laut.de-Kritik
Akustisches Störfeuer statt Radiohit lautet das Credo.
Review von Eberhard DoblerTricky gibt sich nie zugänglich: akustisches Störfeuer statt Radiohit lautet das Credo. Mit "Knowle West Boy" lege er nun seine bis dato eingängigste Platte vor, findet man beim Label. Davon kann eigentlich keine Rede sein.
Denn Tricky-Scheiben tragen immer Hitpotenial in sich, verstecken den Pop aber hinter sperrigen Arrangements und unkonventioneller Soundauswahl - die großartige Ballade "School Gates" legt davon Zeugnis ab.
Auch der Opener ist Programm: ein rauer Bar-Blues im 6/8-Takt, der eher an ein Tom Waitsches Soundverständnis als glatt gebügelte Abendgarderobe erinnert. Der Track zeigt exemplarisch - mit rauem Beat, Streichern und Piano - auf, dass Tricky den Hörer lieber verunsichert, als vor ihm zu Kreuze kriecht (siehe auch die verstörende Collage "Coalition").
Abwechslung wird wie üblich groß geschrieben, auch wenn sich jeder einzelne Track in das bekannte Tricky-Universum einfügt. An "Blowback" erinnern etwa die Toasting-Ausflüge ("Baligaga") und von "Vulnerable" kennt man den Popfaktor der oft präsenten weiblichen Stimme bzw. die häufige Stimmdopplung ("Cross To Bear").
Roughe und temporeiche Stücke (die Single "Council Estate", "Far Away" oder die herausragende Kylie-Coverversion "Slow") werden durch schleppenden Trip Hop ("Past Mistake") kontrastiert. Diese Gegensätze setzen sich auf der nächst kleineren Ebene, den Arrangements, fort: kernig aufgedrehte Beats gehen wie selbstverständlich mit fast lieblich anmutenden Flötenhooks zusammen ("Baligaga").
Die Scheibe des frisch gebackenen Labelbesitzers (Brown Punk) ist übrigens nach seiner Heimat benannt: Knowle West, ein Ghetto im Südosten Bristols. "Now I'm feeling like a kid again", kommentiert Adrian Thaws das neu aufgeschlagene Kapitel seiner Karriere. Jetzt fehlt nur noch die Comeback-Tour!
8 Kommentare
das hört sich ja gut an.
Ich hab' das Album seit letztem Freitag bislang nur 2mal flüchtig durchgehört, aber eins kann ich schon vorab festhalten:
"Knowle West Boy" ist das beste Tricky Album der letzten 10 Jahre!
"Bactive" - dieser an #2 etwas deplatziert wirkende Ragga-Track - mag ich nicht so wirklich, stört irgendwie den Fluss des Albums...aber ansonsten seh' ich da noch viel Wachstumspotential.
PS: Ich hab doch glatt den Martina Topley Birds - The Blue God (http://www.discogs.com/release/1339682) (2008) Release verpennt.
soll klasse sein. Also Blue God. Für Knowle West Boy hoff ich das beste, kauf ich mir nächste Woche.
naja herr dobler hat auch dem letzen album 4 punkte gegeben, von daher würd ich da der wertung nicht notwendigerweise glauben schenken...
Ich find es gut, dass jemand das Album bespricht, der wahrscheinlich 2 mal in seinen Leben Tricky gehört hat. Mich werden die toastigen Ausflüge auch immer an Blowback erinnern.
Zum Album: Endlich geht es wieder einigermaßen aufwärts mit dem Spacken. Fast keine Mitleid erregenden Pop Versuche mehr. aber 100%tig überzeugen wird mich dieser dauerbekiffte Spacken wohl nie mehr.
@videodrone (« naja herr dobler hat auch dem letzen album 4 punkte gegeben, von daher würd ich da der wertung nicht notwendigerweise glauben schenken... »):
doch, doch.
mach das mal.