laut.de-Kritik

Im Auges des Sturms.

Review von

Obwohl im Hause A Place To Bury Strangers gemeinhin ein Ehrfurcht gebietender Qualitätsstandard herrscht, blieb die letzte Platte eher ein solides Verwalten des Status Quos. Das neue Album "Transfixation" überzeugt nun wieder auf ganzer Linie. Pointierter Postpunk-Spirit lotet in eruptiven Aggressionsschüben die innere Finsternis aus. Heraus kommt ein Fest für Gothic- Indie- und aufgeschlossene Metalfans.

Kaum eine andere Band - außer vielleicht Interpol - der Generation Joy Division reloaded hat den Postpunk so schön entstaubt und ins 21. Jahrhundert befördert. Die ersten beiden Scheiben zerhackten alles Errungene in großem Krach der Sorte Big Black trifft The Jesus And Mary Chain. "Worship" feierte daraufhin die Entdeckung des Pop. Für "Transfixation" häuten sich APTBS erneut.

Zwar sind alle identitätsstiftenden Trademarks vorhanden. Oliver Ackermann ist ein Meister der Wiedererkennbarkeit. Die Gitarren nisten noch immer zwischen Funken schlagender Kreissäge und ihrem patentierten Salzsäur-Shoegaze. Neu ist allerdings die Fokussierung auf Subtilität und entzerrende Augenblicke der Stille. Erstmals sind die New Yorker nicht nur der Sturm selbst, sondern auch sein stilles Auge ("Fill the Void").

Diese Herangehensweise kommt einem echten Segen für die künstlerische Weiterentwicklung im Allgemeinen und den Spannungsaufbau von "Transfixation" im Besonderen gleich. Insofern ist es tatsächlich sinnvoll, die Stücke in der bewusst vorgegebenen Reihenfolge zu hören. "Supermaster" ist der perfekte Opener. Die trügerische Zurückhaltung bedeutet an jenen Plätzen, wo man Fremde vergräbt, freilich keinerlei Entwarnung. Nichts ist hier harmlos. Alle Instrumente lauern auf die rechte Sekunde, um endlich das gewohnte Inferno zu entfesseln.

Die Melodien bleiben weiterhin sehr stark. Diesmal jedoch eine Spur weniger vordergründig, dafür jedoch deutlich langlebiger ("Now It's Over"). Die Auskopplung "We've Come So Far" ist solch ein optimaler Moment. Die Sounddichte ist sogar für ihre Verhältnisse beeindruckend. Dazu gibt es im Chorus erstmals weibliche Vocals, die Ackermanns stets gedrückten "I lost myself today"-Gesang hervorragend kontrastieren.

Ackermann: "Das Lied ist Ausdruck der ultimativen Wahrheit: Das Leben ist total super und gleichzeitig elendig abgefuckt." Genau so klingt es auch. Textlich bleiben APTBS insgesamt düster und doppelbödig. Trotz gelegentlich positiver Schübe ("Love High") verkommen sie nie zur Lovejoy Division.

Im letzten Drittel räumen sie dann so richtig ab. Das grandiose Dreiergespann "I'm So Clean", "Fill the Void" und "I Will Die" fegt dem Hörer mühelos den Winter aus den morschen Knochen. Es sind genau die Lieder, die man nach dem Überalbum "Exploding Head" schon längst hätte hören wollen. In den letzten Minuten der "Transfixation" zerlegen sie mit dem Hammer alles, was die Songs vorher aufbauten. Man hört ihnen den ansteckenden Spaß an der Dekonstruktion des eigenen Monuments deutlich an. Unbedingte Kaufempfehlung für diese Brechstange!

Trackliste

  1. 1. Supermaster
  2. 2. Straight
  3. 3. Love High
  4. 4. What We Don't See
  5. 5. Deeper
  6. 6. Lower Zone
  7. 7. We've Come So Far
  8. 8. Now It's Over
  9. 9. I'm So Clean
  10. 10. Fill the Void
  11. 11. I Will Die

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