laut.de-Kritik

Moshpit unter der Glitzerkugel.

Review von

Aaron Bruno und Vicco von Bülow mögen auf den ersten Blick kaum etwas miteinander gemein haben. Der Loriot-Sketch, in dem ein Ehemann bei der Paartherapie seine Lieblingsfarbe als ein "grünlich blaues Braunrotgrau" beschreibt, liefert aber eine passende Analogie für den wilden Stilmix, den der Mann hinter Awolnation auf seinem sechsten Album abfeuert.

Auf "The Phantom Five" bringt der Kalifornier mal wieder mehr Musikgenres in einem Song unter, als Plattenläden überhaupt Abteilungen haben, ohne sich dabei im Dickicht seiner Soundspuren zu verheddern. Er selbst sagt, er habe alles in das Album gesteckt, was er noch so auf Lager gehabt hätte. Dieses Statement knallt einem auf "The Phantom Five" direkt ins Gesicht, wenn es zwischen Electro-Disco, Dreampop, Thrash-Metal und Hip Hop springt wie ein DJ, der nicht Nein sagen kann.

Es brummt, fiept und groovt schon im Opener "Jump Sit Stand March" aus allen Ecken der Musikgeschichte, wenn Bruno zusammen mit Dead Sara-Frontfrau Emily Armstrong einen Hybriden aus Hip Hop, Stadionpop und Hardcore zusammenbastelt. Obendrauf durchfahren diesen Behemoth noch Industrial-Zuckungen ganz nach Trent Reznors Gusto. Bruno formt nach wie vor aus Flickwerk herrlich unkonventionelle Klanggebilde.

So auch beim Glam-Rock-Fiebertraum mit "Party People", der mit seinem Metal-Breakdown und Brunos operettenhaftem Falsett die Feierlaune heraufbeschwört. Das wuchtige Gitarrenriff bricht hier wie der Kool-Aid Man in den Song herein, während Bruno schön schrägen Nonsense singt: "I've never seen an alien / To tell the truth, I shouldn't say never".

Den absoluten Turnup-Höhepunkt serviert "I Am Happy" zusammen mit MC-Legende Del Tha Funkee Homosapien. Während dieser zu knarzigen Roboterbeats irgendwo zwischen den alten Weggefährten Gorillaz und Run The Jewels pendelt, gießt Bruno im Refrain mit Streicherteppichen ordentlich Zuckerguss auf den Track. Als Streusel fungiert das spritzige "S-s-s-sunshine raining down my soul, screaming", das ich seit Tagen nicht aus dem Kopf bekomme. "Hell Yeah!"

"Barbarian", eine Kreuzung aus Lagerfeuerlied und Indiepop, nimmt dann gehörig das Tempo heraus und driftet etwas zu sehr in die schmonzige Ecke des Radio-Einheitsbreis ab. Brunos Gespür für große Melodien darf man ihm aber auch hier nicht absprechen. Der schizophrene Disco-Thrash-Mix "Bang Your Head" zertrampelt die Wohlfühlstimmung ohnehin gleich im Anschluss. Dieser Moshpit unter der Glitzerkugel rastet völlig unkontrolliert aus und lässt zerissene Kutten und durchgeschwitzte Schulterpolstersakkos zurück.

Der verträumte Pianotrack "A Letter To No One" könnte in seinen Strophen auch eine Ballade von Steven Wilson sein, bis Bruno im Chorus in die übersüße Welt der Flaming Lips abdriftet. Hier balanciert er gekonnt auf der Grenze zum Kitsch entlang, ohne diesem vollends zu verfallen.

In den Fußstapfen von Thom Yorke geht es in "Outta Here" zum großen Stadionrock-Finale, mit dem Bruno eine große Wall of Sound hochzieht. Eine einsame 80s-Gitarre lässt den Song im Nichts verschwinden, und der Fade Out wirkt wie ein Abgesang. Der 45-Jährige deutete an, dass "The Phantom Five" vielleicht das letzte Awolnation-Album gewesen sein könnte. Angesichts dieses wilden Ritts erheben wir an dieser Stelle Einspruch. Um es mit Loriots Worten zu sagen: "In diesem Ton kommen wir nicht ins Geschäft."

Trackliste

  1. 1. Jump Sit Stand March (feat. Emily Armstrong)
  2. 2. Party People
  3. 3. Panoramic View
  4. 4. I Am Happy
  5. 5. Barbarian
  6. 6. Bang Your Head
  7. 7. City Of Nowhere
  8. 8. A Letter To No One
  9. 9. When I Was Young
  10. 10. Outta Here

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