laut.de-Kritik
Sympathisches Get Together zwischen Folk, Country und Gospel.
Review von Matthias von ViereckDas letzte Mal, dass alle Indieaner sich über einen schrecklich, respektive herrlich langen Albumtitel ärgern/freuen durften, das war als Scott Matthew letzten Frühling sein "There Is An Ocean That Divides usw. usf." veröffentlichte. Ein veritables Ungetüm, 26 Wörter lang. Wer hätte gedacht, dass uns im noch so frischen 2010 ein junger, diesseits des Atlantiks noch wenig bekannter Amerikaner namens Adam Arcuragi mit einem Album überrascht, dessen Puste raubender Titel doch tatsächlich ein Wort mehr zählt? "The Lupine Chorale Society Under The Direction Of Adam Arcuragi Accompanying Himself On Guitar With Voice Presents To You With Song And Singing I Am Become Joy". Puh ...
Arcuragi bewegt sich ausgesprochen gekonnt zwischen alternativem Country, Folk, Gospel und Indie-Americana der stilvollen, dabei nie allzu gefälligen Art. Nur einen winzigkleinen Wermutstropfen muss man von diesem Silberling wischen: Adams zwar angenehmer Stimme fehlt osft das Charakteristische, Besondere. Zuweilen aber, etwa im Stück "The Guns That Bring The Morning Home", legt er derart viel Gefühl in seine Stimmbänder, dass selbst Vergleiche mit Größen vom Schlage eines Nick Drake wenig abwegig sind.
Lassen wir den bescheidenen stimmlichen Mangel beiseite, bleibt zu vermelden: Es müsste schon mit dem Pop-Teufel zugehen, wenn Arcuragi mit seinem zweiten Langspieler (nach einem unbetitelten Debüt von 2006 und einer EP) nun nicht auch in Europa in so einigen Gehörgängen für freudige Erregung sorgen sollte. Dass in dieser Kritik bisher nur von Arcuragi die Rede war, ist indes nicht fair: Wird der Gute doch von der Lupine Chorale Society (siehe Albumtitel), flankiert, einem vielköpfigen Kollektiv, dem diesmal auch Gäste wie Brian Christinzio (B.C. Camplight) oder Dave Hartley (The War On Drugs) angehören.
Famose Backing Vocals sorgen in Stücken wie "The Long Route 38" für ein Gemeinschaftsgefühl, das sich flugs auf den Hörer überträgt. Alle Beteiligten müssen einen Mordsspaß an diesem, zwischen New York, San Francisco und Philadelphia entstandenen Album gehabt haben. Wie anders wäre das Lachen diverser Kehlen in "Lunch In Field Four" zu erklären? Selbst des Frontmanns Gehuste zu Beginn von Song Numero sechs ("We Steal People's Medicine") stört nicht, verstärkt gar den sympathischen Eindruck.
Zwar kann von wirklichem Live-Feeling die Rede nicht sein; wie in einer mit Musikern voll gestopften Wohngemeinschaft aber fühlt man sich immer wieder: Und jetzt alle bitte! Dem deutschen Rolling Stone gegenüber beschrieb Arcuragi, welchem Spirit er sich verpflichtet fühlt: "The spirit of people making a big soup, y' know". Um so unglaublicher, dass Arcuragi seine Musik in Interviews schon mal als "death gospel" apostrophiert.
In "Go With Them" ist es eine ergreifende Steel-Guitar, die im Zusammenklang der Instrumente Bilder voller Sehnsucht evoziert: Tanzendes Tumbleweed vorm Saloon ... Bläser, Akkordeon oder Zimbel, eine singende Säge, sorgen immer wieder für die rechte Stimmung. Ein Stück wie "Math" oszilliert zwischen sanfter Melancholie und gemäßigter Ekstase und macht deutlich, worin eine der Stärken Arcuragis liegt: Bei aller Seelenwundheit nämlich bewahrt er seine Musik stets vor allzu viel, allzu erdrückender Traurigkeit.
Selbst wenn Arcuragis Vortrag zuweilen ins leicht Wehleidige kippt, wird die Lupine Chorale Society doch immer wieder von Euphorieschüben ergriffen. Berückend die Inbrunst mit der Adam im Song "Lunch In Field Four" die Zeile "Take A Good Look Around" zum Besten gibt. Apropos Adam: Dass Arcuragis Organ gelegentlich an einen berühmten Vornamensvetter (A. Green!) erinnert, ist nicht weiter schlimm, kaum die Fußnote wert.
"Bottom Of The River" schließlich ist ein kongeniales Finale, wie man's sich mitreißender kaum denken könnte. Und eins scheint sicher: Von Adam Arcuragi wird noch zu hören und auch zu reden sein. Man ertappt sich jedenfalls beim Gedanken, was etwa mit einer glatteren, Mainstream-tauglicheren Produktion noch so alles drin sein mag.
4 Kommentare
Sehe ich genauso. Danke für die Review!
She comes to me ist so ein Ding woran Sufjan und die Rock placa central ihre helle Freude hätten um nicht Beirut zu vergessen.
Unbedingt zu empfehlen!
Komme gerade vom Konzert. Erschreckend ignorantes Publikum, aber musikalisch war es fantastisch. Nö, grandios!
Selten so sympathische Leute erlebt.
Vor 30! Zuschauern. WTF!
ignorant aber gleichzeitig sympathisch? aha.
Mit den Leuten meinte ich die Band!