laut.de-Kritik
Von Edith Piaf zu France Gall in nur drei Jahren.
Review von Sven KabelitzDie Feierlichkeiten rund um das Zaz-Debüt wollten ja kein Ende nehmen. Der Livemitschnitt "Live Tour - Sans Tou Tsou" half ein weiteres Jahr aus. Doch irgendwann muss sich selbst die fabelhafte Welt der Isabelle Geffroy der Realität stellen: Dem zweiten Album. Kunterbunt gibt sich die Französin auf dem Cover und mag dies auch in ihre Musik fließen lassen.
Dafür greift sie gleich zu Beginn mit der ersten Single "On Ira" auf ein Element zurück, das es in dieser Deutlichkeit nicht auf dem Erstling zu hören gab: Schlecht abgemischten French-Pop. Über einem gestrig anmutenden Beat vergisst Zaz ihre vielseitigen Einflüsse aus Jazz, Gypsy und Chanson. Ein Rezept, das die naiven Mitklatschliedchen "Gamine" und "Nous Debout" noch weiter ausbauen. Hier und da nett anzuhören, aber im Vergleich zum Erstling desillusionierend.
Zaz biedert sich seltsam blutleer und blasswanging dem Pop an, ohne nachhaltig Eindruck zu hinterlassen. Von Édith Piaf zu France Gall in nur drei Jahren.
Doch die Rückkehr zu den Chanson-Wurzeln misslingt ebenfalls. Durch "Comme Ci, Comme Ça" und "Oublie Loulou" scattet sich Zaz aufdringlich und aufgesetzt heiter. "Toujours" oder "Si Je Perds" verbreiten den Charme übrig gebliebener B-Seiten. Wie so oft auf "Recto Verso" bleibt die Sängerin auswechselbar. "Si" scheitert mit seiner schmerzhaften Übertriebenheit und den jede Lücke zukleisternden Keyboardstreichern nur knapp an der Rosenstolz-Kitsch-Marke.
Um die Highlights an einer Hand abzuzählen, muss man schon ein Simpson sein. Vier Finger pro Patschehändchen. "T'attends Quoi" und "Cette Journée" erinnern noch einmal deutlich und in diesem Umfeld all zu bitterlich, warum wir vor drei Sommern der jungen Französin in Scharen verfielen. Auch die bucklige Leierkasten-Nummer "J'ai Tant Escamoté" und der von spanischen Gitarren getragene Tango "La Lune" fügen dem Zaz-Universum neue Schattierungen hinzu.
"Recto Verso" funktioniert wie eine misslungene Hollywood-Fortsetzung. Alle bekannten Elemente sind vorhanden. Es gibt mehr Explosionen, mehr Blut, mehr Gekröse, aber weniger menschliche Tiefe. Der alles einnehmende Charme des Erstlings weicht über weite Strecken berechnender Professionalität. Einzig die rauchige Stimme, die jedoch ihre frische Ausstrahlung verloren hat, rettet den ein oder anderen Track über seine Längen. So klingt "Recto Verso" solide, aber niemals berauschend. Zudem wirkt das Album im direkten Vergleich zum Debüt wie eine einzige herbe Enttäuschung. Letztendlich kommt man zur ernüchternden Einsicht: Zaz berührt nicht mehr.
36 Kommentare
Französische Musik hat ihren Zenit halt doch im Elektronischen. Schade eigentlich, ihr Debütalbum und ihr Live Enthusiasmus mochte ich sehr
Hat ihre Seele auch dem Kommerz verkauft wie einst Nelly Furtado.
wenigstens die haare hat sie schön.
Es ist schon ziemlich ignorant, Französische Popmusik auf Elektro zu reduzieren.
Wir haben eine sehr grosse Musikszene und eine Menge sehr unterschiedliche Künstler. Wer Rock bevorzugt, kommt natürlich an Noir Désir nicht vorbei, aber es gibt viele andere, siehe Phoenix, Revolver, Eiffel, indochine und sehr viele mehr. Im Chanson-Bereich gibt es fast unendlich vieles was sich lohnt, siehe Benjamin Biolay, Francis Cabrel, Berry, Coralie Clément und und und... Also erst kennen, dann kritisieren...
Allah, was für eine french Hoe. Kann bestimmt auch gut french kissing. Klarer Fall für den Pool!
http://ais.badische-zeitung.de/piece/03/ae…
Whutt Whutt!
Für mich ist die französische #1 Lætitia Sadier. Ihr Silencio war eines der besten Alben des vergangenen Jahres.