laut.de-Kritik
Wie eine Mischung aus Kreator und Andreas Gabalier.
Review von Yan VogelMichael Poulsen ist ein profunder Musik- und Marktkenner. Neben dem nötigen songwriterischen Selbstvertrauen legt er einen ausgeprägten Geschäftssinn mit Mut zur Marktlücke an den Tag. Er verkörpert Tony Soprano und Tobias Sammet in einer Person. Den Erfolg seiner Band Volbeat erklärt die massenkompatible Mischung aus Rockabilly, Rock'n'Roll, Metal und Pop, aber auch das Konzept mit Gangstern, Autos und Tollen mit Pomade. Zielgruppe: Menschen, deren einzige Lektüre das Etikett von Bierflaschen darstellt oder die mit dem Langzeitgedächtnis eines Goldfischs Musik konsumieren.
Der Opener straft jedoch zunächst alle Kritiker Lügen: "Last Day Under The Sun" leiht sich Michael Jacksons "Black Or White" Akkord-Progression und jagt sie bei Sonnenuntergang auf der Wacken Main Stage durch den Verzerrer. Captain Hook dirigiert die Massen und fräst sich in die Hörgänge. Female Vocals hieven dieses Monster von einem Song auf den Olymp.
"Pelvis On Fire" reagiert im Titel augenzwinkernd auf die leicht despektierliche Titulierung als Elvis-Metal, hat aber einige starke metrische Wechsel am Start und rockt wie Sau. Der Titel "Sorry Sack Of Bones" ist eine coole Umschreibung des Mottos "Carpe Diem". Auch musikalisch macht der Track zwischen ironischem Fandango und Surf-kompatiblem Refrain mächtig Laune.
Gegen diese prominent zu Beginn platzierten Titel stinkt der Rest ab. "Rewind The Exit" spendiert coole Soli von ex-Anthrax-Axeman Rob Caggiano, verfügt aber über einen echt Egli-gen Refrain. Ein richtiges Smørrebrett ist auch "Die To Live" nicht. Hier knödelt Poulsen seine Rockabilly-Vocals, bevor Clutch-Sänger Neill Fallon übernimmt. Wobei der Soloteil als Call and Response zwischen Rock'n'Roll-Piano, Saxophon und Gitarre ein echtes Highlight markiert.
"When We Were Kids" klingt nach einem Cover von Rolf Zuckowski und bedient genau den deutschen Klischee-Durchschnittshörer. Ob Schlager, Metal oder Pop, Hauptsache man klatscht auf die Eins und die Drei. Die Kids auf dem Cover zeigen deutlich mehr Kante. Am Ende reiten noch The BossHoss und Manowar Hand in Hand durch die Prärie. Der Plüsch-Poprocker "7:24" erklärt sich ausschließlich aus Poulsens Endorphin-Überschuss infolge der Geburt seiner Tochter. Augen zu, gute Nacht.
Das Schlagzeug wirkt seltsam gemischt. Die Hi-Hat peitscht viel zu laut, die Bassdrum sticht zu knallig hervor, wohingegen der Rest der Schießbude hinter den sirenenartigen Vocals des 44-jährigen Dänen untergeht. Generell klingt die Platte sehr unausgewogen. Es ist aber auch schwer, in einer State Of The Art-Produktion diesen Stilmix unter einen Hut zu bringen.
Folglich manifestiert sich an "Cheapside Sloggers" das Manko der Platte: Auf einen Happy Metal-Einstieg folgt ein Pseudo-Slayer-Riff nebst Midtempo Thrash-Part und Gary Holt-Gegniedel. Der Radio-kompatible Sound der Imagine Dragons veranlasste den Slayer- und Exodus-Klampfer zur Aussage: "Imagine Dragons lutschen riesige, haarige Affenhoden." Wie sollte der gute Gary diesen grenzdebilen Sodomievergleich toppen, wenn er Volbeats Weichspül-Rock der Marke "The Awakening Of Bonnie Parker" hört?
So gut einzelne Teile auch sein mögen: In der Summe eines Songs und insbesondere auf Dauer der gesamten Platte wirkt das Songwriting stillos und zerfasert. "The Everlasting" klingt wie ein Duett von Kreators Mille Petrozza und Andreas Gabalier. Volbeat wollen jeden mitnehmen und setzen auf die großen Gesten, versuchen aber im gleichen Atemzug, ihre Wurzeln nicht zu verraten.
Wie auf einer Kirmes blinkt es an allen Ecken und Enden, nur die Ecken und Kanten im Sound wirken schlecht montiert. Wenigstens kann sich jeder seine Spotify-Playlist um die persönlichen Geschmackstreffer ergänzen. Insgesamt toppt "Rewind, Replay, Rebound" das unterirdische Niveau des Vorgängers, geht aber auch nur als schwacher Abglanz des Erfolgsrezeptes der ersten vier Alben durch. Wer die Live-DVD "Let's Boogie! - Live From Telia Parken" sieht, merkt direkt den großen Stellenwert des Quartetts. Warum in drei Teufels Namen folgt dem Erfolg nur allzu häufig das große Gähnen?
