laut.de-Kritik
Freibeuter mit mächtiger Schlagseite.
Review von Kai ButterweckWenn man sich das Coverartwork des neuen Alestorm-Albums so anschaut, mag man gar nicht glauben, dass die Schotten relativ wenig mit dem Schaffen von Rock'n'Rolf und Co. anfangen können. So heißt es zumindest immer aus dem Alestorm-Lager. Man stehe eher auf Turisas, Korpiklaani, Primordial, Blind Guardian und Manowar. Auch auf ihrem neuen Album "Sunset On The Golden Age" wehren sich die freudetrunkenen Insulaner mit altbewährter Vehemenz gegen jegliche Trittbrettfahrer-Vorwürfe.
Leider hat das im Grunde genommen durchaus löbliche Beharren auf Eigenständigkeit auch seine Schattenseiten. Vor allem dann, wenn man sich - wie Alestorm - für die bekanntermaßen plumpste aller Wie-können-wir-unsere-musikalischen-Defizite-am-besten-verschleiern-Methode entscheidet. Die Rede ist vom allseits beliebten Size-does-matter-Prinzip.
Bereits auf dem Opener "Walk The Plank" schichten die Verantwortlichen dermaßen viele Gitarren- und Chor-Spuren übereinander, dass die Finger des Hörers schon nach zwei Minuten in Richtung Lautstärkeregler wandern. Die erhoffte Besserung bleibt natürlich aus: Etwas leiser klingt das Präsentierte nämlich leider keinen Deut besser, eher noch schwammiger und im Grunde genommen so gut wie gar nicht mehr kategorisierbar. Ergo: Alles wieder auf Anschlag. Da muss ich jetzt wohl durch.
Was Alestorm selbst zu "True Scottish Pirate Metal" deklarieren, hinterlässt letztlich weder im Laut- noch im Leise-Bereich irgendwelche Spuren. Ein völlig blutleerer Distortion-Apparat, der eine oder andere nur allzu offensichtliche Pogues-Diebstahl und ein LEIDER nicht gedoppeltes Organ an vorderster Front, das klingt, als habe man die Stimmbänder eines volltrunkenen, kettenrauchenden Wacken-Dauergasts mit schmirgelndem Teer asphaltiert.
Es mag Sänger geben, die mit einem derartigen Timbre zu Großem im Stande sind. Alestorm-Shouter Christopher Bowes gehört definitiv nicht dazu. Uninspiriert und harmonieverhasst rotzt der Frontmann seine intelligenzbefreiten Das-Leben-ist-ein-großes-Besäufnis-Verse ins Mikrofon, während sich seine Käpt'n-Hook-Mannschaft im Hintergrund von einer Power-Metal-meets-Quetschkommoden-Folk-Welle zur nächsten kämpft ("Drink").
Alestorm schütteln ihren Kahn so lange, bis sich auch die letzte Planke aus der Verankerung löst. Möglich, dass es hier und da den einen oder anderen besoffenen Hafenwächter gibt, der den schunkelnden Alestorm-Viermaster anlegen lässt. Verantwortliche, die noch halbwegs gerade stehen können, dürften bei der drohenden Ankunft der schottischen Pirate-Metal-Freibeuter jedoch mit einer roten Flagge in der Hand von einer Kaimauer zur nächsten hüpfen. Da helfen auch keine hin und wieder geglückten Refrains weiter ("1741 (The Battle Of Cartagena)", "Quest For Ships").
Lichtmomente haben auf diesem Album wahrlich Seltenheitswert. Stattdessen zieht das Sound-Grauen die Stricke von Minute zu Minute fester zu. Gruselige Höhepunkte: das selbstverstümmelnde Fast-Foward-Gehacke namens "Wooden Leg" sowie der Offbeat-Schiffbruch "Hangover". Einen Filmriss, der mich von den Erinnerungen an die vergangenen fünfzig Minuten befreit, hätte ich jetzt auch ganz gerne.
10 Kommentare mit 3 Antworten
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Langsam kann ich es nicht mehr sehen oder hören. Wikinger hier, Mittelaltermenschen da und Piraten kommen dann noch hinten dran. Früher wollten Metaler hart sein, heute finden sie Anthrax oder tallica scheisse und tun so, als wären sie Larper.
Aber naja, ab und zu kann ich mir die schon geben.
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