laut.de-Kritik
Der Florida-Crooner macht wenig aus dem Soundcloud-Hype.
Review von Yannik GölzWenn man sich die alten Artikel über $not durchliest, pendelt sich dieses Gefühl über einen jungen Antihelden ein, der organisch mit der Soundcloud-Szene explodiert ist, dessen Move immer spontan viral geht und der nur einen Song und ein Album davon entfernt ist, ganz groß rauszukommen. Dieses Gefühl bleibt, ob der Artikel nun von 2018, 2019 oder von vorgestern ist. Das dritte Album des Florida-Crooners hat also einiges zu beweisen. Aber im Grunde widerlegt es vieles an seiner Selbstdarstellung: Statt einem Querkopf, der macht, was er will, zeigt sich $not als ästhetisches Vakuum, das wahllos zwischen Ästhetik und Sound seiner Vorreiter schwankt, seien es XXXTentacion, Juice WRLD oder Trippie Redd.
Die allererste Person, an die man denken muss, bleibt aber doch eindeutig XXX. Gerade auf den ersten Songs teilt er seine Nonchalance, nicht nur, weil sie eine ähnliche Stimme mitbringen, sondern auch, weil $not einfach die gleiche Soße Edgelord ist. "I battle all my demons / In the mornin' I be fiendin' / In the sleepin' I be dreamin' / What you know about this sadness?" fragt er auf dem Intro, nur um Tracks drauf damit anzugeben, dass er Doja Cat beschlafen hätte (die das prompt per Tweet verneinte).
$not umgibt genau wie XXX diese Aura der sich selbst zugeschriebenen Vielschichtigkeit und Komplexizität, aber die meiste Zeit kommt er doch nur wie ein Idiot daher, der sich selbst maßlos überschätzt. Die TikTok-freundliche Akustikballade "Blue Moon" zum Beispiel klingt wie jemand, der drei Indiebands kennt und sich deshalb über jede Hip Hop-Hörerschaft erhaben fühlt; aber nicht nur der plakative, langweilige Text lässt die Nummer in beiden Genres durchfallen. Gegen Ende spiegelt sich diese Idee übrigens noch einmal in schlechter, wenn er tatsächlich auf "High IQ" über ein Girl schmachtet, die ihn mit ihrem hohen IQ beeindruckt habe. Aber ob sie auch Schach spielen kann? Wahrlich, ein Rapper für die Rick & Morty-Fans.
Dass das schlecht klingen würde, kann man ihm allerdings gerade bei den energetischeren Songs überhaupt nicht unterstellen. Das von A$AP Rocky unterstüzte "Doja" weiß schon, wie es den fantastischen, ein bisschen psychedelischen Beat tacklen muss. Dass $not wieder und wieder viral geht, liegt nicht zuletzt an seinem Gefühl für den richtigen musikalischen Moment und an einer meist hervorragenden Beatauswahl. Die beste Episode der Platte entsteht, wenn er sich später komplett in Rage-Produktion einschießt, "Go" und "Benzo" slappen konsequent vor sich hin und bauen militärische Grooves über hypnotisches Synth-Chaos auf. Keine Frage, dass so etwas Live eine Menge Bock macht.
Trotzdem schafft er es weder auf "Alone" noch auf "Eye Eye Eye", sich von den deutlich natürlicher klingenden Features von Trippie Redd und Kevin Abstract abzusetzen, die ihn beide auf ihre Art in die Pfanne hauen. Dass wir dann nach einem Drittel Florida-Trap, einem Drittel Rage noch ein völlig bezugsloses Drittel an formlos-vibiger Alt-Rap-Musik bekommen, mag zwar ebenfalls nicht furchtbar klingen, gibt der Kohärenz von "Ethereal" den Gnadenstoß. "How You Feel" und "Halle Berry" haben diese stringente Synthesizer-Opulenz, die sich in Albumtitel und Artwork spiegeln. Aber die professionelle Produktion und das gekonnte Sounddesign tun schließlich doch wenig, um $not als Texter, Rapper oder Performer weiter hervorzuheben.
Dafür, dass $not sein eigenes "808s & Heartbreak" versprochen hat, lässt "Ethereal" Fragen offen. Ja, wenn er sich als etwas hervortut, dann als gut vernetzter Kurator, denn dieses Album klingt meistens solide, manchmal sogar beeindruckend. Aber trotzdem schafft er es weder, sich für einen kohärenten Sound zu entscheiden, noch wirklich zu erklären, was nun seine eigene musikalische Identität sein soll. "Ethereal" fühlt sich wie ein spätes Andocken an alle interessanten Sounds der Stunde an, verzweifelt, dass einer von denen ihn jetzt doch endlich über die Mainstream-Schwelle befördern solle. Aber wenn man nur auf seine eigenen Beiträge zu diesem Album achtet, macht er wirklich wenig Argumente dafür, ein besonders essentieller Performer seiner Generation zu sein.
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