laut.de-Kritik

Politik und Selbstreferenz in bedrückenden Metaphern.

Review von

Wer sich in der letzten Dekade ein bisschen tiefer mit Rap befasst hat, kam wohl kaum an Billy Woods oder dessen Label Backwoodz Studioz vorbei. Nach Alben gemeinsam mit zum Beispiel The Alchemist oder Moor Mother ist "Aethiopes" nach "Terror Management" die zweite Platte zusammen mit Producer Preservation. Der war sich nicht zu schade, bis in die hinterste Kellerkiste zu kriechen, um die abstrakte unterschwellige Grundlage für den Klang des Werks zu kreieren. Staubigste Jazz-Samples verbinden sich mit sphärischen Loops zu einer Soundleinwand.

Auf dieser zeichnet Billy Woods ein Bild aus Gesellschaftskritik und bedrückenden Metaphern, aus Politik und Selbstreferenz, aus Vergangenheit und Gegenwart. Die das Album einleitenden Worte "I think Mengistu Haile Mariam is my neighbor" könnten wirklich autobiografischen Bezug zu Woods' Kindheit in Simbabwe haben, wohin der äthiopische Diktator nach seinem Sturz geflohen war. Sie skizzieren aber ebenso Abgeschiedenheit, Gefangenschaft, Geheimniskrämerei: "Whoever it is moved in and put an automated gate up / Repainted brick walls atop which now cameras rotated."

Billy Woods sticht nicht nur allein heraus. Die Featureliste ist prall gefüllt. Im Song "NYNEX" kommen noch Armand Hammer-Kollege ELUCID, Denmark Vessey und Quelle Chris zu Wort. Auf dem düster-grimmigen Track "Sauvage", der ohne Weiteres auf jedes Griselda-Release gepasst hätte, sind Boldy James und Gabe 'Nandez dabei. Auch El-P brilliert auf "Heavy Water".

Das Cover zeigt einen Ausschnitt des Gemäldes "Twee Moren" des niederländischen Malers Rembrandt, was wiederum einen Bezug zum Albumtitel "Aethiopes" herstellt. Ein antikes Wort von Europäern für Afrikaner, eine Fremdbezeichnung, eine Abbildung aus der Sicht einer weißen Gesellschaft, ähnlich wie das Gemälde, eine Abbildung, gesehen mit den Augen eines weißen Mannes. So schließen sich bei Billy Woods immer wieder Interpretationskreise, die auf den ersten Blick vielleicht nicht ersichtlich sind.

Insgesamt ist "Aethiopes" nicht leicht zu verdauen, wenn man sich richtig darauf einlässt. Das Album regt zum Nachdenken und zum Nachforschen an. Man muss aber keine Sorge haben. Es bietet auch (oder vor allem) ohne Abschlüsse in Kunstgeschichte und Äthiopistik Genuss. Die abwechslungsreiche und eingängige Produktion bringt einen auch beim einfachen Durchhören und Kopfnicken auf seine Kosten.

Trackliste

  1. 1. Asylum
  2. 2. No Hard Feelings
  3. 3. Wharves
  4. 4. Sauvages feat. Boldy James & Gabe 'Nandez
  5. 5. The Doldrums
  6. 6. NYNEX feat. Denmark Vessey, ELUCID & Quelle Chris
  7. 7. Christine feat. Mike Ladd
  8. 8. Heavy Water feat. Breeze Brewin & El-P
  9. 9. Haarlem feat. Fatboi Sharif
  10. 10. Versailles feat. Despot
  11. 11. Protoevangelium feat. Shinehead
  12. 12. Remorseless
  13. 13. Smith + Cross

Videos

Video Video wird geladen ...

2 Kommentare