laut.de-Kritik
...Und du wirst uns erkennen an unserem Kuddelmuddel.
Review von Franz MauererJason Reece und Conrad Keely haben für "XI: Bleed Here Now" ...And You Will Know Us By The Trail Of Dead ausnahmsweise mal zusammengelassen und nur John Dowey als neuen Gitarristen an Bord geholt. Ob das die Möglichkeit bietet, nach dem soliden, fast durchgehend gelungenen, aber im eigenen Sud köchelnden "X: The Godless Void And Other Stories" auf Album Nummer elf eine Weiterentwicklung anzugehen, die mindestens seit "Worlds Apart" ausbleibt?
Viel zu erzählen gibt es jedenfalls, "XI: Bleed Here Now" ist ein Doppelalbum mit stolzen 22 Songs. "Our Epic Attempts" eröffnet für AYWKUBTTOD typisch mit atmosphärischen, verhuschten Samplespielereien, die auch hier nicht an "And You Will Know Them ..." herankommen. Zum Ende hin wird es hymnisch, "Long Distance Hell" fungiert als zweiter Opener und schrammelt gekonnt voran. "Field Song" variiert das Tempo schon wieder und ist ein entspannter Akustik-Pop-Rock-Song, wie wir ihn von Trail of Dead schon kennen.
Auf dieser Scheibe befindet sich kein einziger Track, der sich nicht durch und durch nach den US-Amerikanern anhört. Das muss nicht negativ sein, denn in ihren besten Momenten haben AYWKUBTTOD bereits vielfach nachgewiesen, dass sie zu besonderen Songs fähig sind. Keely ist ein ganz hervorragender Sänger, dessen flehendes Organ einen Emo-Aspekt mit Stärke vereint, wie es nur wenig andere können. Sein Songwriting und das von Reece nehmen auf Rhythmus und Melodik gleichermaßen Rücksicht, eine solche Verbindung von Prog, Punk und Alternative gibt es kein zweites Mal. "Penny Candle" ist ein Beispiel dafür, wie ein solcher Song auch 23 Jahre nach "Madonna" eine große Faszination entwickeln kann. Die Bestandteile dieser Verbindung sind allerdings flüchtig, wie das eintönige "No Confidence" unmittelbar darauffolgend zeigt. Der Post-Hardcore-Brocken "Kill Everyone" ist im großen Kanon der Band ebenfalls hinten einzusortieren. Die beiden interessanten Feature-Gäste Britt Daniel und Amanda Palmer führen nur dazu, dass "Growing Divide" und "Millennium Actress" sich anhören wie Songs der beiden, was in deren Fall natürlich an sich nicht verkehrt ist.
Auf fast jedem Track hört man den Kampf heraus, den Reece und Keely mit sich selbst ausfechten, um nicht immer den gleichen Song zu produzieren, sondern der Formel neue Bestandteile hinzuzufügen. Dementsprechend erratisch, teils wirr, fällt "XI: Bleed Here Now" aus. "Golden Sail" segelt irgendwo hin im vollen Prograusch, "Pigment" direkt davor hört sich an wie ein Traum von Chino Moreno, "A Life Less Melancholy" und "Darkness Into Light" sind reine Filler ohne irgendeinen verwertbaren Inhalt, "Taken By The Hand" gerät stellenweise mitreißend, um zwischendurch dann doch im doofen Checklisten-Muckertum völlig abzusaufen, sich aber auch immer wieder zu erholen über seine elf Minuten Spielzeit.
"Water Tower" ist ein interessanter Lichtblick im Kuddelmuddel, Reece an den Drums und Keely werfen sich in diesem Alt-Rocker gekonnt die Bälle zu. "Protest Streets" ist einer der schlechtesten Songs der Karriere der beiden, ein einziger Unfall aus Geigen und Art-Gehabe. Mit "Salt In Your Eyes" versuchen sich die beiden dann noch an Stadium-Pop, "English Magic" ist Kammermusik für Arme.
"XI: Bleed Here Now" lässt einen körperlich erschöpft zurück. Hier stecken Ideen für drei Alben drin, ausformulierte Ansätze für ein halbes und genug Instrumental-Filler für mindestens zwei Lebenszeiten. Das ist dieselbe Band, die "Source Tags & Codes" gebar, die mit denselben Mitteln arbeitet - man mag es kaum glauben, nachdem man diesen Moloch durchhat, zwischendrin ist es zwar völlig offensichtlich, aber eben nie für lange. Selbst die schlechten Songs von "XI" sind immer noch links und rechts gesät mit Ideen-Stumpen und einer musikalischen Homogenität, der man nur applaudieren kann. Reece und Keely müssen nur dringend aufhören, die eigene musikalische Vision um Teufel komm raus bei jeder Gelegenheit zu tweaken.
5 Kommentare mit 6 Antworten
Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.
Hmm, es wird hier also sowohl bemängelt, dass sich die Band seit den ersten paar Alben nicht mehr wirklich weiterentwickelt hat, als auch dass sie ihre Experimentierwut etwas runterschrauben und nicht von der eigenen musikalischen Vision abwandern sollten. Und auf dem Album "findet sich kein einziger Track, der sich nicht durch und durch nach den US-Amerikanern anhört", außer den Tracks mit Gastbeitrag, die sich mehr nach den Gästen anhören sollen als nach der Band.
Naja, wirkt ja zumindest so, als ob das noch ausstehende für mich Erschließen des Albums kein langweiliger Prozess sein wird - unabhängig von der finalen Qualität des Albums.
Davon mal abgesehen gehe ich aber mit dem Vorwurf der musikalischen Stagnation d'accord, würde die Datierung dafür aber erst bei den letzten beiden Alben, die ich beide aber trotzdem ganz vorzüglich fand, ansetzen.
