laut.de-Kritik

Weniger Zimmer, mehr Metal.

Review von

Avantasia sind bekannt für dreieinhalb-stündige Shows und reizen gerne die Spiellänge einer CD mit opulenten Konzepten aus. Da mutet es fast wie Ausverkauf an, dass "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" mit vergleichsweiser kurzer Dauer von 55 Minuten ins Ziel geht.

Im Vergleich zu den Vorgängern "Ghostlights" und "Moonglow" fällt zumindest der Albumtitel länger aus. Dabei trifft Tobias Sammet mit Blick Sound und Songwriting eine ähnliche Entscheidung wie die Kollegen von Blind Guardian oder Arjen Lucassen, die ihre letzten Alben allesamt straffer und zugänglicher gestalteten ("The God Machine", "Revel In Time"). Die Artwork-Ästhetik erinnert an "Moonglow" und macht sich sicherlich gut als Backdrop und Bühnenkulisse für abendliche Konzertanlässe.

Auch wenn der Zampano des gepflegten und melodieverwöhnten Metals vorne drauf steht, darf jeder in den Mittelpunkt. Dass der 44-jährige Hesse ein Best Of seiner bisherigen Sangeskönner auffährt, versteht sich von selbst. Wem bei Namen wie Geoff Tate (Ex-Queensryche), Floor Jansen (Nightwish), Michi Kiske (Helloween) oder Bob Cately (Magnum) nicht die Ohren schlackern, der hat entweder zu viel gute Musik gehört und ist taub auf den Ohren oder zu viel des schlechten Geschmacks abbekommen. Auf dem Grat zwischen Kunst und Kitsch wandelt Sammet wie ein moderner Till Eulenspiegel und schwingt sich zum Hans Zimmer des Heavy Metals auf. Wobei im hiesigen Fall mehr Heavy Metal und weniger Hans Zimmer zur Geltung kommt.

"A Paranormal Evening With The Moonflower Society" fällt weniger Piano- und Orchester-lastig aus als die Vorgängerwerke. Das Songwriting fiel in die Zeit des Corona-Containments. Der eigentlich gut vernetzte Sammet zog sich in sein hauseigenes Studio zurück und werkelte im sogenannten Mysteryhausen an den neuen Stücken.

Die Auswahl der Synthies wählt er mit Geschmack und Bedacht und nicht aus der vergurkten Sicht eines Steve Harris. Gerade der Opener erinnert durchaus in Machart und Ästhetik an Horror-Movies der Achtziger. Der eher bedächtige und dynamische Aufbau lässt Nebelschwaden aufsteigen und leitet ein in das geisterhafte Treiben.

Die Geister, die der Sänger ruft, sind vielgestaltig. Das kraftstrotzende "The Wicked Rule The Night" intoniert der singende Bizeps Ralf Schepers (Primal Fear). Die Chorpassagen in "Kill The Pain Away" gemahnen an Nightwish und Epica. Die Blumen für diesen Strauß an Melodien heimst Floor Jansen ein. "The Inmost Light" könnte auch auf einer "Keeper"-Platte stehen. Hier schwingt sich Sammet mit Goldkehlchen Kiske in schwindelerregende Tonhöhen auf.

Bob Catley kommt die Ehre zu teil, das schmissige "The Moonflower Society" zu singen. Mit dem schwer kranken Pretty Maids-Fronter Ronnie Atkins bestreitet er das pittoreske "Paper Plane", dessen Piano-Passage deutlich des Gestus des "The Scarecrow"-Hits "Lost In Space" atmet.

Ex-Queensryche-Sänger Geoff Tate hat bereits auf dem Vorgänger eine coole Performance abgeliefert. "Scars" betont dessen zugewandte und Hardrock-affine Seite. Im Rausschmeißer und ein einzig überlangen Track "Arabesque" breitet Jørn Lande seine diabolischen Schwingen aus und führt gemeinsam mit Sammet und Kiske den Hörer durch eine opulente Klangkulisse, deren folkiger Anstrich mit Dudelsack ein wenig die Kitschgrenze überschreitet.

Durch die straffen Songformate und den hohen Abwechslungsreichtum kommt keine Langeweile auf. In seiner Konsequenz und Umsetzung ist "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" die beste Platte im Schaffen von Sammet seit "Age Of The Joker" von Edguy.

Trackliste

  1. 1. Welcome To The Shadows
  2. 2. The Wicked Rule The Night
  3. 3. Kill The Pain Away
  4. 4. The Inmost Light
  5. 5. Misplaced Among The Angels
  6. 6. I Tame The Storm
  7. 7. Paper Plane
  8. 8. The Moonflower Society
  9. 9. Rhyme And Reason
  10. 10. Scars
  11. 11. Arabesque

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