip
  4. 4. Ewa
  5. 5. Afo Kungfu Beat
  6. 6. Koko Dance
  7. 7. Go Back
  8. 8. Ire Omo
  9. 9. African Man
  10. 10. Tony Wood

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