Gerade das letzte Album finde ich auch ganz vorzüglich.
Hab diese hier noch komplett vor mir und fand die letzte ebenfalls nicht schlecht... Würde mich in Sachen "Stagnation" gern auf einen Stuhl zwischen dem von Gleepi und dem des Rezessionisten setzen, da ich mit letzterem zumindest in so weit d'accord gehe, dass mich keines ihrer Alben in seiner Gänze emotional nochmal so sehr abgeholt und dann so weit hinter sich her geschliffen hat wie eben "Worlds Apart".
Muss dem Autor leider zum Teil rechtgeben. Da sind wirklich viele Filler drauf, die den "richtigen" Songs nicht wirklich gut tun.
Ich meine ne gewisse Epik steht ihnen ja schon immer und bei Sachen wie "Penny Candle" passt das auch super. Diese späte Beatles Note haben sie ja auch schon seit "Worlds Apart" immer wieder ausgespielt.
Erste Hälfte jedenfalls wesentlich besser und runder als der Rest. Das verliert sich mmn oft in ner Art Gejamme, das nicht wirklich interessant ist.
Wie man allerdings drauf kommt, dass sie sich seit "Worlds Apart" nicht weiterentwickelt hätten versteh ich nich so ganz. V.a. dann noch ST&C zu nennen, das vom Stil ganz anders war... naja
Trail of Dead gerne etwas straighter, aber freu mich immer noch über neuen Output.
Da sind wie immer tolle Songs drauf, aber auch einiges an Fillern. Das Doppel-Vinyl hätte man locker auf eine reduzieren können, dann wäre es ein Highlight geworden.
Den Titel der Rezi finde ich ganz wunderbar treffend. Die dahinter stehende Kritik am Schaffen der Band kommt mir dagegen selbst ein bisschen kauderwelsch vor, wie von Gleep ja schon ausgeführt. Eigentlich halte ich die mMn durchgehend hohe Qualität und gefühlte Homogenität ihrer Veröffentlichungen sogar gerade angesichts der Variabilität der aus Krach und Melodie, Schiefe und Schönklang, gesanglich wie instrumental immer wieder neu geschnürten Platten-Pakete für absolut bemerkenswert.
Damit, dass das bei dieser Scheibe nicht ganz so gut aufgeht, gehe ich aber mit. Ob es wirklich die diesmal überreizte Bandbreite im musikalischen Hin & Her ist, kann ich für mich gar nicht so recht sagen, aber im Ergebnis höre diesmal jedenfalls häufiger als sonst Passagen oder ganze Stücke heraus, die mir auch beim xten Durchlauf nicht so recht gefallen wollen.
Einen signifikanten Abfall in der zweiten Hälfte dafür nicht. Zum einen, weil ich auch den etwas betonter schiefen Nummern (zB dem hier ja sauber verrissenen Protest Streets) durchaus etwas abgewinnen kann (zumindest in Abschnitten). Und zum anderen, weil für mich mit Contra Mundum, Salt In Your Eyes sowie vor allem dem Palmer-Feature die Highlights des Albums auf dieser Seite versteckt sind.
Unterm Strich für mich schon wieder ein lohnendes Stück Musik und 4/5, wegen der ein oder anderen Delle diesmal zugegeben mit Zugrichtung 3.
Ach ja, in Bezug auf Keelys Gesang finde ich die Rezi wiederum ausgesprochen großzügig. Dass seine Stimme Emotion und Stärke bemerkenswert gut transportiert kaufe ich noch, mal einen „hervorragenden Sänger“ würde ich ihn aber schon von den Studiaufnahmen her nicht nennen und seitdem ich sie mal live gesehen habe, kann ich leider nur das Gegenteil für wahr halten
Bei mir ist die Scheibe ein bisschen runtergefallen, habe mir just gestern den ersten Durchlauf gegönnt und bisher auch nur bis einschließlich Taken By The Hand.
Bisher klingt die Platte für mich vor allem, entgegen der Behauptung in der Rezi, weniger nach Trail of Dead als, ja weiß auch nicht, so ziemlich jedes andere ToD-Album. Hatte ja schon bei den Vorabsingles mein Erstaunen kund getan. Bin von dieser Veränderung bisher auch noch nicht wirklich überzeugt, für mich kling das alles irgendwie einen Ticken mehr nach "generischer amerikanischer Rockmusik" in verschiedenen Variationen. XI ist ja auch interessanterweise das erste AYWKUBTTOD-Album seitdem Keely jetzt schon wieder längere Zeit in den USA wohnt.
Aber gut, das ist ja bisher alles noch sehr flüchtig und unvollständig, mal schauen, wie sich das nach ein paar Rotationen wandelt. Dachte nur, wenn Kubi hier grad so schön postet, gebe ich auch mal meinen Senf dazu.
Na, dann bin ich mal auf dein Langzeiturteil gespannt Zweite Halbzeit wird in meinen Ohren wenn dann eher nuanciert unkonventioneller, aber ich habe die erste ja auch schon nicht als soo schlimm schwanzrockig wahrgenommen (wobei ich die Beobachtung anhand zB No Conficence oder des Field Songs schon ein Stück weit nachvollziehen kann).
Hab's jetzt die letzten Wochen immer wieder versucht, aber ganz ehrlich: Um ihnen durch Fanförderung nochmal ne große Tour durch viele Länder mit zu ermöglichen sind mir ihre letzten beiden Alben (inklusive diesem hier) insgesamt doch zu durchschnittlich und mit zu geringem Wiederhörwert im Ohr geblieben.