15 Kommentare mit 26 Antworten
Eine weitere Band bei der man sich beschämt fragt, wie man die mal gut finden konnte. Die Muse des Metals.
+1
ich fand die nie gut
Oh, Rock the Rebel war/ist schon groß.
Entspannt euch. Bald kommt neu Kollegah Album.
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
Was gibt ihnen das Recht die Jungs so nieder zu machen. Macht es doch besser.Dann können die Fans ja Urteilen Ich finde es nicht ok. Ich verurteile sie ja auch nicht weil sie eventuell Heimatmelodie hören. Haben sie eigentlich Ahnung von der Band oder haben sie nur nach gegoogelt. Ein Fan sind sie jedenfalls nicht davon. Dann steht es ihnen erst recht nicht frei über die Band so Respektlos zu sein.
Doch. Natürlich. Und selbstverständlich. Es ist die subjektive Meinung eines Kritikers. Sie haben die subjektive Meinung eines Fans. Und so dreht sich die Welt munter weiter. Und ich muss keine Band googlen, um zu sagen, ob mir die Musik nun gefällt – oder eben nicht.
Schön wie ihr beide die Form wahrt!
"objektive berichterstatung ist eine absolute seltenheit und ein wohlwollen der presse ist eine illusion" Felix Antoine "Kollegah" Blume. rapper, coach, businessman und universalgelehrter
@MyWilhelmScream In welcher Welt leben wir, in der jemand ein Fan sein muss, um über etwas zu urteilen. Und ein Job eines Kritikers ist es nicht, bessere Musik zu machen. Wenn die Band sich ins negative bewegt hat und langweilige und uninspiriete Musik macht, dann ist das nicht das Problem des Kritikers. Wenn Ihnen die Musik gefällt, schön für sie. Ich bin Fan der ersten drei Alben und seit drei Alben entfernt sich Volbeat von seinen Wurzeln, auch wenn sie ab und zu mal einen Song drin haben, der an alte Zeiten erinnert. Volbeat ist jetzt leider das englischsprachige 'Unheilig' - sprich Musik für Leute, die sich für Rocker und Metaller halten, oder anders gesagt Rockmusik für Leute, die sonst nicht viele Berührungspunkte mit dem Musikgenre haben. Sehr traurig. Das letzte Album war ein Arschtritt für jeden Fan der alten Tage und ich habe durch die bekannten Songs auch kein anderes Bild davon gewonnen. Diese Kritk unterstreicht dies.
geisteskranker faden
@LevelFear: 100% Acknowledge!
Es ist tatsächlich ein Album, das für die Generation Spotify gemacht ist. In Gänze belanglos, weil zu viele Songs Selbstzitate oder einfach nur zahnlos und langweilig sind. Aber es gibt wenige echte Highlights. "Die to live" hat genau die Spielfreude der ersten Alben, fügt dem Sound aber neue Akzente hinzu und klingt daher frisch - rauf auf die Playlist.
Wenn ich mir Musik einer Band anhöre, erwarte ich keine epischen Klassiker, wie "Herr der Ringe" in musikalischer Form zu hören, sondern Musik, die mich begeistert...
Wenn ich immer lese, dass kein roter Faden zu erkennen ist, frage ich mich: muss eine CD immer eine Geschichte erzählen?
Und ich würde gerne mal die vermutlich perfekten CD's der Kritiker hören, die offenbar selbst keinerlei Fehler machen würden - nur können die das meist gar nicht.
Und warum muss eigentlich alles, was denen nicht perfekt gefällt dann gleich mit den negativsten Attributen belegt werden? Grottig, unterirdisch, katastrophal wird geradezu inflationär verwendet. Na meine Güte, wem es nicht gefällt, kauft sich die CD eben nicht und geht nicht aufs Konzert - welches übrigens sehr geil war in Berlin - und sehr lang!!
Oder er/sie macht/en es einfach besser und holen selbst erst mal so viele Leute in eine Halle, die alle begeistert mitgröhlen und mitfeiern...
Also zwischen dem "perfektem Album" und besser als Volbeat liegt ein UNFASSBAR großer Abstand mit nahezu unbegrenzt Abstufungen. Ich erkläre dir das gerne genauer aber vorher muss ich deine Pflegestufe wissen, damit ich meine Worte mit bedacht wählen kann
Also ich finde die Kritik sehr treffend, bis auf dass Guitar Gangsters m.E. der Tiefpunkt bleibt. Von einstigen Metal Anklängen ist nicht mehr viel zu finden, jedenfalls nichts, was nicht irgendwie gezwungen einmontiert klingt.
Allerdings mag ich Mitgröl-Hymnen gerne. Umso schader, dass Poulsen bei Last Day Under the Sun nichts besseres als dieser dusselige Chor eingefallen ist, um das Lied mit dem Ende zu verbinden.
Oh nein, ich meinte natürlich Outlaw Gentlemen undsoweiter. Die kann man sich echt nicht am Stück anhören, so langweilig