laut.de-Kritik

Von der Geisteshaltung her ein Punk-Album.

Review von

Obwohl Twenty One Pilots mit dem Song "The Hype" einen gewaltigen Ohrwurm in die Welt setzen, erliegen sie nicht der Versuchung, "Trench" mit Smash-Hits zuzupflastern. Der eine repräsentative Song für den Rest des Albums existiert nicht. Rock, Rap-Metal, Acid-Jazz, Trip Hop, Trap, Hip Hop, Modern Roots-Reggae, Electro-Funk, Easy Listening und Worldbeat spielt das Duo aus Ohio auf einem einzigen Longplayer durch.

"Trench" pendelt dabei zwischen den Polen locker und düster hin und her. Zumindest bis "Nico And The Niners" stretchen Twenty One Pilots einen durchweg unterhaltsamen Spannungsbogen. Besonders die letzten beiden Songs nehmen die guten Ideen vom Anfang wieder auf. Hinzu kommt die kräftige, oft unperfekte Stimme von Tyler Joseph, der dieses doch sehr erwachsen klingende Werk kurz vor seinem 30. Geburtstag rausfeuert. Die spacige Seite von Songs wie "Nico And The Niners" und "Neon Gravestones" verarbeitet zweifellos manchen Einfluss seiner Ehefrau, der Fantasy-Autorin Jenna Black – ohne Inspirationen aus Literatur, Games oder Filmen dürfte man als Songwriter kaum zu solchen musikalischen Kreativspielen fähig sein.

Josh Dun spielt derweil die Drums so, dass sie immer den Vordergrund bilden und etwas Rustikales in die Klangarchitektur einbringen. Das macht durchaus Spaß, auch wenn die Idee, Hip Hop-Breakbeats mit echtem Schlagzeug zu kombinieren, nicht gerade neu ist - die Stereo MCs feierten damit schon vor 20 Jahren Erfolge. Minimale Parallelen könnte man auch zu Johnossi ziehen, einer Band, die immerhin zuerst da war.

Egal, Twenty One Pilots klingen speziell und gar nicht mal so leicht zugänglich. So deuten die funky Breakbeats in "Morph" (Minute 1:57 bis 2:10) und und der Electro-Funk-Refrain in "My Blood" (ab Minute 1:15) bereits an, was sich später auf Songlänge in "Legend" entlädt. Weiterer Anspieltipp: "Smithereens". Die Lead-Vocals kommen hier besonders unsauber und Tyler trifft die Töne teilweise nicht, insbesondere in den schnelleren Parts. Dieses Unvollkommene macht ihn sympathisch. In Bezug auf den Sound kommen die Common Kings in den Sinn, eine für den Reggae-Grammy 2018 nominierte Gruppe aus Hawaii, die es mit Subkultur-Grenzen ebenfalls nicht so eng sieht.

"The Hype" lebt außer von seiner starken "I don't believe the hype!"-Hookline auch vom Klang einer Ukulele. "Nico And The Niners" arbeitet sich von einem Modern-Roots-Reggae-Einstieg über gelingende Effekt-Experimente bis zu Trip Hop vor. Der Schluss klingt, als würden Stromstöße auf Platte gebannt. "Leave The City" endet nach gospelartigen Passagen mit den Worten: "These faces facing me, they know, know, know-oh-oh-hoo" ... danach folgt eine der schönsten Pausen der Popgeschichte - die Auflösung des Satzes verrate ich nicht, es folgen noch drei Worte. "Jump Around" von House Of Pain oder City Kays "Mind Under Control" hört man hier und da auch heraus. Das Ergebnis klingt dennoch unkonventionell.

Piano-Passage, stolpernde Rhythmen, Tempo-Brüche, Spoken Word, Synthie-Orchester, Stakkato-Bass-Drum: Was in "Neon Gravestones" durcheinander purzelt, mutet unstrukturiert und frisch an. "I'm not disrespecting what once has been made", spricht sich Tyler im Songtext für die Lebensweisheiten seiner Großmutter und die Achtung vor dem Althergebrachten aus. Gleichzeitig bricht er selbst mit musikalischen Gewohnheiten. Gut so! Brian Eno und David Byrne dürften stolz auf ihn sein. Von der Geisteshaltung her ist "Trench" ein Punk-Album.

Trackliste

  1. 1. Jumpsuit
  2. 2. Levitate
  3. 3. Morph
  4. 4. My Blood
  5. 5. Chlorine
  6. 6. Smithereens
  7. 7. Neon Gravestones
  8. 8. The Hype
  9. 9. Nico And The Niners
  10. 10. Cut My Lip
  11. 11. Bandito
  12. 12. Pet Cheetah
  13. 13. Legend
  14. 14. Leave The City

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5 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    Nicht dem Mainstream verfallen, un immer noch so experimentierfreudig wie eh und je 5/5 !!!

  • Vor 6 Jahren

    Sehr analytische Rezension. Leider wird vollkommen außer acht gelassen, dass es bei Twenty one pilots um Emotionen geht. Tyler Joseph, der Sänger und Songwriter der Band hat mit Musik angefangen, um seine Gefühle auszudrücken. Und das tut er immer noch. Wenn man die Songs mit dem Herzen und nicht mit dem Kopf hört wird man auch feststellen, dass das 'unsaubere' singen dadurch bedingt ist, dass Tyler seine Emotionen beim Singen durchlebt und es sogar schafft, diese auf den Hörer zu übertragen.
    Das habe ich persönlich in dieser Intensität noch bei keinem anderen Sänger erlebt. Für mich ist dieses Album ein absolutes Juwel.

  • Vor 6 Jahren

    Kurze Frage. Das sind schon die selben Typen die "Stressed Out" (musste den Titel erstmal ergooglen) verbrochen haben, oder? Und die sollen ernsthaft was taugen? Mag das hier mal einer von den üblichen Verdächtigen validieren. Traue dem Braten nicht.

    • Vor 6 Jahren

      Das sind dieselben Jungs;-) Leider kennen die meisten nur den einen Song. Ich weiss auch das die Meinungen über sie weit auseinandergehen. So sind sie für die einen die beste Band der Welt währen andere mit ihrer Musik gar nichts anfangen können. Musik ist und bleibt eben immer Geschmackssache und in manchen Fällen hilft nur: open minded selber reinhören.

    • Vor 6 Jahren

      Imagine Dragons in gut...kann man sich schon gut geben imo.

    • Vor 6 Jahren

      Also ich kenne mehrere Single von denen und hab das Gefühl, dass sie immer ein wenig zu viel des guten bringen. Wenn ich an Ride (?) denke, cooler Song aber dieser i´ve been thinkning too much Part denke, der zerstört das ganze Lied.

    • Vor 6 Jahren

      Das Debut bekommt eine äußerst solide 3.9/5 auf sputikmusic - besteht also keine Gefahr dein Gehör zu verlieren.

      https://www.sputnikmusic.com/bands/Twenty-…

  • Vor 6 Jahren

    By the way: Die Fantasy-Autorin Jenna Black ist übrigens nicht Tylers Frau! Seine Frau heisst zwar auch Jenna geb. Black, ist abermehr als 20 Jahre jünger ;-)

  • Vor 6 Jahren

    release war doch am 5. oktober oder irre ich mich??